zwischen Himmel und Hölle, aber dennoch beide erreichend. Darum ist sein Berater und Kumpan auf diesem Weg der Geist der Transformation, der Psychopompos, der Trickster, der Führer und der Initiator: Mephistopheles.
Dieses Buch will nicht die faustische Tradition in voller Breite erforschen. Es ist auch keine Abhandlung über die Magie der Renaissance. Dieses Buch ist ein Grimoire, welches gänzlich Mephistopheles gewidmet ist – in all seinen Aspekten und Erscheinungsformen in der westlichen Esoterik und Literatur. Die hier veröffentlichten Texte und Rituale sind aus einer modernen Perspektive geschrieben worden –, und dennoch wurzeln sie in alten Quellen. Die magischen Praktiken in diesem Buch wurden durch die Grimoires des Mittelalters und der Renaissance inspiriert, aber ebenso durch zeitgenössische Literatur der faustischen Tradition: so z. B. J. W. Goethes FAUST oder Michail Bulgakows DER MEISTER UND MARGARITA.
In den Quellen des Mittelalters und der Renaissance ist Mephistopheles der am meisten genannte Teufel. Manche schreiben ihm eine hohe Position in der höllischen Hierarchie zu, andere vertreten wiederum den Standpunkt, daß er lediglich eine Erfindung von den Verfassern Faust ähnlicher Geschichten ist. Als Mephistophiel erscheint er als einer der sieben Prinzen der Hölle. Es wird weiterhin gesagt, daß er unter den ersten vier Engeln war, die gegen Gott rebellierten und stürzten. In diesem Kontext wird er mit Luzifer, Belial und Leviathan genannt. Auch wird er in den Schriften des Cornelius Agrippa von Nettesheim und in zahlreichen Grimoires des 16. Jahrhunderts beschrieben.
Trotz seiner Popularität in den visuellen Künsten und der Literatur ist Mephistopheles die vielschichtigste dämonische Wesenheit der gesamten westlichen Tradition.
Im modernen Okkultismus wurde seine Rolle erheblich herabgesetzt und nur wenig Tribut wird dieser einst sagenhaften Gestalt gezollt. Es ist daher das erklärte Ziel dieses Buches, die Figur des Mephistopheles in einem neuen Licht zu präsentieren – nicht nur als ein traditionelles Prinzip des Bösen, sondern als ein Initiator in den Linkshändigen Pfad, als Widersacher der christlichen Tradition, aus der er entsprang und als persönlicher Schatten, der uns durch unser gesamtes Leben begleitet.
Laßt ihn erneut zu unserem Anführer und Gefährten werden, so wie einst in der alten Zeit, aber aus einer neuen Perspektive heraus betrachtet.
Asenath Mason
im Winter 2006
Mephistopheles in den Sagen des Mittelalters und der Renaissance
Mephistopheles erscheint in der Literatur am Ende des Mittelalters. Sein Name entstammt wahrscheinlich verschiedenen hebräischen Wörtern: „mephiz” – „Zerstörer”, und „tophel” – „Verleumder”. Den mittelalterlichen Überlieferungen zufolge war Mephistopheles ein grausamer Teufel, bösartig und gewitzt. Er nährte sich vom Elend der Menschen, verspottete die Tugenden und verbreitete Lügen. In der faustischen Tradition wurde er zu Fausts Begleiter und Verwalter seiner Freuden und seiner Verdammung.
Die erste literarische Erwähnung erfährt Mephistopheles in der deutschen Schrift HISTORIA von Dr. Johann Fausten aus dem Jahre 1587. Dieses Buch diente dem britischen Dramatiker Christopher Marlowe als Grundlage für sein Stück, welches später wiederum zahlreichen weiteren Autoren zur Quelle wurde. Sein Stück behandelte die Geschichte eines Gelehrten, der seine Seele an den Teufel verkaufte und im Gegenzug Weisheit und magische Kräfte erhielt. Sein Drama trug den Titel DIE TRAGISCHE GESCHICHTE DES LEBENS UND DES TODES VON DOKTOR FAUST. In Marlowes Drama ist Mephistopheles gemeinsam mit Faust der wichtigste Charakter. Er erscheint auf Fausts Wunsch hin als Diener Luzifers, dem „Erzregenten und Befehlshaber aller Seelen”. Er erscheint jedoch, wie Mephistopheles einräumt, aus eigenen Stücken und nicht auf Befehl seines Meisters. Er erklärt, daß die Teufel immer dann erscheinen, wenn sie hören, daß jemand Gott abschwört:
Denn wenn wir hören, daß jemand mit Gott sich plagt,
Ihm, den heiligen Schriften und dem Heiland abschwört,
Dann fliegen wir hinaus um seine glorreiche Seele zu bekommen.
