fast ausschließlich vom Union-Klub.
… und 1907 hatte die Großmutter von Alchimist, die Ard Patrick-Tochter Antwort, in Graditz das Licht der Welt erblickt. Hier als Zweijährige. (Foto Menzendorf; Leihgabe Niedersächsische Sparkassenstiftung und Kreissparkasse Verden im Deutschen Pferdemuseum)
Um 1908 hatte Graditz seine Schwächeperiode überwunden, und das Trio Siegfried Graf Lehndorf, Trainer Reginald Day und Jockey Fred Bullock kamen in jener Zeit auf eine Jahresbilanz von 61 Siegen und knapp 540.000 Mark Gewinnsumme, was zu einem Aufstand der Rennvereine führte. Diese verlangten, dass die Graditzer von bestimmten Rennen ausgeschlossen werden, oder die übrigen Pferde Gewichtsnachlässe erhalten müssen. 1910 lenkte der Landwirtschaftsminister ein, begrenzte den Rennstall auf 35 Pferde, die den Privatställen in kleinen Rennen auch keine Konkurrenz mehr machen durften, während Privatpferde in Prüfungen, die auch für Ausländer offen waren, bis zu sechs Kilo Erlaubnisse erhielten. Und Züchterprämien erhielten die Graditzer grundsätzlich nicht.
In jenem Jahr, in dem auch der Mülheimer Raffelberg seine Tore öffnete, waren in Deutschland etwa 700 Vollblutstuten registriert, Österreich/Ungarn verfügte über ca. 1.770, in England zählte man bereits 5.000, und Frankreich hatte noch 1.000 mehr in seinen Gestüten.
Der Düsseldorf Grafenberg (Foto: own work by Marek Gehrmann; GFDL 1.2 (Http://www.gnu.org-copy) and licenced under Creative Commons)
Als am 11.6.1913 im Krefelder Stadtwald eine weitere Rennbahn Premiere hatte – initiiert durch eine, von Rudolf Oetker angeführte Interessengemeinschaft von 1.150 Bürgern – existierten schon weit über 100 Rennplätze, und auch der Automobilhersteller Heinrich von Opel hatte bereits im Vorjahr begonnen, sein Gestüt Westerberg aufzubauen. Begonnen hatte es in der Textilstadt bereits 1884 mit der Gründung des „Crefelder Reiter- & Rennvereins“ und dessen Rennen auf dem Wiesengelände der heutigen Hüttenallee. Nach sechs Jahren setzten jedoch die finanziellen Möglichkeiten ein vorläufiges Ende.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der deutsche Rennsport erheblichen Aufschwung erlebt, und im Westen waren auch Gestüte wie Ravensberg (1907; Paul Niemöller) oder Mydlinghofen entstanden. Die ersten Gebäude auf diesem Landgut werden von „Burgen-und-Schloesser.net“ als Wassermühle beschrieben, die 1460 zu einer Wasserburg umgebaut wurden. Danach wechselte das Gut mehrfach den Besitzer, bis es im 20. Jahrhundert an den Ritter Ernst Bischoff fiel, der die Wasserburg teilweise abreißen ließ, um Pferde züchten. Auch einen Gnadenhof für Grubenpferde, die hier bis in die 1930er Jahre noch für den Bergbau des Ruhrgebietes gezüchtet wurden, sollte eröffnet werden. Danach zogen Vollblüter ein. Als jedoch in den 1970ern der Zuchterfolg ausblieb, musste für das 1913-1915 errichtete Anwesen eine andere Lösung gefunden werden, die letztlich in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutz zur Entstehung von „Gut Mydlinghofen“ führte.
Unmittelbar vor dem Derby 1914, das der Schlenderhaner Ariel gewann und bei dem mehr als 1,2 Millionen Goldmark durch den Totalisator flossen, kam aus Sarajewo die Nachricht, dass der Thronfolger von Österreich-Ungarn ermordet wurde, nachdem Erzherzog Franz Ferdinand in Bosniens Hauptstadt wenige Stunden vorher durch serbische Nationalisten das gleiche Schicksal getroffen hatte. Kurz danach war der Erste Weltkrieg im Gange, und von den 1,3 Millionen Pferden, die die Kaiserliche Armee einzog, kam eine Million beim Kriegsdienst um. Im Herbst des gleichen Jahres, in dem auch der 81-jährige Georg Graf Lehndorff verstarb, kam der Rennsport zu erliegen, und 1915, als Pontresina unter Willy Plüschke – der erste deutsche Jockey dem das gelang – das Derby für Richard Haniel gewann, war der Rennsport nur eingeschränkt zu Zuchtzwecken unterwegs, während für die über Hindernisse reitenden Offiziere schon der Heringsdorfer Renntag vom 31.7. 1914 der letzte gewesen sein soll. 139 von diesen Herrenreitern und 22 Berufsreiter, so schreibt der Autor des „Armee-Jagdrennens“, Oscar Christ, kamen aus jenem verlorenen Krieg nicht zurück, und zu ihnen zählten mit Holck, Raven und Riese auch einige der Besten. Am 23. September 1925 setzte ihnen Reichspräsident Generalfeldmarschall von Hindenburg in Karlshorst ein Reiterdenkmal, das sich nach wie vor an seinem angestammten Platz präsentiert, jedoch ohne Gedenktafel und Hinweis auf seine historische Bedeutung. Danach entstand neben den Profis eine neue Reitergeneration „Amateure und Offiziere“, doch mit dem Ende des deutschen „Offiziers-Sports“ war auch das Ende des Armee-Jagdrennens mit dem „Kaiser-Preis“, der wertvollsten Trophäe, die dieser Sport zu vergeben hatte, gekommen. Dieser „Kaiser-Preis“ lebte nach dem Ersten Weltkrieg in Karlshorst aber wieder auf, als Karlshorster Heeres-Jagdrennen.
