Eberhard Saage

Die Welt der Illusionisten


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und sympathisch. Als sie sich die Hände schüttelten, verbanden sich deren Energiefelder zu einem gemeinsamen, einheitlichen, was beiden, wie jeder an den Blicken des anderen erkannte, sofort bewusst wurde.

      Auch der Händedruck des Superbankers war kräftig, doch dessen Energiefeld lehnte Adams ab, wenn auch sein Lächeln plötzlich den Willen zur Zusammenarbeit signalisierte.

      In der Jurte fiel Joseph zuerst das von einem Baldachin und weißen Vorhängen geschützte Bett auf. Es war sehr schmal und diente dem Hausherrn, dem die deutschen Medien den Ruf eines guten Hengstes verpasst hatten, wohl nur zum Schlafen. Gemessen an dem Speiseraum des Jumbo Jets oder an der Ausstattung der Straßenkreuzer wirkte die Einrichtung der Jurte bescheiden, ja sogar nüchtern. Sie war mit edlen Hölzern ausgelegt, aber nicht mit kostbaren Teppichen. In der Mitte standen zwei breite dunkle Couches mit einem gleichfarbenen Tisch, an einer Seite ein ähnliche, aber kleinere Sitzgruppe, an der anderen ein Esstisch mit zwei wuchtigen Stühlen. Die Wände waren reinweiß, wurde von keinem Bild oder anderes verschönt. Und, was Joseph besonders überraschte, hinter einem kleinen Schrank stand ein Waschtisch mit einem Wasserkrug und einer Porzellanschüssel wie zu Großmutters Zeiten.

      Doch Joseph Adam war nur ein kurzer Blick in die Jurte vergönnt, noch bevor sie sich setzen konnten, wurden sie von einem Diener herausgebeten. Auf einer Wiese außerhalb der Überdachung loderte ein Holzfeuer, neben dem drei Felle ausgelegt waren, eines vom weißen Tiger für den Hausherrn, zwei von Maralen für die Gäste.

      Joseph zögerte kurz, und der Hausherr sah ihn erstaunt an.

      »Marale kenne ich von Aitmatows Erzählung ›Der weiße Dampfer‹, die ich als Jugendlicher gelesen habe.«

      »Ja?«

      »Wie viele, die dieses Buch kennen, habe ich damals so etwas wie Ehrfurcht vor diesen Hirschen bekommen.«

      Berkel Zorbas lächelte verständnisvoll: »Sie bedeuten auch uns sehr viel, aber nehmen Sie trotzdem Platz.«

      Der Diener servierte Blinis, Piroggen und andere Snacks, aber er brachte dazu keinen Samowar, wie Joseph erwartet hatte, sondern zerstampfte einen Teeziegel in feines Pulver und schüttelte dies in einen verrußten Kessel, in dem bereits Wasser kochte. Er strahlte tiefe Ruhe und Gelassenheit aus und ließ sich bei jedem Arbeitsgang viel Zeit.

      Auch der Präsident nahm sich diese, aber schließlich wandte er sich an den Banker: »Wie ich vorhin schon feststellte, Herr Müller, nicht nur bei uns hat sich viel verändert, sondern auch bei Ihnen. Nicht so rasant wie bei uns, aber die Wege in die Zukunft werden uns zusammenführen. Was uns heute noch trennt, ist eigentlich bereits nebensächlich geworden, aber es wird von vielen Politikern noch total überbewertet. Wir dürfen denen nicht gestatten, dass sie unsere Zusammenarbeit behindern. Wären die nicht in der Lage, die weltpolitischen Entwicklungen zu erkennen, müssten Sie die austauschen.«

      Ruhig, ohne eine sofortigen Antwort zu erwarten, blickte er ins Feuer. Der Diener gab Butter und Salz in eine Holzschale, goss den Teesud darauf, verrührte alles und schüttete es wieder in den Kessel.

      Wie Berkel Zorbas ließ sich Müller nicht von Adams Anwesenheit stören: »Wenn Sie damit auch auf Spitzenpolitiker unserer wichtigsten Parteien zielen würden, wären Sie nicht im Recht. Die ebnen uns die Wege, keine Frage. Aber ob uns alle unterstützen werden, auch manche Neue, bezweifele ich schon eher, trotzdem Sie mir vorhin anderes andeutet haben.«

      Der nun fertige Tee wurde in kostbaren grünen Jadeschalen serviert. Berkel Zorbas tauchte eine Fingerkuppe hinein und schnipste den Tee nach alle Himmelsrichtungen.

      Müller nahm wie der Gastgeber nun kleine Schlückchen: »Vorzüglich, ganz vorzüglich. Eine Teequalität, die man nur selten genießen kann, ein außergewöhnlicher Geschmack.«

      Nur der letzten Bemerkung hätte Joseph ehrlich zustimmen können, denn er hatte den Geschmack einer Maggibrühe auf der Zunge. Aber auch er wandte sich direkt an den Hausherrn: »Exzellent, absolut exzellent. Ein Genuss.«

      Als ihre Schalen geleert waren, goss der Gastgeber persönlich nach.