1. Dr. Faustus evoziert Mephistophilis.
Der DR. FAUSTUS Ausgabe von Marlowe aus dem Jahr 1631 entnommen.
Da er Faustus jedoch nicht ohne Luzifers Einverständnis dienen kann, überredet er den Gelehrten zum schriftlichen Pakt mit seinem Meister. Nach dem Vertrag wird Mephistopheles sein „Diener und steht zum Befehl bereit” für die kommenden vierundzwanzig Jahre. Er soll „für ihn wirken um ihm was auch immer bringen (…) und in seiner Kammer oder seinem Haus soll er unsichtbar zugegen sein (…) und erscheinen in welcher Gestalt oder Form er (Faust) es wünscht”.
Mephistopheles verfügt über zahlreiche Eigenschaften, die ihn für seinen Dienst Faust gegenüber nützlich machen. Er hat die Fähigkeit des Gestaltwandelns und kann unsichtbar werden. In Marlowes Stück erscheint er in zahlreichen Formen: zunächst hat er die Gestalt eines schwarzen Drachens, dann die eines alten Franziskanermönchs. Später erscheinen er und Faust als Kardinäle. Unter dem Mantel der Unsichtbarkeit treiben sie beim Bankett des Papstes boshafte Späße. Mit der Hilfe des Mephistopheles täuscht er Soldaten, indem er einen falschen Kopf trägt, betrügt einen Pferdehändler, dem er ein falsches Pferd verkauft und er läßt jene verstummen, die ihn der schwarzen Magie beschuldigen. Mit der Hilfe des Mephistopheles erlangt Faustus große Berühmtheit als Magier. Auch in Rom wird er durch seine Zaubereien bekannt; er versetzt Herzog und Herzogin Vanholt in Erstaunen, indem er ihnen Früchte inmitten des Winters überreicht und am Hofe des Kaisers die Schatten der Toten beschwört.
2. Eugene Delacroix:
MEPHISTOPHELES BIETET FAUST SEINE HILFE AN.
Mephistopheles erweist sich nicht nur als gehorsamer Diener, sondern auch als einfallsreicher Helfer. Er kennt vielerlei Mittel und Wege um seinen Meister zu unterhalten. Als beim Unterzeichnen des teuflischen Kontraktes das Blut des Faustus gerinnt, bringt Mephistopheles einen Feuerkäfer herbei, der den Gelehrten wärmt, sodaß er seine Signatur zu Ende führen kann. Im theatrum mundi ist er ein begabter Direktor, der verschiedene Spektakel arrangiert, in denen die Teufel und die anderen Menschen nur bestimmte Rollen zu erfüllen haben. Die erste Aufführung soll dazu dienen, Faustus bei seiner Entscheidung, seine Seele zu verkaufen, zu bestärken, indem ihm gezeigt wird, zu welcher Magie er fähig sein wird. Mephistopheles erscheint vor ihm mit tanzenden Teufeln, die Faustus Kronen und edle Kleider überreichen. Mephistopheles ist der Direktor und der Hauptdarsteller in dieser theatralischen Vorführung, die exklusiv für seinen Meister aufgeführt wird. Für ein weiteres Spektakel lädt er die Hauptteufel Luzifer und Beelzebub ein – seine Kumpanprinzen aus der Hölle. Faustus ist wiederum der zentrale Zuschauer und die einzige Aufgabe seiner Rolle besteht darin, die Aufführung zu bewerten. Es handelt sich um eine großartig gelenkte Prozession der Sieben Todsünden (Zorn, Neid, Habsucht, Hochmut, Wollust, Völlerei und Trägheit), angeführt von einem Flötenspieler, der für die musikalische Untermalung sorgt, während die Todsünden ihre Monologe halten. Mephistopheles kennt alle Tricks der mittelalterlichen und elisabethanischen Bühne; inklusive der Unterbrechungen für die Posse und die Komik, die Feierlichkeit der Pantomime und die Maskeraden. Am Hofe des Kaisers arrangiert er ein traditionelles Pantomimenspiel, das die Schatten der Toten zeigt. Eine nekromantische Evokation der toten Seelen. Selbst die letzten Augenblicke des Stückes erinnern an eine Aufführung des raffinierten Teufels: ein von Seilen getragener Thron steigt auf die Bühne herab und der Rachen der Hölle öffnet sich um den unglücklichen Gelehrten zu empfangen. Mephistopheles ist auch der Dämon des Feuers, daher zeigt er sich in seiner Eigenschaft als Fachmann für das Feuerwerk. Sein Auftritt auf der Bühne ist oft begleitet von Feuerwerk, Blitz und dem Klang des Donners, der eine