Das Derby 1916 gewann Amorino unter Otto Schmidt für Waldfried, und das nächste holte Landgraf für Richard Haniel. 1917 wurden zu Hoppegarten und Grunewald auch einige Rennen für Pferde aus Österreich-Ungarn geöffnet, und durch die Abwanderung zahlreicher englischer Jockeys wurden Namen wie Schmidt, Plüschke, Blume, Rastenberger oder Trainer wie Horawetz und Horalek bekannt. 1918, als englische und französische Truppen, unterstützt von den USA, an der Westfront eine Großoffensive starteten, wurden alle klassischen und großen Rennen auf der Grunewald-Bahn gelaufen, während es in Hoppegarten vier weitere Jahren still blieb. Im November 1918 dankte der Kaiser ab und floh ins holländische Exil; zwei Tage später war Waffenstillstand, die Preußische Militär-Monarchie zusammengebrochen und der Erste Weltkrieg zu Ende.
1919 entstand die Oberste Behörde für Vollblutzucht und Rennen (OBV), die in Zusammenarbeit mit dem Generalsekretariat des Union-Klubs agierte. Ullrich von Oertzen wurde zum Präsidenten, und Simon von Oppenheim als Präsident des Kölner Rennvereins in den Vorstand gewählt. Damit verlor der Union-Klub zwar seine führende Stellung, blieb jedoch Veranstalter in Hoppegarten. Vor dem Krieg hatte Deutschland noch 1.000 Mutterstuten, jetzt nur noch die Hälfte, und von 3.000 Rennpferden gab es noch etwa 1.600, während Österreich nur noch 70 Vollblüter in die Freudenau retten konnte. Auch die deutschen Rennplätze waren halbiert.
Nach den Festakindern, die in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts auftrumpften, zeigte sich beim Derbyjahrgang 1920 wieder ein Fortschritt der deutschen Zucht, als der Graditzer Dark Ronald-Sohn Herold (aus der Ard Patrick-Tochter Hornisse) u. a. das Deutsche Derby, den Großen Preis von Berlin, das St. Ledger und Gladiatoren-Rennen gewann, und der von dem Schlenderhaner Prunus stammende Weißdorn (aus der St. Simon-Enkelin Wiener Mädel) diesen Trend 1925 mit Siegen in der Union, Großen Hansa-Preis, Großen Preis von Berlin, Fürstenberg-Rennen und St. Ledger bestätigte. Ende der Zwanziger Jahre konkurrierten in Berlin vier Bahnen und drei Rennvereine mit insgesamt 90 Renntagen, während in München, wo die Traber viel populärer waren, keine klassischen Rennen entschieden wurden.
In Karlshorst ist der Kronprinz zu Gast (Foto: Um 1900; Günter Toepfer-Sammlung, Karlshorst)
In Deutschland gab es nun wieder etwa 1.000 Mutterstuten und rund 100 Deckhengste, doch ließ die Qualität noch immer zu wünschen übrig. Von den ca. 170 Vollblutzüchtern, die jener Zeit zugeordnet werden, hatten viele nur wenige Stuten, sodass kaum mehr als ein gutes Dutzend – mit Schlenderhan, Waldfried und Altefeld (Graditz) an der Spitze – in der Lage war, zur Verbesserung der Zucht beizutragen.
1922 erwarb Konsul Moritz Oppenheimer, ein jüdischer Unternehmer aus Frankfurt, ein Trabergestüt, wandelte es zu Erlenhof um und ließ sich von Gustav Rau beim Kauf von Mutterstuten beraten. Walter Bresges begann anschließend sein Zoppenbroich aufzubauen, in dem der Schlenderhaner „Der Mohr“ als Beschäler einzog. 1923 war jedoch auch ein Jahr wirtschaftlicher Not, des wertlosen Geldes, und der Rennsport hatte damit ebenfalls zu kämpfen. Ullrich von Oertzen, der das Renngeschehen fünfzig Jahre prägte, verstarb; in Hamburg gab es einen kommunistischen Aufstand, und in München verbreitete die Schwarze Reichswehr Schrecken; das neue Hoppegarten war fertig und zeigte statt Parkidylle Sachlichkeit. Sein Glanzstück waren die dreigeschossige Tribüne, 127 Wettschalter, Waagegebäude, Pressezentrum und der achtgleisige Rennbahn-Bahnhof, und im November 1923 kam endlich die erlösende Nachricht: Währungsreform, Einführung der Rentenmark