Tsitsi Dangarembga

Aufbrechen


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in der unbequemen fünften Klasse. Aber so war es am praktischsten, denn sie konnten nirgendwo in Salisbury übernachten; wenn auch die Reise dadurch um einen Tag verlängert wurde. Das Problem war, rechtzeitig zur Abfahrt des Zuges zwischen acht und neun Uhr abends zum Bahnhof zu gelangen. Das klingt einfach, doch die Busse zur Stadt fuhren nur unregelmäßig durch das Dorf, nach einem Fahrplan, auf den kein Verlass war. Folglich musste man Reisen nach Tagen und nicht nach Stunden planen. Deshalb beschlossen mein Vater und Nhamo, frühmorgens mit dem Bus nach Umtali zu fahren, der laut Plan, aber selten genug pünktlich, um halb sieben jeden Morgen an unserem Busbahnhof hielt. Wenn er überhaupt ankam, eine Stunde später oder früher als vorgesehen, war er meist schon voll: Man erkannte das schon aus einer Entfernung von etwa zwanzig Metern daran, dass der Bus innen schwarz wirkte. Deshalb musste die Logistik der Reise sorgfältig geplant werden. Es gab eine lange, weitschweifige Diskussion über die Frage, ob sie die Nacht zu Hause verbringen sollten, was einen frühen Aufbruch am Morgen bedingte, oder bei meiner Tante, die näher bei der Haltestelle wohnte. Baba und Nhamo waren natürlich für die letztere Variante, doch meine Mutter wies unvernünftigerweise darauf hin, dass meine Tante sie zwar gut ernähren würde, solange sie sich bei ihr befanden, dass man aber von ihr nicht erwarten könne, so großzügig für Reiseproviant zu sorgen wie meine Mutter. Man solle nicht ihr die Schuld geben, sagte meine Mutter, wenn sie im Zug dann verhungerten. Dies sahen die beiden ein. Vater und Nhamo beschlossen, die Nacht vor ihrer Abfahrt bei meiner Tante zu biwakieren, und trugen mir auf, ihnen die Verpflegung zu bringen, die meine Mutter morgens vorbereiten würde. Sie waren sich einig, dass ich ihnen die Verpflegung zur Bushaltestelle bringen sollte und nicht zum Haus meiner Tante, für den Fall, dass ich mich verspätete und erst bei meiner Tante eintraf, nachdem sie schon fort waren.

      Meine Mutter hatte sich verschätzt. Indem sie ihnen auszureden versuchte, eine weitere Nacht auswärts zu verbringen, hatte sie gehofft, dass die beiden gerade das tun würden und sie noch eine Weile länger ihre Ruhe hätte. Das hatte sie zwar erreicht, sich aber zugleich die schwierige und anstrengende Aufgabe aufgehalst, Proviant aufzutreiben. Sie wollten Maisbrot – weil das weiße Brot aus den Läden den Magen zu kurz füllte, während das sadza von gestern zu schwer im Bauch lag – sowie süße Kartoffeln und Hühnerfleisch. Meine Mutter war beleidigt. „Diese Männer denken überhaupt nicht nach“, beschwerte sie sich. „Sie wissen ganz genau, dass noch nicht ausgesät worden ist. Woher soll ich also Maisbrot bekommen? Und süße Kartoffeln! Ich habe sie erst gestern gepflanzt, weil ich es ganz allein tun musste! Und wenn sie wirklich ein Huhn wollen, was soll ich dann für Babamukuru kochen, wenn er kommt?“

      Das Problem wurde wie üblich gelöst. Ich holte Maismehl von meiner Tante, nachdem ich es zuerst erfolglos bei den Nachbarn probiert hatte, die mir jedoch Erdnüsse gaben, als sie hörten, wozu das Maismehl gebraucht wurde. Die süßen Kartoffeln reiften nicht rechtzeitig, aber am Tag vor der Abreise erreichte uns per Telefon aus dem Gemeindehaus die Nachricht, dass Babamukuru Geld für eine Ziege geschickt hatte. So kamen Baba und Nhamo doch noch zu ihrem Huhn.

      Meinem Vater und Nhamo stand eine sehr komplizierte Reise bevor. Kompliziert und aufregend. Ich wollte dabei sein. Auch ich wollte mit Fahrplänen jonglieren. Auch ich wollte um Mitternacht im Zug frisches Maisbrot, in Asche geröstete Erdnüsse und gesalzenes, gekochtes Hühnerfleisch essen. Vor allem wollte ich so sehr das ohrenbetäubende Dröhnen und Brummen (war es ein Dröhnen oder ein Brummen?) der Flugzeuge hören. Die Sehnsucht, mitfahren zu dürfen, zeigte sich wohl auf meinem Gesicht, während ich ihnen beim Schmieden und Ändern ihrer Pläne zuhörte, denn mein Vater nahm mich zur Seite und beschwor mich, meine unnatürlichen Neigungen zu zügeln: Es war selbstverständlich, dass ich zu Hause blieb und den Empfang vorbereitete. Die Vorstellung meines Vaters von dem, was natürlich war, hatte mich schon geärgert, seit ich die Schule verlassen musste. Ich suchte seinen Belehrungen zu entgehen, indem ich in mürrisches Schweigen versank, das laut meinem Vater ebenfalls unnatürlich war: „Nun, da der Mund zu ist, ist das Herz stolz.“ Er drohte mir Prügel an, da er aber lieber faulenzte, machte er sich nie die Mühe, mir nachzusetzen, wenn ich wegrannte.

      Ich hatte das Glück, dass die Position meines Vaters so offensichtlich unhaltbar war, denn sonst hätte mich das alles verwirrt. Unter den gegebenen Umständen war die Situation klar: Es gab keinen Weg, meinen Vater zufriedenzustellen, und auch keinen Grund dazu. Mit Erleichterung ging ich meiner eigenen Wege, was ihn noch mehr aufbrachte. Es gefiel ihm nicht, wenn ich intellektuell zu sehr in Anspruch genommen war. Er regte sich zu sehr auf, als er mich mehrmals dabei erwischte, wie ich das Zeitungsblatt las, in dem das Brot von magrosa eingepackt war, während ich darauf wartete, dass das sadza fester wurde. Er glaubte, ich würde meinem Bruder nacheifern, meinen Kopf mit gelesenen, unpraktischen Dingen füllen und somit für die wahren weiblichen Aufgaben untauglich werden. Es war eine schwere Zeit für ihn, denn Mr. Matimba hatte ihm dargelegt, dass meine Ausbildung finanziell gesehen eine Investition war, aber das war, in Rinderzahlen umgerechnet, auch eine traditionell erzogene Tochter. In seiner Frustration flüchtete er in extreme Einfälle. Ungeachtet der baldigen Rückkehr von Babamukuru drohte er, mich wieder von der Schule zu nehmen. Es war eine unbedachte Drohung: Wie hätte er das fertigbringen können? Da er machtlos war, ließ er mich in Ruhe. Wir lebten in friedlicher Distanz nebeneinanderher.

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