Denise Hunter

Der Duft von Pfirsichen


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darüber nachgedacht?“

      „Jetzt ist es aber mal gut“, sagte Zoe. „Das ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt.“

      „In Ordnung.“ Joe brauste ins Zimmer wie ein willkommener Luftzug und setzte sich neben Zoe an den Kopf des Tisches.

      Sie atmete erleichtert auf, als sich alle Köpfe ihm zuwandten. Das Blut war ihr ins Gesicht gestiegen, ihr war richtig warm geworden. Jetzt kam ihr die Luft abgestanden und stickig vor.

      „Also, los geht’s“, sagte Joe. „Danke, dass Sie so spontan kommen konnten, noch dazu an einem so traurigen Tag. Ihre Großmutter war eine besondere Frau, und es war mir eine Ehre, ihre Angelegenheiten mit ihr zu ordnen. Sie hat Sie beide so sehr geliebt.“

      Er schob seine Papiere zusammen und legte sie vor sich auf den Tisch. „Ihr Testament beginnt mit den üblichen Vorreden, in denen sie Sie beide als Erben benennt. Ich werde Sie nicht mit den Einzelheiten langweilen, aber meine Sekretärin macht Ihnen Kopien des Textes.“

      Er schob sich die Brille höher auf die Nase und begann zu lesen.

      Zoe hatte bereits Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, weil Kyle sich an ihrer Seite empört aufplusterte und Brady ihn wutentbrannt anstarrte. Der Juristenjargon klang nach einem großen Durcheinander und schluckte alles, was wichtig sein könnte – soweit sie das mitbekam.

      Sie war erleichtert, als Brady sich zu Wort meldete. „Joe, würde es Ihnen etwas ausmachen, die Sache ein wenig abzukürzen? Ich meine es wirklich nicht böse, aber ihr Anwälte habt es wirklich drauf, die einfachsten Tatsachen kompliziert zu machen.“

      Joes Lippen zuckten. „Gar kein Problem. Ist das für Sie denn in Ordnung, Zoe?“

      „Natürlich.“

      Joe faltete seine Hände auf dem Dokument. „Der Kern des Ganzen besteht darin, dass Ihre Großmutter wollte, dass Sie beide zu gleichen Teilen an ihren weltlichen Hinterlassenschaften Anteil haben. Aber sie war sich auch Ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen sehr bewusst.“

      Er sah Brady an. „Brady, Ihnen hat sie ihre diversen Aktien und Rentenpapiere und Investmentfonds hinterlassen.“

      „Granny hat auf dem Aktienmarkt gespielt?“, fragte Brady.

      Joe gluckste. „Wie ein Profi. Sie hat früh angefangen zu investieren und ein ordentliches Portfolio zusammengestellt. Das hat es wirklich in sich.“

      „Bravo, Granny“, sagte Brady.

      „Ich kann die Details später mit Ihnen durchsprechen, aber sie wusste, wie gerne Sie mit Sportwagen arbeiten, und sie war sich bewusst, wie Ihre Scheidung Sie finanziell dastehen ließ. Sie wollte, dass Sie Ihre Arbeit fortführen, sich aber auch um Ihren Sohn kümmern können. Nun ist ausreichend Vermögen für all das vorhanden, und sollte Ihr Sohn eines Tages aufs College gehen wollen, wird auch dafür gesorgt sein.“

      Brady nickte, seine Kiefermuskeln verspannten sich, und er senkte den Blick auf die Tischplatte.

      „Wie gesagt, sie hat Sie sehr geliebt.“

      „Ich hätte im Traum nie geglaubt, dass sie so viel Geld hatte“, sagte Zoe. „Sie hat so einfach gelebt.“

      „Granny ging es eben nie um Dinge und Sachen“, erwiderte Brady.

      Er hatte so recht. Granny hatte immer Zeit für sie gehabt. Immer ein offenes Ohr, immer eine Schulter zum Ausweinen.

