Friedemann Steiger

Mein lieber Eduard


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den damaligen Jahren war ich sehr kränklich und fürchtete meinen frühen Tod und dachte darauf, wie ich Frau und Kindern wenigstens ein Obdach verschaffen möchte. Im Jahre 1812 erlangte ich von der Gemeinde, dass sie mir den Sumpf von der Mühle bis ziemlich an die Schmiede für ca. 40 Taler als Eigentum überließ. Der Sumpf wurde mit 4000 Fudern Erde ausgefüllt. Das Grundstück wurde eingefriedet. Das kostete mich 300 Taler. Aber so war Grund und Boden zum Hausbau beschafft.

      Um den schönen neuen Platz zu bepflanzen, musste ich nach Ballenstedt und sah hier, wie man einen solchen Boden durch Baumzucht verwerten könnte. Ich nahm zugleich hundert Wildlinge, säte Obstkerne, die flätig, also sehr gut aufgingen. 1813, etwa drei Wochen vor Johanni, bepflanzte ich einen großen Teil des Gartens. In dem lockeren schönen Boden wuchsen die Wildlinge bis zwei und drei Fuß hoch. Im darauffolgenden Sommer fing ich an zu veredeln, hatte aber wenig Glück damit. Doch das störte mich nicht. Ich bin oft sehr früh an die Arbeit gegangen, weil manches Bäumchen zwei-bis dreimal veredelt werden musste. Die Bäumchen wuchsen vortrefflich und 1817, zum Fest des Reformationsjubiläums, konnte ich schon so viele Bäume an die Bauern abgeben, dass der Lutherplatz und der Gemeinderasen am „Kalten Graben“ bepflanzt werden konnte. Auf beiden Plätzen war jedem Hausbesitzer erlaubt, drei Stellen zu bepflanzen.

      Meine erste Einnahme belief sich auf 130 Taler und so hab ich nach und nach so viel aus meiner Baumschule gelöst, dass Grund und Boden sich bezahlt machten und das Kapital zum Hausbau noch übrig blieb. Dadurch hat sich dieses Grundstück durch meine saure Arbeit gleichsam selbst erschaffen“.

      Mit König, Berbisleben, legte er eine zweite Baumschule an, denn das Nachpflanzen wollte nicht gedeihen. Damals kannte er noch nicht das Rigolen; in 40 -70 Zentimeter Tiefe wurde der Kulturboden aufgelockert und die obersten und untersten Bodenanteile wurden umgeschichtet. Wörtlich: „Das war aber ein saures Stück Arbeit. Oft bin ich früh um sieben Uhr, wenn ich von vier Uhr an meine amtlichen und sonstigen Arbeiten erledigt hatte, hinüber gegangen und habe den ganzen Tag veredelt und beschnitten, so dass ich mir oft nicht einmal die Zeit nahm, um die Suppe, die mir Caroline brachte, zu verschlingen und wenn ich am Abend um sieben Uhr nach Hause kam, war ich oft auf äußerste erschöpft“. (Danach wurde ein Acker am Dorf gepachtet und wieder eine Baumschule angelegt).

      Mein Sohn Eduard war stellungslos. Er kam zurück und nahm sich der Baumschule mit Eifer und Liebe an und erleichterte mir dadurch die saure Arbeit. Meine Frau starb 1848. Meine Auguste nahm sich der Wirtschaft an. Die Besuche nahmen bedeutend ab, weil hierbei nicht so vorgegangen wurde wie früher. Wir lebten einfach und zurückgezogen. Um meinem Sohn Eduard ein zwar knappes, aber doch notdürftiges Unterkommen zu sichern, suchte ich unter großen Schwierigkeiten und vielen Verdruss, die letzte Baumschule auf dem Heringer Domänenlande, dem sogenannten Kirchhofe, anzulegen. Eduard arbeitete unverdrossen und legte nebenbei den Samenhandel an, bis er endlich in Werningerode pachtete.

      Trotz aller Mühe und Arbeit, die er auf die Baumschule und den Samenhandel verwendete, habe ich ihm auch nicht die geringste Entschädigung geboten und er selbst war zu bescheiden, um solche zu verlangen und ich habe mir im Stillen oft Vorwürfe darüber gemacht.

      Meine Tochter Auguste hat mir nach dem Tod ihrer Mutter die Wirtschaft treu und zu meiner Zufriedenheit geführt. Sie hat auch manche Ersparnisse eingeführt und dadurch den häufigen und oft lästigen Besuchen ein Ende gemacht. Ich erlaubte ihr Käse, Bier und dergleichen, was in der Wirtschaft nicht gebraucht wurde, zu ihrem Nutzen zu verkaufen. Auch hielt ich ihr in den letzten Jahren eine Sau, deren Erlös sie bekam, um auf diese Weise ein kleines Kapital zu sammeln, so dass sie mit dem, was sie nach meinem Tod bekommen wird, ohne Sorgen bei ihrer bekannten Sparsamkeit würde leben können.“ (Auguste heiratete aber den Pastor Müller nach dem Tode ihrer Schwester, das Testament fährt fort:)

      „Alles, was ich hinterlasse, ist sauer verdient. Auch die Präsente, die ich von der Loge, vom landwirtschaftlichen Verein und von einer Vormundschaft erhalten habe.“ Dann nimmt er Auguste in Schutz; sie hätte so viel aus dem Windehausener Pfarrhaus weggeschleppt. „Man darf nicht vergessen, dass sie kein neues Mobiliar, nicht einmal neue Betten bekommen hat und es möchte wohl ein Irrtum sein, wenn man meint, es hätten hier sechzehn vollständige Betten aufgeschlagen gestanden. Dazu hätte es ja auch an Raum gefehlt.

