Ludwig Bröcker

Aus dem Leben listiger Großmütter


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den Vorhang nur ein wenig zur Seite schiebend, die Straße. Wie könnte sie jetzt noch bewirken, dass richtige Polizisten unbemerkt ins Haus gelangen? Vielleicht durch den Hintereingang, aber der Weg zwischen den kleinen Gärten war kompliziert. Vermutlich würde die Polizei doch lieber mit Trara vorfahren als sich auf obskure Pläne einer tütteligen Witwe einzulassen.

      Es war ohnehin zu spät: Zwei Uniformen näherten sich ihrem Haus.

      3.

      Lisbeth ging gleich nach draußen und schloss die Haustür hinter sich. Die Uniformen erwiesen sich als dunkelblaue Arbeitsanzüge, wie man sie in jedem Baumarkt kaufen konnte. Auf die Brusttaschen waren rote Schilder geklebt oder genäht mit der Aufschrift: Polizei. In der einen Uniform steckte ein Mann, mittelgroß und mittelbreit, um das Kinn herum etwas bärtig, leicht ergraut, und auf dem Kopf saß eine von den üblichen Schirmmützen, aber ohne Beschriftung. Seine junge Begleiterin war ebenso bekleidet. Aus ihrer Mütze hing ein blonder Pferdeschwanz.

      „Guten Tag, Frau Ewald, da sind wir schon“,

      sagte der vermeintliche Polizist. Darauf Lisbeth, als wäre sie stolz auf ihre souveräne Art, mit der Situation umzugehen:

      „Darf ich bitte ihren Ausweis sehen?“

      „Selbstverständlich.“

      Er holte in der Tat ein kleines Kärtchen aus der Tasche, hielt es für den Bruchteil einer Sekunde hin und verstaute es wieder.

      „Ich schätze es ja so, wenn alles seine Korrektheit hat“, heuchelte Lisbeth, „richtige Polizei mit scharfen Waffen!“ Dabei sah sie aber keine Halfter und entdeckte auch sonst keine verdächtigen Ausbuchtungen der Hosentaschen.

      „Hat ihre junge Kollegin denn auch einen Ausweis?“

      „Ich bitte sie, sie sind ja eine ganz Genaue, es genügt doch wohl“…

      In dem Moment näherte sich auf dem gegenüberliegenden Gehsteig eine Aktentasche an einem Arm und darüber ein erstaunter Blick, Oskar. Lisbeth grüßte vernehmlich und sagte:

      „Das ist unser Nachbar, er kommt gleich rüber um mich zu beraten, der Immobilienkauf, sie wissen ja, aber das hat sich ja jetzt erledigt.“

      Doch sogleich merkte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte, denn jetzt hatten die beiden Strolche keine Zeit mehr zu verlieren, jetzt würden die beiden unverrichteter Dinge verschwinden. Sie sah der jungen Frau in die Augen und bemerkte:

      „Sie sagen ja gar nichts.“

      Aus gutem Grund sagte sie nichts, und dann passierte etwas, das beinahe die ganze Aktion zum Platzen gebracht hätte, auf beiden Seiten, denn der Komplize sagte tatsächlich:

      „Hol schon den Wagen.“

      Gut, er sagte nicht: Hol schon mal den Wagen, aber auch so hatte Lisbeth Mühe, ein Lachen zu verkneifen. Als ihre Jungs in Münster studierten und nach einem reichlichen Mittagessen bei Muttern am späten Sonntagnachmittag wieder in Richtung ihrer Buden aufbrachen, war es stets das Signal, mit dem Konrad zum Aufbruch blies: Justus, hol doch schon mal den Wagen (der Wagen war ein älterer Polo).

      Die junge Frau entfernte sich tatsächlich in Richtung Straße. Lisbeth sagte:

      „Dann hole ich jetzt den Umschlag.“

      Ihr Plan war, ins Haus zu gehen, hinter sich die Tür zu schließen und sofort die Polizei zu rufen, aber es kam anders: Als sie die Tür öffnete schob sie der Mann mit impertinenter Dringlichkeit vor sich her. Sie sagte schnell:

      „Sie werden verstehen, dass ich das viele Geld sicher versteckt habe. Ich zeige es Ihnen. Bitte folgen Sie mir. Die Tür machen wir lieber zu, sonst kommt unser Nachbar, den sie eben gesehen haben, noch rein, und der ist schrecklich neugierig.“

      Dann stieg sie die Kellertreppe hinab, das Geländer sicher im Griff haltend, öffnete die schwere Eisentür zum Badezimmer und machte das Licht an.

