nötige Zeit muss ich abstehlen, weil meine Arbeitslast groß ist. Ich muss nicht nur die laufenden Amtsgeschäfte versehen, sondern auch die aus der Mobilisierung und dem Krieg hervorgehenden Mehrarbeiten. Außerdem muss ich teilweise den Kassier vertreten. Da kann ich den erforderlichen Fleiß nicht verwenden, und diese Aufzeichnungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
2. August 1914: Der Stadtvorstand hat beschlossen, an die hiesige Bevölkerung einen Spendenaufruf für die armen Angehörigen der Eingerückten ergehen zu lassen. Hiermit wurde Stadtrat Alois Veith betraut. Dieser Aufruf ist zu drucken und in die Häuser zu verteilen. Sodann sollen mehrere Deputationen, bestehend aus je zwei Mitgliedern, eine Sammlung in der Gemeinde vornehmen. Hierzu wurden vorgeschlagen:
Ferdinand Zeh, Josef Kubelka, Anton Schwarzer, No. 195, Johann Kristen, Albert Winkler und Ferdinand Felzmann, als Ersatzmann Adolf Schmidt.
Dies ist der Wortlaut des Aufrufes:
‚An die Einwohner von Grulich
Mitbürger!
Eine schwere Zeit ist über unser liebes Vaterland hereingebrochen, eine Zeit, deren furchtbaren Ernst wir zur Stunde noch nicht ermessen können.
D e r K r i e g h a t b e g o n n e n !
Dem Rufe des obersten Kriegsherrn folgten Österreichs tapfere Söhne, um die Ehre des Vaterlandes zu verteidigen.
Zahlreiche Mitbürger, die in Zeiten des Friedens als Familienoberhaupt für ihre Angehörigen – Weib und Kinder, Eltern oder Geschwister - sorgten, verließen Haus und Hof, die Werkstätte, den Pflug.
Mit warmer Begeisterung für die gerechte Sache geleiten wir die tapferen Streiter und lassen die innigsten Segenswünsche den ins Feld Ziehenden folgen.
Auf unabsehbare Zeit entbehren nun viele Familien ihres Ernährers und Beschützers, und so mancher von denen, die dem ungewissen Schicksal des Krieges tapfer entgegengehen, ist von banger Sorge um die Seinen erfüllt.
Mitbürger! Lasst uns diese Sorge teilen und helfen nach Möglichkeit, sei es durch Spenden mit Geld, Lebensmitteln und Bekleidung, sei es durch Gewährung von Freitischen für Kinder oder Vermittlung von Arbeit und Einnahmequellen.
Die Krieger, die für uns im Felde stehen, werden euch für die Sorge um ihre Angehörigen treuen Dank wissen.
Grulich, am 2. August 1914 Der Stadtvorstand
Spenden werden in den nächsten Tagen durch die Mitglieder der Stadtvertretung abgeholt.‘
4. August 1914: Nachdem alle drei Polizeiwachleute zum Militär eingerückt sind, mussten schon vor einigen Tagen zwei Aushilfswachleute bestellt werden, und zwar der städtische Vorarbeiter Wenzel Bittner und der Gaswerksbote Franz Klenner. Diese haben den Tagdienst zu versehen. Was den Nachtdienst betrifft, so wurden der freiwillige Feuerwehrs- und der Militärveteranenverein ersucht, während der Dauer des Krieges die Nachwache zu besorgen, und zwar durch je zwei Mann von 9.00 Uhr abends bis 4.00 Uhr früh.
Dieser Dienst wird schon seit dem 1. August versehen. Es gehen immer ein Feuerwehrmann und ein Veteran miteinander. Als Entlohnung wird für Mann und Nacht 1 Krone bestimmt. Auch sollen die auf Ferien hier anwesenden Studenten die städtischen Wachleute und die Nachtwache bei ihrem Dienst bezüglich Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe unterstützen, eventuell Anzeigen erstatten und besonders auf Fremde Acht geben. Sie erhalten Legitimationsschleifen mit dem Aufdruck ‚Städt. Amtsorgan’, welche verdeckt zu tragen und nur im Notfall vorzuzeigen sind.
Heute langte vom hiesigen Bahnamt folgendes Telegramm beim Stadtamt ein: ‚An alle Dienststellen. Von Frankreich sind auf der Route über Bergab, Görs, Haufa Richtung Dresden mehrere Autos mit Damen besetzt mit 100 Millionen Francs für russisches Land unterwegs. Eines dieser Autos hat die Nummer 12.386/L. Sogleich politische Behörden, Gendarmerie, Finanzwache verständigen.’