      Vertragt euch in Liebe und Güte. Seid zufrieden mit dem, was ich mit saurem Schweiß verdient habe. Beschimpft mich nicht in der Erde und sorgt dafür, dass mein guter Name nicht geschändet wird, wie auch ich dafür gesorgt habe, dass kein schiefes Urteil über meinen Vater gefällt werden konnte.

      Gott möge mit euch allen sein. Das wünscht Euch von Herzen Euer Vater Steiger.

      Wir lesen viel aus den alten Briefen heraus. Da aber manches unverständlich und wohl auch dem Alter von Christian Friedrich Steiger geschuldet, bringe ich hier noch einige Anmerkungen, damit wir die Briefe besser verstehen. Ich habe mich ziemlich durch sie hindurchgequält. Ich hatte zwar mir der Dorfchronistin Inge Albrecht aus Badrina eine Übersetzerin; aber die hat auch nicht alles lesen können. Hilfreich war … die mir Bruder Martin besorgte und die mir einige Briefe am Anfang und Ende genauer übersetzte.

      So bleibt hier die Zusammenfassung unseres Vaters Herbert Steiger, die ich aus „Fröhlich unterwegs“ aufgenommen habe, um hier dem besseren Verständnis Vorschub zu leisten. (Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2007)

      Als Schwiegertochter Auguste ihn besucht, ist er des Lobes voll. „Deine schönen Pferde haben hier aufsehen gemacht! Und Dein Kutscher hat dich aus dem Busche heraus gelobt und die 120 Morgen Weizen, so wie die Zuckerrüben und die ganze Wirtschaft gerühmt. Die kleine Marie ist gesetzter geworden und soll der Oma in Windehausen ähneln, während der dicke Max ganz der Papa in Ebeleben sei. Gleich einem Eichhörnchen sei er auf die höchsten Kirschbäume geklettert. Er hat aber auch den 90. Psalm mit Verstand und ausdrucksvoll, ohne jeden Anstoß deklamiert, was dem Opa in Windehausen große Freude gemacht hat. Er schickt den Kindern den „Robinson“ zum Lesen, denn Gustav Freitag „Ahnen“ wären doch zu früh. Er schickt ihnen auch gern Bonbons. Zu Martini bekommt jedes Kind ein Licht und Vater Eduard soll ihnen vom Reformator erzählen. Er interessiert sich für die Wollpreise, für die Weizen – und Rübenernte. Er freut sich, wenn die vierteljährlichen Zinsen kommen und versucht immer wieder, ohne Wissen von Carl, dieses Geld unter irgendeinem Vorwand zurückzuschicken.

      Er freut sich über die Sendungen an Weintrauben und Most, Rotwein und Champagner. Nach einer schweren Krankheit schreibt er, er habe sich erst erholt, als er ohne Wissen des Arztes statt an Selter sich an Rotwein gehalten habe. „Und schon ging es aufwärts!“ „Herr von Biela ist einer von denen, die im Schlafe reich werden. Aber das gefällt mir nicht, dass er den Esel für Deinen Max sich hat mit sieben Talern bezahlen lassen“. Bei einem Unwetter heißt es: „Ich bin darüber in meinem Gott vergnügt, danke ihm aus der Fülle meines Herzens, dass er Dich vor Hagel geschützt hat!“

      Ein andermal heißt es: „Du hast eine Betschwester bekommen. Da bedaure ich Dich und Deine Kinder. Das Beten ist recht gut und nötig, wo es hingehört. Wenn aber Kinder, die noch keinen Begriff von der Sache haben, zu viel beten müssen, werden sie gleichgültig und sprechen Worte ohne Sinn. Es ist recht gut, wenn ein religiöser Sinn in dem zarten Gemüt der Kinder geweckt wird. Nur kein Muckertum! Noch weniger ein Richteramt, das den einen zum Himmel und den anderen zur Hölle wirft. Das Richteramt gehört dem, der Herz und Nieren prüft, nicht den schwachen Menschen. Solche Dinge würde ich untersagen. Mucker sind die schlechtesten Menschen. (Das geht gegen eine Gouvernante in Balgstädt).

      Am 20. 10. 1866 wird die Eisenbahn über Heringen in Betrieb genommen. Zu diesem Ereignis lässt er sich hinfahren und wir lesen: „Ich sah hier zum ersten Mal die ganze Umgestaltung der Gegend und die Einrichtung“. Als der Zug am Abend erwartet wurde, sammelte sich die Noblesse von Heringen, unter anderem der Bürgermeister und Freund Olearius. Als es 1866 zum Krieg mit Österreich kommt, nimmt er für Preußen und Bismarck Partei. Preußen habe 50 Millionen im Staatsschatz; es könne jede Woche 100 000 Taler neu prägen. Was habe Österreich? Papier! Nichts als Papier! Allerdings koste die Mobilmachung 20 Millionen und täglich eine halbe dazu. Er liest nämlich den Nordhäuser Kurier.

      Er bangt um seinen Enkel Carl Junior. Der Bankbeamte ist als Unteroffizier eingezogen.