dazu befragt…“
Dies war neben der Enge und dem hohen Grad der Behinderung zu viel für die Stille und sie spülte sich geschwind die Toilette hinab. Urmuz klappte den Toilettendeckel herunter und setzte sich darauf, den Kopf in die granatentrichter- großen Hände gestützt.
Athanasius Kircher hatte es schon ganz richtig berechnet: Der Turmbau zu Babel hätte, so er fertig geworden wäre, die Welt zum umkippen gebracht. Und genau diese blütengleiche Zustandsbeschreibung vollführte fröhliches Händeschütteln mit dem Schicksal und einer nahegelegenen Zimmerecke, um sich nach dem Ausstoß eines lustvollen Seufzers wie ein Traktorreifen zu fühlen. Wäre es vermessen darüber zu jammern, dass Klodeckel auf Dauer eine harte Sitzfläche sind? Dennoch blieb immer noch der Lichtschalter, den man zum Zeitvertreib in pulsierendem, den Urkosmos zitierenden Rhythmus an- und ausschalten konnte…
Warum hätte es nicht eine Speisekammer oder ein Weinkeller sein können, ging es Urmuz durch den Kopf. Eine äonisch Weile, voller versickernder Momente weiter wünschte er sich fast die schwerstbehinderte Stille wieder zurück… Dann trat eine kristallklare, die Moleküle umschmeichelnde, die Vorsehung hinter dem Ohrläppchen besuchende Stille hinzu und Urmuz wurde so manches bewusst…
2:
Kacheln zu zählen als Lebensinhalt? Von oben nach unten, von links nach rechts? Und als Kür von unten links nach oben rechts? Die hohe Kunst der Tuffsteinbetrachtung dabei erfunden zu haben…! Das ist Erkenntnis, die aus der Stille, die sich hier ausbreitete, ergab.
Tuffstein, ein Gestein, das die Petrographie als Gestein einstuft, welches zu 75% aus Pyroklasten besteht. Eine Welten-Welt in Stein sozusagen. Die Ganzheit durch Fragmentierung…
Blick auf das Echo eine großen Vulkanausbruchs…
Oder doch wieder Kacheln zählen? Wobei da sicher wieder, allzu rosettenverkrampf, so eine Parzellenpetze daher- getigert käme und einen rosarostigen Basischauvinismus vertreten würde. Die Hand in der Urne bei der Urabstimmung festgeklemmt und nach dem Kittel des Hausmeister schielend… Wir von der Putzkolonne ohne Aufenthaltsgenehmigung, mit einer großen Verwandtschaft auf Lampedusa, können dazu nur ein allzu atonales Liedchen trällern. Lauter als jeder mechanische Wecker, selbst wenn man ihn aus den 34 Stöcken einer eurer Elfenbeintürme der Jungfräulichkeit würfe. Rasselnder Fall in die Endlichkeit eines möglichen zerberstenden Zerschellens.
Patentkofferparty: Klackende, dem ausgeleierten Sein ausgelieferte Verschlüsse, flappende Kofferdeckel, all die Kleidung, den weltumspannenden Inhalt auf die Bahnhofsplattform vomitierend, genervte Stöhner freisetzend, letztendlich Züge verpassen lassend, Zeitpläne durchkreuzend, … all dies durchfährt die träge graue Substanz, während Urmuz sich ein neues Bezugssystem aufbaut. Während er sich in der Kunst der Tuffsteinbetrachtung übt.
Jede Nacht zuvor heimlich in der Küche den Kühlschrank aufgesucht. Und dann alles, was rein konnte, auch diesen Weg nehmen gelassen. Zart weiß, mit Chromgriff, den Herd vor Neid verblassen lassend und den Discounterküchentisch so lapidar in den blaugrauen Schatten der Nacht gestellt. Schamesmorgenröte mit 3/8 Kumuluswolken und fliehendem Kinn. Keine Stirn dem Ablasshandel götterspeisen-benetzer Hedge- Fonds geboten. Auf eine Stille mit offenem Rückenmark oder mit Pickeln am Gesäß, aufgrund ihrer Gesetztheit, gewartet. Und am Ende einfach nur den Kühlschrank vermisst… Seine vollbauchige Bereitschaft. Die Verbrüderung mit dem niemals endenden Nachschub!
Versorgungswege, gehen sie die einmal durch.
3.
