Liselotte Welskopf-Henrich

Nacht über der Prärie


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das Geld schon erhalten?« fragte Queenie schüchtern und erschüttert darüber, was sie eben wieder erfahren hatte.

      »Bis Ende Dezember ist bezahlt, achtzig Dollar also, und bis die alle versoffen sind, mit der Rente dazu, werden wir hier Ärger haben. Ein Glück nur, dass Vater sehr freigebig ist und die geschmuggelte Scheiße sehr teuer. Dadurch wird das Geld schneller alle.«

      »Stonehorn, ich habe Angst um dich.«

      »Um mich brauchst du keine Angst zu haben. Um unser bisschen Habe, ja, denn das wird wohl in den nächsten drei Wochen draufgehen. Wenn er richtig besoffen ist, schlägt er alles kurz und klein. Und vielleicht kannst du um den Vater Angst haben … denn wenn er es nur ein einziges Mal wagt, dich anzugreifen, dann mache ich ernst.«

      Queenie wollte nicht seufzen.

      »Ich will dir sagen, wo ich heute war, Stonehorn«, begann sie fest.

      »Ja?«

      »Bei Mary Booth.« Queenie berichtete wörtlich, in nüchternem Ton, was gesprochen worden war. Sie fürchtete Stonehorns Zorn, aber sie wollte ihn mit keiner Silbe belügen.

      Er schlug sich klatschend auf die Schenkel und lachte aus vollem Halse. »Mary! Ja, wahrhaftig, ich werde ihr den Cowboy machen und die Kälber einfangen. Sie ist ein resolutes Weib und hat mich einmal versteckt, als die Polizei mich suchte. – Tagsüber«, fügte er mit einem vorsichtigen Lächeln hinzu, als er das Mienenspiel seiner Frau beobachtete.

      Aber Queenie hatte plötzlich begriffen, dass ein Rumtreiber wie Joe King mit seiner Betrachtung der Frau nicht gewartet hatte, bis er eine Queenie Halkett traf.

      Sie blieb still.

      In der Nacht lag sie wach, bis sie die Tritte und den schnaufenden Atem des Betrunkenen vor der Tür hörte. Stonehorn hatte die Tür abgeschlossen. Als der Vater das begriff, warf er sich mit einer solch wütenden Gewalt dagegen, dass er samt einigen zerberstenden Türbrettern ins Haus fiel. Der Sohn war auf, sprang hinaus und schleppte den über den durchschlagenden Erfolg seiner Anstrengung selbst Verblüfften und schwer Betrunkenen, ihn an den Füßen anpackend, auf die Wiese zurück, warf ihm zwei Decken über und kam wieder zu seiner Frau. Weiter geschah nichts. Der Betrunkene schien anzunehmen, dass die Decken sein Bett seien. Er wickelte sich ein und begann zu schnarchen.

      Queenie wartete in den Armen ihres Mannes mit offenen Augen, bis endlich der kalte Wind der sich dem Ende neigenden Nacht durch die Türöffnung hereinwehte und die Dämmerung die Dunkelheit auflöste. Draußen saß der Vater auf der Wiese. Er hatte eine kleine Flasche Schnaps aus der Tasche gezogen, um sich zum Frühstück daran gütlich zu tun.

      Stonehorn ging zu ihm. »Schämst du dich nicht, am frühen Morgen die Pferdepisse zu saufen?«

      »Halt die Schnauze!« Der alte King wurde stets angriffslustig, wenn er getrunken hatte. Er warf die geleerte Flasche ins Gras, und da er nichts anderes vor sich hatte, was er angreifen konnte, warf er sich auf den Sohn.

      Stonehorn hatte auf der Wiese Bewegungsfreiheit und schlug den alten King sofort k. o. Dann brachte er ihn in das Haus und legte ihn aufs Bett.

      »Heute morgen wird er nichts mehr anrichten können. – Ich reite zu Mary hinüber. Vielleicht können unsere Pferde nicht nur hier, sondern auch drüben mit weiden.«

      »Ja.« Queenie hatte keine rechte Stimme.

      Als ihr Mann fortgeritten war, ging sie langsam zu dem verwilderten Friedhof hinüber und setzte sich zu dem Krummstab, an dem das Adlerfederbündel leise im Morgenwind schaukelte. Nirgendwo war ein Name angebracht.

      Um die Mittagszeit kam der Alte wieder zu sich, und Queenie aß mit ihm zusammen ein Rübengericht. Er war ganz nüchtern und fing an, Queenie von der Geschichte des Tals und der Berge gegenüber zu erzählen.