      „Da in der Truhe“, flüsterte sie, um ihrer Stimme einen geheimnisvollen Klang zu geben, „unter den Handtüchern.“

      Der Mann öffnete die Truhe sofort, wühlte sich mit seiner Hand durch die Handtücher und fand den Umschlag, der sich ziemlich gut anfühlte. In dem Moment hörte er, wie die Tür ins Schloss fiel und ein Schlüssel gedreht wurde.

      Er sprang sofort zurück, rüttelte am Griff und schrie:

      „Was soll das? Sind sie verrückt? Ich bin die Polizei!“

      Er griff in den aufgerissenen Umschlag, doch ihm schwante schon, was darin stecken würde: nichts als ein Haufen Papier.

      „Damit kommen sie nicht durch“, schrie er, „das ist Gewalt gegen Beamte,

      wir werden sie anzeigen wegen Irreführung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Dafür gibt es empfindliche Strafen.“

      „Zeigen sie doch bitte noch einmal ihren Ausweis, ich konnte ihn noch nicht richtig begutachten.“

      Das tat er nicht. Stattdessen brüllte er:

      „Meine Kollegin wird mich hier rausholen.“

      In dem Moment schellte es, worauf der vermeintliche Polizist ein dreckiges Lachen von sich gab, aber dann fiel ihm ein, dass er einen Fehler gemacht hatte: Er hätte sich nicht darauf einlassen dürfen, dass die Haustür geschlossen wurde. Durch eine offene Tür wäre seine Partnerin unbemerkt hineingeschlüpft und könnte die alte Schachtel fesseln und knebeln nach allen Regeln der Kunst. Geld gab es dann trotzdem nicht, aber ein bisschen Schmuck absahnen wäre ja noch drin gewesen. Allerdings, er hätte dazu keinen Mut.

      Lisbeth ging zur Haustür, öffnete sie aber nicht, sondern schaute aus einem Fenster im oberen Stockwerk.

      „Hallo.“

      „Wo ist denn mein Kollege?“

      Lisbeth meinte ziemlich klar die Stimme der vermeintlichen Lena zu erkennen.

      Sie rief:

      „Ihr Kollege hat den Umschlag mit dem Geld an sich genommen. Er ist aus dem Hinterausgang raus, aus Sicherheitsgründen, sagte er. Ich will doch sehr hoffen, dass alles seine Richtigkeit hat. Mein Gott, das viele Geld!“

      „Fuck, fuck, fuck!“ Das war alles, was von der so genannten Kollegin noch zu hören war, dann rannte sie ein Stück auf der Suche nach Hinterausgängen, besann sich aber und brauste mit dem Auto davon.

      Lisbeth schlich sehr leise in den Keller zurück, traute sich aber nicht bis vor die Tür des Badezimmers, das die Kinder immer als Knast bezeichneten, denn die kriminelle Energie, die sie in dem Raum verschlossen hatte, flößte ihr plötzlich Schauer ein. Allein, außer, dass ab und an vergeblich die Türklinke betätigt wurde, geschah nichts. Dann hörte sie ein Handy, und daraus sofort etwas, das sie natürlich nicht verstehen konnte, aber es hörte sich deutlich wie ein heftiges Geschimpfe an. Immerhin, aus dem, was ihr Gefangener sagte, also dem halben Dialog, ließ sich schon genug entnehmen:

      „Nein, ich sag dir, ich bin nicht mit dem Geld abgehauen.“

      „Das musst du mir glauben, da war gar kein Geld.“

      „Weil die Alte uns ausgetrickst hat.“

      „Weil ich keine Kanone dabei hab, verdammt noch mal.“

      „Hätte, hätte, hätte.“

      „Hörst du mich? Hier ist ein Scheißempfang, und ich sag‘s dir nochmal: Ich bin nicht mit dem Geld abgehauen.“

      „Weil ich in einem Scheißbadezimmer eingeschlossen bin, und die Tür ist aus Scheißeisen.“

      „Lächerlich sagst du. Mir ist überhaupt nicht nach Lachen zu Mute.“

      „Und wenn du mir tausend Mal nicht glaubst! Ach, leck mich doch! Fuck!“

      Jetzt machte sich Lisbeth geräuschvoll bemerkbar:

      „So, so, Herr Fack, jetzt aber mal ehrlich.“

      „