Komposition für Sopransaxophon, Flügelhorn und Flussbiegung bei minus 10 Grad. Vielleicht keine kleine Stromschnelle im Anschluss:
Tock,Tock,Tock
Der Flügelhornspieler steht am linken Flussufer und der Sopransaxophonist steht in der Mitte des Flüsschens. Einleitung mit stapfenden Schritten in dem so fröhlich dahin fließenden Wasser. Dann erklingt triolisch ein Ostinato von wechselnden Tönen, die der Saxophonist auf die kleinen Wellen des Wassers setzt und sie auf Ihnen bis weit ins Meer fließen lässt. Dann setzt der Flügelhornspieler blaufingerig ein, weil er seine Handschuhe zu Hause vergessen hat und spielt ganze und halbe Noten, einer chromatischen Tonleiter folgend bis er in den Himmel geklettert ist. Der Saxophonist schießt mit nun folgenden Undezimen auf Blätter, die auf der Flussoberfläche dahingleiten, verfehlt sie aber und trifft eine Forelle einen Tag vor deren Pensionierung. Diese sorgt für einen wundervollen Orgelpunkt des Dahinscheidens und flappt in eine Coda der Gletscherbewegung, bevor sie im finalen Akkord sich auf den Rücken legt. Der Flügelhornspieler versucht das Mundstück seines Instrumentes von seinen Lippen zu ziehen und reißt sich dabei würdevoll und von nicht zu beachtender Anmut die Oberlippe ab. Versuche das Instrument mit dem linken oder rechten Nasenloch zum weiteren Klingen zu bringen scheitern und somit ist er gezwungen durch das Schlagen auf einen Stein das weitere Spiel zu begleiten. Der Saxophonist spürt seine Füße nicht mehr, gerät ins Ungleichgewicht und stürzt, ohne sein Spiel zu unterbrechen in das Wasser. Reißende Ströme umgeben ihn. Krächzend versinken die Töne des Saxophons in den eisigen Fluten. Keiner von ihnen schafft es mehr ins Meer. Der Saxophonist rudert mit den Armen, aber aufgrund seines Kraches, hört ihn der Flügelhornspieler nicht. Der Saxophonist folgt der Forelle und dann sind da nur noch das Rauschen des Baches und das Dängeln des Flügelhornspielers. Ein Ast fällt herab und es verbleibt das plätschernde Dahinfließen des Flüsschens. So, als habe es nie eine Komposition für Flügelhorn, Saxophon und Flussbiegung bei minus 10 Grad gegeben…
Urmuz schreckt hoch. Sein Kopf war aus den granatentrichtergroßen Händen gerutscht… Er war wohl eingeschlafen.
4.
Wann soll das patagonische Kalksprengsel das allzu überflüssige Staubkorn denn verlassen? Wenn die Kacheln von der Wand fallen? Wenn sich die Alpen endlich wieder verflacht haben und Efeublätter das Hauptzahlungsmittel im quantenphysikalischen Teilchenhandel sind. Fragen über Fragen, das sage ich ihnen und keine Verwendung für Antworten. Denn was macht das schon aus, wenn sich das patagonische Kalksprengsel und das überflüssige Sandkorn trennen, haben sie doch weder Nachwuchs noch Haustiere. Ja, sie haben noch nicht einmal einen gemeinsamen Haushalt aufgebaut. Eine Zugewinnschicksalsgemeinschaft, ohne irgendeine Spur hinterlassen zu haben. Wahrscheinlich haben die beiden sich schon längst getrennt und wir reden hier immer noch über das Licht eines Sterns, den wir noch sehen, der aber vor aber Milliarden Lichtjahren bereits kollabiert ist. Oder reden wir von dem Reden an sich? Zurück zur Luftbewegung, die so manch einer Kommunikation schimpft.
Aus der Sicht der Tuffsteinbetrachtung fehlen uns hier auch die Worte. Quarzitschweigen wollen wir das an dieser Stelle einmal nennen. Das ist noch nicht so schlimm wie Bimssteinstille und auch nicht so undurchsichtig wie Obsidiansprachlosigkeit, aber es trifft hier doch einen ziemlich neidgelben Nerv.
Tiefe Faszination bei dem Wort Wobbler empfunden. Ein Wobbler ist ein künstlicher Köder, den man zum Angeln von Raubfischen einsetzt. Entzückend, dass eine spezielle Wobblerart, dann auch noch Popper heißt. Da erinnert man sich an das Foto des in die Baumrinde eingeritzten Spruches ‚Popper are wankers‘ aus den achtziger Jahren. Wobbler ist auch lautsprachlich sehr repräsentativ für die Situation, die sich hier gerade abzeichnet. Dumpf steigt sie dann unaufhaltsam, teerzäh und klebrig, unvermeidlich doch hoch: die Obsidiansprachlosigkeit. Hinfort das Quarzitschweigen. Verflogen die Bimssteinstille… Ciao bella!
Und dann klingelt mitten in der Nacht das patagonische Kalksprengsel. Mit nichts am Leib und nichts in der Hand. Nichts hat es hinter sich gelassen außer einem lebenslangen Nichts und will auf der Couch schlafen. Und was sagt man dann dazu?
Urmuz versucht es mit NICHTS.