ist dieser Regisseur?
C. G. Jung hat ihn seinerzeit das „Selbst“ genannt und als Quelle und Ziel des persönlichen Willens definiert, eine letztlich unerkennbare, transzendente Mitte, die gleichermaßen Zentrum wie Peripherie umschreibt.
Und wer ist das Selbst?
Ich kann es dir nur in einem übertragenen Sinn erklären: Das Selbst ist der Wille des Bogenschützen, in die Mitte zu treffen, und zwar noch bevor er den Pfeil abschießt.
Warum haben wir unseren Glauben dann nicht schon lange durch ein tieferes spirituelles Wissen ersetzt? Warum halten wir dann so lange an unserem alten Glauben fest?
Um uns eine Sinnfindung zu ermöglichen! Wüssten wir, dass es nichts zu erreichen gibt, dass alles genau gleich gut und harmonisch ist, dann gäbe es auch keine Unterschiede, durch die wir uns von den anderen unterscheiden können, und dann hätten Ziele auch keinen Sinn.
Sollten wir den alten patriarchalischen Gott dann nicht endlich begraben?
Der ist doch schon lange tot. Dem moderneren Persönlichkeitsteil dieses Gottes begegnen wir heute in den Tempeln der Wissenschaft. Es ist eine Art Klebstoff, der die kollektiven Assoziationen des Menschen an einen festen Bezugspunkt, ein Grundaxiom, bindet und daraus den „aristotelischen Faden“ knüpft (sozusagen das Strickmuster unseres abendländischen Denkens), ein göttlicher Trick, mittels dem man die ganze Welt nach hinten ausmessen und nach vorne dirigieren kann. Die modernen Gralshüter, die heute in diesen Gemäuern wirken, sind keineswegs weniger schlimm als die alten Priester. Sie sind genauso der religiösen Hybris verfallen und in ihrem Rausch beispielsweise damit beschäftigt, anhand komplizierter menschlicher Hochrechnungen und Tabellen entweder alle offenen Fragen unserer Vergangenheit zu entschlüsseln oder aber in der Gentechnologie durch die Methoden der molekularen Biologie gezielt in das Erbmaterial einzugreifen.
Die meisten Menschen sehen das aber ganz anders – du bist kein Freund der Wissenschaft?
Nun, ich bin kein Freund des Eigendünkels. Der Mensch neigt dazu, seine Sichtweisen in den Mittelpunkt zu stellen, und der Wissenschaftler neigt dazu, seine akademischen Erkenntnisse zum Nabel der Welt zu erklären. Dabei müssten wir nicht nur „in die Breite forschen“, sondern auch in der Tiefe gründen, also nicht nur wissen wollen, was wir alles herausfinden können, sondern uns auch mit dem Umstand auseinandersetzen, warum wir uns gezwungen fühlen, auf alle äußeren Fragen eine Antwort zu finden. Warum versuchen wir nicht auch, unsere inneren Ebenen zu erforschen, denn letztlich sind wir alle sterbliche Wesen, und keine Errungenschaft wird uns davon abhalten können, sterben zu müssen.
Du sprachst immer wieder von Bewusstseinsveränderungen, die mit dem Wechsel der inneren Ebenen zusammenhängen. Ist der Tod auch eine solche, wenn auch endgültige Veränderung?
Aus spiritueller Sicht ist der Tod völlig unbedeutend und unterscheidet sich, wenn wir von der üblichen Gedankenfrequenz auf höhere Schwingungsebenen wechseln, nur unwesentlich von unseren inneren Reisen in Träumen oder tiefen Meditationen. Er verändert lediglich die Möglichkeit, in die körperlich-materielle Realität zurückkehren zu können und zerstört, zumindest aus unserer Sicht, die Illusion, dass diese Ebene die einzige mögliche Art von Existenz ist. Das Gleiche gilt auch für die umgekehrte Seite: So wie wir von Seinsebenen jenseits unserer Realität keine Vorstellung haben, haben viele Wesen anderer Sphären auch kein Inventar angelegt, was ein Mensch ausmacht oder was eine Seele ist.
Was ist eigentlich mit erleuchteten Menschen, die das alles schon wissen?
Solchen Menschen ist es natürlich nicht mehr möglich, sich mit den gesellschaftlichen Zielen zu identifizieren – sie scheren aus dem System aus. Sie werden sich, wie oben angedeutet, auf andere physische Ebenen zurückziehen wollen – früher redete man von den geistigen Meistern im Himalaja oder der „weißen Bruderschaft“.
Sie könnten doch auch ihre eigenen Botschaften verkünden?
Nein, das können sie eben nicht, wenn sie die Zusammenhänge wirklich erkannt haben. Damit bewegten sie sich wieder im Kreis.
Das versteh ich nicht!