Darauf hin wurden alle Straßeneingänge verbarrikadiert, und zwar beim Fachschulgebäude und bei der Schroll-Fabrik durch je zwei Lastwagen, beim Meierhofe durch Ketten, beim Bräuhaus durch große Bierfässer und an der Krümmung der Strasse nach Mährisch Rothwasser durch einen quer über die Straße gezogenen starken Baumstamm, welcher mittels Ketten an den Alleebäumen befestigt wurde. Zu diesen Posten wurden Feuerwehrmannschaften beordert, welche die ganze Nacht bis 5 Uhr früh Wache hielten.
Die ganze Bevölkerung war erregt, und es wurde von nichts anderem als von Mobilisierung, Krieg und Kriegsgefahr gesprochen. Abends war auf allen Straßen, Gassen und Plätzen, besonders aber bei den Nachtposten ein lebhaftes Treiben bis in die späte Nacht. Eine Gruppe von Jungmannen zog in voller Straßenbreite durch die Stadt, deutschvölkische und vaterländische Lieder singend. Das begehrte Auto zeigte sich aber nicht.
Die Zeitungen werden förmlich verschlungen; leider kommen sie aber nur unterbrochen und verspätet an.
5. August 1914: Heute kam der Stationsvorstand – Deutscher – atemlos in die Stadtkanzlei gelaufen und meldete, dass laut einer Drahtnachricht französische Autos bei Reichenberg die österreichische Grenze überschritten haben und daher die Barrikaden strengstens zu bewachen seien. Dies wurde sofort angeordnet, und die Feuerwehr ließ ihre Mitglieder durch Hornsignale zusammenrufen. Eine halbe Stunde später meldete wieder der Finanzwach-Reszipient, dass die Insassen der Autos diese verlassen haben und nunmehr als verkleidete Maurer auf Fahrrädern ihre Reise weiter fortzusetzen beabsichtigen, wobei sie wahrscheinlich größere Orte umfahren. Es ist daher weniger auf die Barrikaden als auf die nächsten, außerhalb des Ortes gelegenen Verbindungswege zu achten.
Nachmittags. Telegramm, aufgegeben in Mittelwalde um 12.42 Uhr: ‚Französischer Konsul bereits in Mittelwalde, darf nach Österreich nicht eingelassen werden, nimmt Richtung Oderberg.’
Nachdem von diesem Telegramm die Bahnämter, Gendarmerie und Finanzwache Kenntnis haben, kommt es für das Stadtamt weniger in Betracht.
5 Uhr. Soeben wird die Nachricht verbreitet, dass der radikaltschechische Abgeordnete Klofatsch in Prag standrechtlich erschossen wurde. Da aber in diesen Tagen viel gelogen wird, glaube ich dieser Botschaft nicht. Verdient hätte er solches Schicksal schon vor zwei Jahren, als er in Serbien gegen Österreich Hochverrat spann.
Heute gegen Abend wurde die polizeiliche Bekanntmachung verlautbart, dass nach 10 Uhr abends in der Gemeinde vollständige Ruhe zu herrschen habe und dass Gruppenansammlungen verboten sind, was auch befolgt wurde. Vor dieser Stunde herrschte aber auf allen Plätzen und Gassen ein Lachen und Scherzen, als wollte man sich für das spätere ungewohnte Schweigen entschädigen. Das Publikum zog wie an einem Fest herum, obwohl schon die Nachricht bekannt geworden war, dass England an Deutschland den Krieg erklärt habe.
6. August 1914: Diensttelegramm, aufgegeben in Olmütz, am 6. August um 3.45 Uhr früh im Bahnstationsamt Grulich angekommen. Dringend. ‚Feindliche Aeroplane kommen von Breslau der Eisenbahnstrecke entlang und werfen Bomben. Sämtliche Posten, Gendarmerie und Behörden sofort melden.’
Weitere Telegramme.
‚Teplitz 6. August. ‚Ein feindliches Luftschiff wurde über Zell a. d. Donau gesichtet, zwischen 9 bis 10 Uhr abends in der Richtung gegen Ungarn. Ein Aeroplan donauabwärts durch Pöchlarn, Direktion A. T. E
Von allen diesen Aeroplanen haben wir in Grulich glücklicher Weise nichts bemerkt.‘
‚Olmützer Direktion 6/8 11. V: ‚Vom Statthaltereipräsidium in Brünn folgende Depesche angelangt: Von Ratibor sind russische Aeroplane auf der Fahrt nach Breslau der österreichischen Grenze entlang und werfen Bomben. Gendarmerieposten und Behörden verständigen.‘
Heute keine Zeitungen angelangt. Verlangen danach ist groß.
7. August 1914: Diensttelegramm Olmütz, Direktion, 7. August 9.48 Uhr. ‚Laut Nachricht von Röderau und Welbten besteht dringender Verdacht, dass die französischen