Bernd Dr. med Guzek

Alkohol adé


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Entzug in der Klinik brauchen würde. Langzeittherapie? Unmöglich. Allein zeitlich – drei Kinder, selbstständig, beruflich voll eingespannt? Ein klares Nein. Und außerdem: Körbchenflechten und Specksteinschnitzen fand ich schon in der Schule doof.

      Stopp! Bevor Sie jetzt innerlich feixend applaudieren – ich habe jetzt bewusst mal ganz tief in die Kiste mit Vorurteilen gegriffen. Bitte legen Sie diese ab – genau wie ich. Ob jemand in die Klinik zur Entgiftung muss oder nicht, das ist überhaupt nicht leicht zu entscheiden. Allein und kalt zu entziehen birgt – je nach Abhängigkeitsgrad – große Risiken. Ich war in einer besonderen Situation: Mein Mann ist Arzt. Hätte ich mich getäuscht und es wäre doch zu körperlichen Entzugserscheinungen gekommen, hätte er fachkundig eingegriffen. Im Extremfall kann ein kalter Entzug auch tödlich enden. Witzig geht wirklich anders.

      Zweitens: Eine Langzeittherapie bietet natürlich mehr als Malen, Basteln und Stuhlkreis. Das habe ich aber erst später von Menschen gehört, die sie absolviert haben und denen sie geholfen hat. Ich habe mich wie gesagt dagegen entschieden – und es hat bei mir auch ohne geklappt.

      Was ich über Hilfen zum Alkoholausstieg erfahren konnte, hinterließ anfangs trotzdem mehr Fragezeichen als Antworten. Denn vieles passte nicht zu dem, wie ich mich selbst wahrnahm. Ich hatte nie das Gefühl, mein ständiger Drang zum Glas hätte etwas mit meiner Psyche zu tun. Mir ging es ja gut. Ich musste mir keinen Kummer wegschwemmen oder Mut antrinken, Freunde hatte ich genug und glücklich war ich auch. Ich konnte trotzdem nicht aufhören.

      Ich war mir sicher: Das lag nicht an meinem zu schwachen Willen. Im Gegenteil. Ich bin ein sehr willensstarker Mensch, Durchsetzung ist mein zweiter Vorname.

      Nur beim Wein, da klappte das nicht.

      Für mich fühlte sich das körperlich an. Etwa so, wie meine zuckerkranke Schwiegermutter ihren übermächtigen Drang nach Schokolade, Kuchen und Co beschrieb. Diabetiker hecheln dem Zucker ja auch nicht hinterher, weil sie ein „Psychoproblem“ haben. Das hat handfeste medizinische Gründe.War da vielleicht eine Parallele?

      Ich bin nicht umsonst seit 30 Jahren Medizin- und Wissenschaftsjournalistin. Meine Neugier war geweckt – und jetzt hatte ich den besten Recherchegrund überhaupt: Ich war auf der Suche nach Hilfe für mich selbst. Mein Mann ist Arzt und ebenfalls Wissenschaftsjournalist. Gemeinsam begannen wir zu recherchieren. Wir haben uns mehr als vier Jahre durch Fachliteratur gefräst. Was ist Alkoholsucht wirklich? Was passiert da im Körper? Wie schafft es Alkohol, mich so ans Gängelband zu nehmen? Unsere Ergebnisse stehen in diesem Buch. Sie lauten:

       Der Drang zum Alkohol ist eine körperliche Erkrankung. Die Unterscheidung πpsychisch abhängig“ und „körperlich abhängig“ ist genau genommen falsch. Bekommt man die Finger nicht vom Glas, hat das keine psychologischen Gründe. Die Triebfeder liegt in Nervenbotenstoffen, deren Balance der Alkohol aus der Bahn geworfen hat.

      Es ist von Anfang an eine körperliche, biochemische Abhängigkeit. Die sogenannte psychische Abhängigkeit ist eigentlich nur die Soft-Version der sichtbaren körperlichen Abhängigkeit. Eigentlich ist Alkoholsucht eine Art Stoffwechselerkrankung. Warum, das erklärt Ihnen dieses Buch.

      Sie werden verstehen, dass nicht Ihre „Psyche“ nach Alkohol schreit, sondern dass Ihr Drang zum Glas rein medizinische Gründe hat. Als ich das verstanden hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen, denn damit konnte ich viel besser umgehen. Wer sich das Bein bricht, beschimpft ja auch nicht die eigene Psyche dafür, dass er nicht gehen kann. Es ist wie mit Asthma, Diabetes oder Rheuma: Wer die eigene Krankheit genau versteht, kann am besten dagegen angehen und sie am Ende besiegen. Wenn Sie das erste Buchkapitel gelesen haben, wird es Ihnen mit dem Alkohol so gehen.

