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Sprachkontrast und Mehrsprachigkeit


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syntaktische Strukturen (LRL 1992, 622). Dass die Muttersprache eine Basis für das Erlernen einer Fremdsprache darstellt, erscheint rückblickend geradezu revolutionär. Einen weiteren Akzent setzten die neu aufgekommenen Humanwissenschaften sowie die natur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Nicht mehr die einzelsprachlichen Aspekte allein waren nun zu berücksichtigen; prominent stand die Frage nach der „Geburt“ von Sprache im Raum, die durch Johann G. Herders Abhandlung „Über den Ursprung der Sprache“ (1772) innerhalb des Wissenschaftsdiskurses neu positioniert und diskutiert wurde (Wildgen 2010, 10; Gardt 1999, 219sqq.). In der Reflexion des 19.Jahrhunderts wurde die Frage nach dem Verhältnis zwischen Sprache und Denken neu gestellt, die als Ergebnis mitunter diametral entgegengesetzte Positionen hervorbrachte (Gardt 1999, 230sqq.). Anders als seine Vorgänger und Zeitgenossen positionierte sich der Universalgelehrte Wilhelm von Humboldt (1767–1835). Dieser ging von der Annahme aus, Sprache sei das „Organ des Denkens“ über das sich die Welt erschließen lasse (Elberfeld 2014, 49sq.).5 Die differenten Zugänge, Sprache zu verstehen, erklären sich somit nicht nur aus dem Versuch heraus, Sprache in ihre grammatischen Komponenten zu zerlegen und zu kategorisieren; ihr wurden biologische, kognitive und soziale Komponenten zugewiesen. Durch William Dwight Whitney (1827–1894) erhielt die Sprachforschung konkretere Konturen und entwickelt sich so zu einer von anderen Disziplinen des 19.Jahrhunderts weitestgehend unabhängigen Forschungsrichtung. Er bestimmte die Sprachwissenschaft als eine historische Wissenschaft mit den Worten:

      Diese Wissenschaft ist bestrebt, die Sprache, sowohl in ihrer Einheit als ein Mittel des menschlichen Ausdrucks und in Abgrenzung zur Kommunikation der Tiere, als auch in ihrer inneren Vielfalt von Material und Struktur zu verstehen. Sie versucht, die Ursache für die Ähnlichkeiten und Unterschiede der Sprachen zu entdecken und diese zu klassifizieren (…). Sie versucht festzustellen, was Sprache im Verhältnis zum Denken ist und wie es zu dieser Beziehung gekommen ist. (…) und, wenn möglich, wie die Sprache überhaupt entstanden ist. (Whitney 1899 in der Übersetzung von Wildgen 2010, 20)

      Hinter diesem Zitat verbergen sich zahlreiche Fragen, die die Linguistik heute noch beschäftigen. Was uns in der modernen Sprachforschung als selbstverständlich erscheint, bedurfte einer jahrtausendlang währenden Betrachtung von Sprache. Bereits in antiker Zeit setzte ein Nachdenken über die Funktionalität und Grammatikalität von Sprache ein. Über Jahrhunderte hinweg wurden zahlreiche Meilensteine sprachbetrachtender Arbeiten gesetzt, die „die nie mehr abgerissene Tradition der Ars grammatica [begründeten], ohne die auch die moderne Linguistik nicht bestehen würde“ (Jungen / Lohstein 2007, 12). Der Sprachvergleich bildete, dies zeigte der kursorische Überblick, eine unverzichtbare Konstante. Die Kontrastive Linguistik konnte sich als linguistische Disziplin erst später etablieren.

      2.2 Kontrastive Linguistik – Unterdisziplin der Sprachwissenschaft

      Dem Sprachvergleich lassen sich eine Reihe von linguistischen Subdisziplinen zuordnen, darunter auch die Kontrastive Linguistik. Ausführliche Darstellungen finden sich in zahlreichen Artikeln und Monographien (bspw. König 1990, 1996; Tekin 2012; Theisen 2018). Der vorliegende Beitrag führt lediglich in die Thematik ein. Dem Versuch einer griffigen Definition entzieht sich die Kontrastive Linguistik, sodass Brdar-Szabó diese Vagheit wie folgt erklärt: „Die Kontrastive Linguistik stellt kein homogenes Phänomen dar, sondern ist durch viele Richtungen gekennzeichnet, die jeweils unterschiedlichen sprachtheoretischen Ansätzen zuzuordnen sind und über unterschiedliche Proportionen theoretischer und deskriptiver Komponenten verfügen“ (2010, 520). Die Autorin macht auf ein Forschungsfeld aufmerksam, dessen hohe Komplexität in der historischen Entwicklung der Sprachforschung begründet liegt. Die Aufgabe der Kontrastiven Linguistik spezifiziert sie, indem sie nach dem Verhältnis zwischen L1 und L2 (Kontrastivität als Relation) fragt, wobei die Begriffe Transfer (Interferenz bzw. negativer Transfer) und Fehler zentral sind. Den praktischen und didaktischen Mehrwert der Kontrastiven Linguistik erkennt die Autorin in der Kontrastivität als Strategie des kognitiven Lernens (Brdar-Szabó 2010, 525sqq.), die sich in expliziter wie in impliziter Bewusstmachung ausprägt. Bei der expliziten Bewusstmachung werden die sprachlichen Einheiten der zu vergleichenden Sprachen mikroskopisch genau analysiert und bestimmt, sodass abweichende Auffälligkeiten wie auch die Sprachen verbindende Elemente in den Lernprozess eingebunden werden. Diese können sich bspw. auf lexikalischer oder syntaktischer Ebene abspielen. Die implizite Bewusstmachung hingegen setzt auf die kognitiven Fähigkeiten des Lerners, individuelle Strategien (Hypothesenbildung durch Inferieren) zur Erschließung der zu vergleichenden Sprachsysteme bilden zu können (Brdar-Szabó 2010, 526sq.).