      Zoe tupfte sich die Augenwinkel. „Ihr ging es um Liebe.“

      „Und darum, unabhängig zu sein“, sagte Brady. „Sie hat uns gelehrt, auf eigenen Füßen zu stehen. Erst letzte Woche noch habe ich sie dabei erwischt, wie sie den Hügel an der Straße mit dem alten Rasenmäher gemäht hat.“

      Zoe schnaubte. „Ja, das klingt nach ihr.“

      Joe sah Zoe an. „Ihre Großmutter ist im letzten Frühling beim Fünf-Kilometer-Lauf gestartet. Dem zugunsten der Krebspatienten. Und ist nicht einmal als Letzte durchs Ziel gerannt.“

      „Tatsächlich ist sie irgendwo im Mittelfeld gelandet.“ Brady lächelte wehmütig. „Sie ist geradewegs an Bürgermeister Walters vorbeigezogen. Hat ihn bis auf die Knochen blamiert.“

      Sehnsucht stieg in Zoe auf. Wie gerne würde sie Granny noch einmal sehen, nur ein einziges Mal. Mit ihr über die Obstwiesen gehen. Bohnen pulen auf der Veranda. Wie war es nur möglich, dass sie nicht mehr da war?

      Sie lehnte eine Wange an den Kopf ihrer Tochter, während Bedauern sie durchströmte. Gracie hatte Grannys Liebe nur aus der Ferne kennengelernt. Zoe hatte ihre Tochter um so vieles betrogen.

      Neben ihr rutschte Kyle auf seinem Stuhl herum und sah auf die Uhr. Langeweile dünstete in großen Wellen von ihm aus. Zoe wusste, dass er begierig darauf war, wieder unterwegs zu sein. Wieder ins Studio zurückzukehren, wo er das Sagen hatte und wichtig war.

      „Damit wären wir bei Ihnen, Zoe.“ Joe schaute sie freundlich an. „Ihre Großmutter hatte so warme, herzliche Erinnerungen daran, wie sie mit Ihnen durch die Obstwiesen gestreift ist. Sie spürte Ihnen eine besondere Verbundenheit mit dem Land ab und obendrein eine unersättliche Neugier auf die Abläufe, die sie an ihren Ehemann erinnerte.“

      Eine schreckliche Vorahnung überfiel Zoe, noch während die Worte Joes Mund verließen.

      „Sie hat Ihnen die Plantage hinterlassen, Zoe. Die Obstgärten und das Bauernhaus, abzüglich ein paar persönlicher Dinge, von denen Sie später lesen werden. Sie hoffte, Sie würden nach Hause zurückkehren und das Unternehmen führen.“

      „Was?“ Ihr Ausruf war mehr ein Schnappen nach Luft als ein Wort.

      Kyle plusterte sich neben ihr auf. „Das ist lächerlich.“

      „Trotzdem“, sagte Joe. „Nellie hat unerbittlich darauf bestanden, dass die Obstplantage an Zoe geht.“

      „Dann wird sie verkaufen müssen“, sagte Kyle. „Sie hat schon eine Karriere und ein Leben, und zwar anderswo.“

      Brady nagelte ihn mit einem Blick fest. „Das geht dich überhaupt nichts an. Du solltest nicht einmal hier sein.“

      „Das geht mich wohl etwas an, verdammt noch mal.“

      „Wir wollen uns alle ein wenig beruhigen“, sagte Joe. „Heute müssen keine Entscheidungen mehr getroffen werden. Lassen Sie uns die Zeit nehmen, das Ganze erst einmal etwas sacken zu lassen.“

      Kyle stand auf. „Da gibt es nichts, was sacken müsste. Sie verkauft. Komm mit, Zoe.“

      „War da … gibt es sonst noch etwas, Joe?“

      „Nichts Wesentliches. Sheila wird Ihre Ausfertigung des Testaments für Sie an der Rezeption bereithalten.“

      Kyle, der ein finsteres Gesicht machte, war bereits an der Tür. Der finstere Gesichtsausdruck war direkt an sie gerichtet.

      Zoe stand auf und nahm Gracies Hand.

      Brady sah aus, als würde er gleich von seinem Stuhl aufspringen. Joe hatte seine Hand auf Bradys Arm gelegt, als wollte er ihn festhalten.

      Zoe sah Brady entschuldigend an. „Ich rufe dich später an.“

      „Ich kann morgen nicht abfahren, Kyle. Ich habe hier Pflichten.“ Noch mit der Handtasche über der Schulter stand Zoe zwischen den beiden Hotelbetten. Er hatte nur einer weiteren Nacht zugestimmt, aber morgen war Samstag. Sie brauchte mindestens ein paar Tage mehr.

      Zu Hause zu sein – in der Nähe von Brady und Hope und den Leuten, die sie liebten – hatte ihr irgendwie Mut geschenkt.

      Oder vielleicht war es auch einfach nur Dummheit.

      Gracie war im Auto eingeschlafen, und Kyle hatte kaum ein Wort gesagt, seitdem sie das Anwaltsbüro verlassen hatten. Im Hotel hatten sie eine weitere Nacht dazubuchen