      Als er erkannte, wie aufmerksam sie zuhörte, nahm er die Decke von den verborgenen Gegenständen in der Ecke ab. Es kamen ein Adlerfederschmuck zutage und ein kostbar gestickter Rock. Der alte Mann hatte Lust, sich der Schwiegertochter darin zu zeigen. Er wirkte stolz und ausdrucksvoll. Mit einem verlegenen Lächeln setzte er die Adlerfederkrone wieder ab.

      »Dein Großvater, Tashina«, sagte er, »war Ratsmann, als mein Vater Häuptling war. Von meinem Vater habe ich den Rock und die Adlerfedern. Du hast an seinem Grab gesessen, ich habe es gesehen.«

      Er legte die Decke wieder über die behüteten Kostbarkeiten. »Inyahe-yukan könnte auch ein Häuptling sein, so jung er ist. Der, nach dem ihn seine Mutter genannt hat, hat schon mit zweiundzwanzig Jahren unsere Krieger geführt … aber nun muss Joe sich mit seinem betrunkenen Vater schlagen und für Mary Kälber fangen. Sie verstehen ihn alle nicht.«

      »Warum glaubst du denn, Vater, dass Stonehorn Harold getötet hat?«

      »Was? Es wäre wahrhaftig eine Schande gewesen, wenn er das nicht endlich zuwege gebracht hätte. Der Lump hat Stonehorn einen Dieb geheißen … einen Dieb! Damals haben sie den Burschen zum ersten Mal ins Gefängnis geworfen, und dann ist er ein Gangster geworden.«

      Old King machte sich daran, die aus den Angeln gerissene schwere Tür wieder einzusetzen.

      Am Abend kam Stonehorn gutgelaunt zurück. Er lud zwei große gefüllte Wassersäcke ab und pfiff vor sich hin, als er den Hengst auf die Wiese brachte. Er warf den vorsichtig lugenden Hunden Knochen hin und wickelte am Tisch in der gemeinsamen Stube ein großes Stück geröstetes Fleisch aus. »Gruß von Mary«, und er überreichte den Braten seiner Frau. Alle drei hieben ein. Nach dem Essen sangen King junior und King senior zusammen alte indianische Liebeslieder und schlugen dazu den Trommeltakt mit den Knöcheln auf der Tischplatte, die Queenie gescheuert hatte. Sie hatten beide schöne Stimmen.

      Zu Beginn dieser Nacht gab es auch im Bett noch Gelächter, nachdem der alte King eingeschlafen war.

      Vor Sonnenaufgang waren die beiden jungen Leute schon draußen am Hang, kümmerten sich um die Pferde, wuschen sich und ließen sich im Sommerwind trocknen.

      »Kennst du Doctor Eivie?« fragte Stonehorn seine Frau. »Das ist der neue Arzt.«

      »Nein, noch nicht.«

      »Ein fetter, kleiner, lustiger Ball. Er hat uns beim Kälberbrennen geholfen, und er hatte eine Stoppuhr dabei. Ich habe die Zeiten gemacht.«

      »Die Rodeo-Zeiten für das Kälberfangen?«

      Stonehorn nickte.

      »Willst du dich melden?«

      »Nicht so schnell. Ich habe zu lange nicht mehr geübt. Und man müsste auch das Teilnehmergeld einzahlen können.«

      Queenie ließ sich die aufgehende Sonne auf die braune Haut scheinen. Ihr Mann packte ihren Kopf mit beiden Händen.

      »Queenie … Ich werde jetzt wenigstens fünf Tage und Nächte unterwegs sein. Eivie will mich auch noch bei anderen Herden dabeihaben. Du musst solange allein mit dem alten King aushalten.

      Oder gehst du die paar Tage lieber zu … ja … vielleicht zu Ed Crazy Eagle? Seine Frau ist im Krankenhaus angestellt, und Eivie würde mit ihr sprechen.«

      »Joe! Wir wollen in fünf Tagen mit Isaac Booth zusammen zu Chief Ed Crazy Eagle gehen, und er wird das Protokoll aufnehmen, dass der Pachtvertrag über unser Land am 31. Dezember endet. Du sollst nicht umsonst da drüben arbeiten.«

      »Gut. Aber eben darum könntest du jetzt schon …«

      »Ich will nicht. Ich bleibe hier.«

      Stonehorn war nicht einverstanden, gab jedoch nach. »Wenn es zu arg wird, sattelst du dein Pferd und reitest zum Hospital. Das übrige wird Crazy Eagles Frau schon regeln.«

      An dem ersten der fünf Tage schrieb Queenie vor allen Dingen einen langen, wohlformulierten Brief an den Vorsteher der Kunstschule, dass er das Bild »Verschleierte Hände« so rasch wie möglich und so teuer wie möglich verkaufen und das Geld an die Adresse von Elk in New City senden solle. Was nützten offene Hände auf einem Bild, wenn es darauf ankam, die lebenden Hände zu öffnen! Das Einsatzgeld für das Rodeo, das Geld für