      »In neuen Parteien gibt es immer Ideologen«, sagte er dann zu Müller, »aber die rennen sich ihre Köpfe an der Realität ein.«

      Nun wandte er sich direkt an Adam. »Sie haben die gesamtdeutsche Realität vor den meisten anderen Politikern erkannt und deshalb die Niederlage Ihrer Partei zu Ihrem persönlichen Erfolg gemacht. Was, denken Sie heute, werden Sie bei der nächsten Wahl erreichen?«

      »In den Prognosen liegen wir jetzt bei 10 Prozent, aber wir werden die deutlich überbieten und über dem Ergebnis des jetzigen Koalitionspartners liegen.«

      »Sie denken bereits konkret über Ihren Eintritt in die Regierung nach?«, fragte der Banker erstaunt.

      »Wer nicht regieren will, sollte nicht in die Politik gehen.«

      Berkel Zorbas lächelte: »Ich bin durch einen guten Freund besser über Herrn Adam informiert als Sie, Herr Müller. Ich sagte Ihnen doch, unterschätzen Sie ihn nicht.« Er trank seine Schale aus und beendete die Teezeremonie.

      Am letzten Besuchstag wurde die deutsche Delegation nach dem Dinner in den Rauchersalon gebeten. Auf niedrigen Tischchen vor bequemen Sofas standen neben den Teeschalen, für die der Tee dieses Mal in Samowars zubereitet wurde, Wasserpfeifen bereit.

      Joseph Adam hatte nur in seiner Jugend mal gepafft, aber keinen Gefallen daran gefunden. An Wasserpfeifen mit fruchtigen Melassen hatte er jedoch auch schon bei anderen Veranstaltungen gesaugt, bei denen die Gastgeber abends eine entspannte Stimmung erzeugen wollten. Auch die erste Melasse hier war insbesondere aus Früchten, enthielt wohl auch etwas Tabak, der den Geschmack jedoch nicht dominierte. Sie war durchaus geeignet, in der gedämpften Stimmung im Salon mit orientalischem Ambiente persönliches Wohlergehen zu erzeugen. Aber in Anwesenheit des Präsidenten Berkel Zorbas, der die konkreten Verhandlungen seinen Ministern überlassen hatte, wirkten die Topmanager trotz glänzender Geschäftsaussichten gehemmt.

      Bevor ihr Schweigen peinlich wurde, klatschte Zorbas dreimal in die Hände, und die Diener ersetzten die alten Wasserpfeifen durch neue. Adam gefiel seine tiefblaue Pfeife, deshalb wollte er sie behalten.

      »Eine neue Melasse erfordert eine neue Pfeife«, entschuldigte sich der Diener.

      Berkel Zorbas, dessen Melasse möglicherweise einen anderen Farbton hatte, genoss sofort den ersten Zug, und auch Adam folgte seinem Beispiel. Der Rauch schmeckte nicht mehr fruchtig. Wie eigentlich? Er kannte ihn nicht und hätte ihn nicht beschreiben können. Aber nach wenigen Zügen fühlte er sich zwischen dem Banker Müller und dem Topmanager von Söben sauwohl.

      Kurze Zeit später stupste ihn Müller mit dem Ellbogen in die Seite und breitete dann seine Arme wie Flügel aus: »Adam, mein Freund, ich schwebe. Du auch?«

      Er reichte ihm die rechte Hand: »Egon heiße ich. Und du?«

      »Joseph. «

      »Maria und Joseph, ha, ha, ha. Wir werden uns schon zusammenraufen. Komm, mein Freund, zieh mal von meiner.«

      Er stopfte Adam seine Pfeife in den Mund, und der zog gierig daran und lachte plötzlich ohne erkennbaren Grund drauflos.

      »Ja, altes Haus, werden wir. Aber du musst meine Vorgeschichte kennen, ich werde sie dir mal erzählen.«

      Und er plapperte heiter und belustigt über seinen Kampf gegen diesen Haberecht, an den er lange nicht mehr gedacht hatte. Müller hörte ihm jedoch nur kurz zu, denn nun verspürte auch er das Bedürfnis, über seinen Aufstieg auf der Karriereleiter zu sprechen. Und so erzählten sie gleichzeitig, schlugen sich gegenseitig auf die Schultern und verstanden sich einfach prächtig. Hätten sie die anderen beobachtet, hätten sie bei denen die gleiche Leichtigkeit und Fröhlichkeit festgestellt.

      Aber das konnten sie nicht mehr, das konnte nur Berkel Zorbas. Er erhob sich lächelnd, ging von Manager zu Manager und stellte jedem ein paar Fragen. Und sein Gesicht zeigte bald die gleiche Zufriedenheit wie das aller. Als er den Banker und Adam erreichte, lagen die sich gerade in den Armen.

      »Ich komme auch von unten