Jede „eigene“ Botschaft ist auch wiederum nur ein Teil unseres Spiels, innerhalb der vorhandenen Spiele über ein besseres Spiel zu verfügen. Heilsysteme und Heilslehren sind meist nichts anderes als eine Form von aufgeplustertem Größenwahn, nämlich in einer Welt des inneren und äußeren Ungleichgewichts den Heiligen Gral erobern zu wollen.
Ah ... so allmählich komme ich der Sache näher! Es gibt keinen Gott, der uns in seine Arme nimmt, kein Paradies, das auf uns wartet. Es gibt nur das Unbekannte hinter dem Spiegel unserer Bilder, das wir sowieso nicht verfehlen können ...
Gewiss. Am Ende lassen wir alles hinter uns zurück, unabhängig davon, wie unbeirrt wir im Leben unsere Ziele anstrebten. Die Wahrheit zeigt uns nämlich keinen Ort, an den wir gehen könnten, denn einen solchen Ort gab es nie. Ganz im Gegenteil, all das, wohin wir uns begeben könnten, ist ein Konstrukt unserer Phantasie, aber es ist auch – und das ist wichtig zu wissen – ein Teil unserer menschlichen Kultur.
Letzte Frage: Was macht der Weise aus höherer Sicht?
Er verbindet sich mit Gott …
… mit diesem Gott, der nur ein Bild im Kopf des Menschen ist?
Genau mit dem! Gott ist wie ein wirbelndes Gebilde, eine göttliche Blase, die alles Sichtbare im Universum emaniert und wieder verschlingt. Im Grunde ist es einfach die Energie der Schöpfung, die im Mittelpunkt der um sie herum angeordneten Sterne pulsiert. Irgendwie sind alle religiösen Formen mehr oder weniger bildhafte Umschreibungen des Schöpfungsknalles, des Impulses, der alles in Bewegung setzte an jenem Tage Null, an dem Gott seine Energie sozusagen aus sich selbst herausgeworfen hat, ohne sie jemals wieder loszulassen. Seither surft er mit allem, was er geschaffen hat, auf den Wellenkämmen des sich ständig ausdehnenden Universums immer tiefer in die Ewigkeit hinein. Oder – weniger verbrämt formuliert: Seitdem ist die Kraft Teil ihrer eigenen Ausrichtung und dringt durch alle von ihr geschaffenen Geschöpfe hindurch.
Ich glaube, langsam habe ich dich verstanden: Aus deiner Sicht wäre Gott eine Art „Silver Surfer“ am Nachtmeerhimmel …?
Das Problem mit Gott ist, dass wir unserem inneren spirituellen Teil nicht vertrauen, weil wir gelernt haben, alles, was wir in uns fühlen, katalogisieren und einordnen zu müssen. Dadurch verheddert sich unser Verstand und im entscheidenden Moment, in dem wir aufgerufen sind, der Emanation zu folgen, fühlen wir uns gezwungen, dieses Gefühl zu interpretieren. Doch der Verstand projiziert das aus dem inneren Erahnen entwickelte Gespür auf einen äußeren Götzen, den wir anbeten können, damit er uns im Kampf gegen das Böse in der Welt unterstützt. Wollen wir hinter die Fassaden unserer eigenen anerzogenen Bilder gelangen, die uns zwingen, das zu sehen, was wir als kollektive Vorstellung abgespeichert haben, stürzt uns unser aufoktroyiertes Weltbild zusammen. Nur dank dieser Netzfäden, die wir seit Tausenden von Jahren in unserem Erleben aufgespannt haben und die wir von Generation zu Generation weitergeben, binden wir uns an den gleichen Traum, und nur dank diesen Abspeicherungen, die uns ein Treppengeländer an die Hand geben, an dem wir uns sicher durch das Unbekannte hindurchhangeln können, werden wir nicht vom göttlichen Auge verschluckt …
… oder eine alte Prägeform des „Wonderful Wizard of Oz“?
Anders ausgedrückt: Solange wir uns weigern, hinter die Mechanismen zu blicken, die uns zwingen, die Welt so zu sehen, wie wir gelernt haben, sie wahrzunehmen, damit sie funktioniert, sind wir vor diesem allsehenden Auge geschützt. Deshalb gibt es auch nie ein Ende für das, was uns weiterführt: Es sind die Emanationen des Auges, die sich wie ein ins Wasser geworfener Stein, der ständig neue Kreise auslöst, bis in alle Ewigkeit aus sich selbst gebären und dabei immer neue Galaxien entstehen lassen – eine Art universeller Muttermund, durch dessen alles einsaugenden, alles aus sich heraus gebärenden Schlund jede Form am Ende ihres Zyklus eingesaugt und wieder ausgespuckt wird, um ihre Einzigartigkeit im Licht ständig wechselnder Scheinwerfer