      2.2.1 Kontrastive Linguistik: von der Kontrastivhypothese zur Interlanguage-Hypothese

      Seit ihren Anfängen, die um die Mitte des 20.Jahrhunderts anzusetzen sind und mit Erkenntnissen des amerikanischen Strukturalismus einhergingen, war und ist die Kontrastive Linguistik (synchron-vergleichende Linguistik) untrennbar mit Entwicklungsprozessen innerhalb der modernen Fremdsprachenforschung und -didaktik verknüpft, die sich um eine möglichst ‚lernernahe‘ Fremdsprachenvermittlung bemühte. Mit Charles C. Fries (1887–1967)1 und nachfolgend mit Robert Lado (1915–1995)2 wurde der Weg für die Kontrastive Linguistik frei und für eine erste Hypothese – der Kontrastivhypothese –, die den Erwerb einer neuen Sprache zu erklären versuchte. Noch im Fahrtwind des Behaviorismus (Skinner 1957) verhaftet, wurde angenommen, dass Lerner ihre in der L1 bereits automatisierten sprachlichen Gewohnheiten (habit formation) ebenso in der L2 ausbilden könnten. Lado zufolge erfolgt bei Strukturgleichheit zwischen der L1 und der L2 eine schnellere Automatisierung sprachlicher Gewohnheiten. Negativer Transfer oder Interferenzen (bad habits) stellten hingegen die Unterschiede zwischen der Ausgangs- und der Zielsprache heraus. Er konnte beobachten: „[…] the student who comes in contact with a foreign language will find some features of it quite easy and others extremely difficult. Those elements that are similar to his native language will be simple for him, and those elements that are different will be difficult“ (Lado 1957, 2). Da für Lado das Sprachenlernen die Ausbildung von Stimulus-Response-Verbindungen (habit formation) bedeutete, maß er dem Lernen von interlingual abweichenden Sprachelementen hohe Bedeutung zu und versprach sich durch ständiges Wiederholen (pattern drill) großen Lernerfolg. Der lerntheoretische Hintergrund basierte auf den Ideen behavioristischer Annahmen, die dem Lernprozess keine kognitive Beteiligung des Lernenden zubilligte. Die Kontrastivhypothese konnte im Ergebnis die sehr hohen Erwartungen hinsichtlich einer effektiven Fremdsprachenmethodik und -didaktik jedoch nicht erfüllen (cf. König 1990, 117), und verlor bald an breiter Akzeptanz. Die Hauptkritik an der auf Synchronizität setzenden Untersuchung lag an dem nicht sichtbaren didaktischen Mehrwert und der fälschlicherweise starken Verquickung zwischen der Kontrastivhypothese und der Kontrastiven Linguistik als Teildisziplin. König und Nekula erläutern rückblickend nüchtern:

      Die Kontrastive Linguistik und darauf aufbauende Aussagen über Kontraste und über Lernschwierigkeiten und Strategien der Lehre wurden als zentrale Bestandteile einer Theorie des Zweitspracherwerbs gesehen und somit mit völlig unrealistischen Erwartungen verknüpft, die früher oder später enttäuscht werden mussten. (2013, 16)

      Noam Chomskys nativistisch orientierte Denkrichtung bildete einen weiteren Meilenstein in der Sprachforschung. Die Abkehr vom Behaviorismus machte den Weg frei für neue Erklärungsansätze bezüglich des Spracherwerbs, die in der Identitätshypothese und in der Interlanguage-Hypothese formuliert wurden. Der nativistische Ansatz (bspw. Chomsky 1986, 1988) knüpfte an die Vorstellung an, der Mensch verfüge über universelle, angeborene sprachspezifische Erwerbsmechanismen, dem LAD (language acquisition device), was ihn dazu befähige, jegliche Sprache der Welt bei adäquatem Input zu aktivieren. Während gemäß der Identitätshypothese (Dulay / Burt 1974) der Erwerb einer weiteren Sprache den Gesetzmäßigkeiten des Erstspracherwerbs folgt, fokussierte die Interlanguage-Hypothese (Corder 1967, 1981; Selinker 1972) sowohl die Erstsprache (L1) als auch die Zweitsprache (L2) und ihr Verhältnis (Interlanguage) zueinander im Zweitspracherwerbsprozess. Die bereits aus der Analyse der Kontrastivhypothese gewonnenen zentralen Beobachtungsparameter – Fehler und Transfer – erfuhren neue Interpretationsansätze. Der Analyse von Fehlern wurde größere Aufmerksamkeit geschenkt, denn es galt, „das Verhältnis von Kontrastiver Linguistik, Fehleranalyse und Lernersprachforschung zu eruieren (Brdar-Szabó