       Alkoholsucht ist eine handfeste medizinische Erkrankung. Man kann dem Körper helfen, sich davon wieder zu erholen. Hilfe zur Selbsthilfe heißt das Stichwort. Der Schlüssel waren für mich Nährstoffe. Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Aminosäuren haben den Drang zum Alkohol in den Flüstermodus geschickt. Dafür waren aber Dosierungen nötig, die über die Ernährung nicht zu erreichen sind – ich habe diese Nährstoffe als Tabletten, Pulver und Shakes zu mir genommen. Wir schildern in diesem Buch, welche Nährstoffe dies waren.

       Der Alltag kann natürlich nicht so bleiben, wie er mit Alkohol war. Die Versuchung lauert an jeder Ecke, man braucht Tricks und Tipps für das Leben in unserer alkoholgeschwängerten Gesellschaft. Sie sind gerade im Notfall Gold wert und machen es leichter, „Nein“ zu sagen.

      Auch wenn Sie bereits abstinent leben, sich trotzdem aber nicht wirklich wohl in Ihrer Haut fühlen, ist dieses Buch für Sie sicherlich hilfreich. Denn leider kehrt mit dem Abschied vom Alkohol nicht immer automatisch auch die volle Gesundheit zurück. Nicht nur sogenannte „psychische“ Symptome bleiben oft übrig, sondern auch handfeste Beschwerden wie Muskelschmerzen, Magen-Darm-Probleme oder Herzrhythmusstörungen. Die Ursache hierfür kann ebenfalls ein Riesenmangel an Vitaminen, Mineralstoffen und Co sein.

      Vieles mag Ihnen zunächst ungewöhnlich erscheinen. Immerhin entspricht es oft nicht dem, was allgemein über Alkoholabhängigkeit gesagt und geschrieben wird. Sie können sich aber darauf verlassen, dass wir ganz fest auf dem Boden der aktuellen Wissenschaft stehen. Unsere Literaturliste mit Fundstellen aus der internationalen Forschung finden Sie auf unserer Website www.alkohol-ade.com/literatur.

      „Akohol adé“ ist das erste deutschsprachige Buch, das die Zusammenhänge der Alkoholabhängigkeit so genau aufarbeitet und sie allgemeinverständlich zusammenfasst. Ein Schwerpunkt des Buches sind Nährstoffe, also Vitamine, Mineralstoffe und Co – und wie sie beitragen können, schneller und erfolgreicher aus dem Alkohol auszusteigen. Aber auch wenn Sie diesem Aspekt skeptisch gegenüberstehen, kann Ihnen dieses Buch sehr helfen. Die Begleitung durch Nährstoffe ist ein „Kann“ und kein „Muss“. Sie kommen auch schon ein Riesenstück weiter, wenn Sie im ersten Teil genau verstehen, wie der Alkohol Sie in den Griff bekommen hat und die Tipps aus dem dritten Teil im Alltag umsetzen.

      Unser Buch bietet geballtes Wissen. Wir gucken tief hinein in Wissenschaft und Medizin. Das Ganze ist locker und verständlich verpackt. Trotzdem kann es sein, dass Ihnen mal etwas unklar bleibt. Dann fragen Sie uns einfach. Auf unserer Website www.alkohol-ade.com finden Sie nicht nur zusätzliche Informationen rund um das Thema, sondern auch ein Leserforum. Dort können Sie sich mit anderen austauschen und auch uns Ihre Fragen stellen. Bitte beachten Sie, dass wir Autoren dort keine individuelle medizinische Beratung bieten oder Therapievorschläge geben.

      Bevor wir in den ersten Teil einsteigen, einigen wir uns noch auf ein Detail. Ich benutze oft auch den Begriff „Alkoholiker“. Das macht das Schreiben einfacher. Wenn ich mich jedes Mal stilistisch um diesen Begriff herumdrücken muss („Menschen, die zu viel Alkohol trinken“ oder „wer die Finger nicht vom Glas bekommt“), wird das alles nicht gerade lesbarer. Das nur, damit Sie als Leser keinen Schreck bekommen und innerlich auf Abwehr gehen.

      Ich selbst habe mit dem Begriff meinen Frieden geschlossen. Warum auch nicht. Laut offizieller Definition ist Alkoholiker, wer seinen Konsum nicht mehr kontrollieren kann. Das traf klar auf mich zu. Einige Betroffene trinken täglich – wenn auch vielleicht nicht bis zur Besinnungslosigkeit und auch „nur“ abends. Andere geben sich nur am Wochenende die Kante, dafür aber bis ins Koma.

      Allen aber ist gemein: Trotz besserer Vorsätze bleibt es nie beim ersten Glas.

      Ich bin ziemlich sicher, dass dies irgendwie auch auf Sie zutrifft. Sonst hätten Sie nicht dieses Buch in der Hand. Es sei denn, Sie sind Angehöriger. Also einigen wir uns bitte darauf, dass mit dem Wort „Alkoholiker“ auch Sie gemeint sind, ja? Es hört uns ja keiner zu.

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