Intervallfasten und Autophagie
Supermedizin und Jungbrunnen
→ „Wir haben in den letzten zehn Jahren gelernt, dass Fasten nicht, so wie früher angenommen, etwas Schlechtes für den Stoffwechsel und den Organismus ist, sondern etwas extrem Gesundes. Das ist ein Paradigmenwechsel.“
→ Prof. Dr. Thomas Pieber, Intervallfastenforscher und Vorstand der Uniklinik für Innere Medizin in Graz
Was bisher geschah
Vor allem der Medizinnobelpreis 2016 für die Erforschung der Autophagie hat dem Fasten, insbesondere dem Intervallfasten, den Ruf als Supermedizin und Jungbrunnen eingebracht. Wie in „Der Jungbrunnen-Effekt“, Band 1, bereits ausführlich beschrieben: Der Zellreinigungsmechanismus der Autophagie wird nach zehn bis zwölf Stunden ohne Nahrungszufuhr massiv hochgefahren, kann uns so vor zahlreichen Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs schützen und verlangsamt die Zellalterung. 16 Stunden tägliches Fasten gelten als sinnvoller unterer Richtwert, um von der Autophagie wirklich zu profitieren. So wurde das System 16:8 geboren, demzufolge Sie acht Stunden essen und 16 Stunden fasten. Sie können die Fastenphasen verlängern, um die Effekte der Autophagie zu verstärken und damit auf 18:6 oder 20:4 erweitern.
Großer Beliebtheit erfreut sich bei vielen Intervallfastenden auch die „Eat-Stop-Eat“-Methode, bei der Sie einen Tag fasten und einen Tag essen und so auf Fastenphasen von rund 36 Stunden kommen. Darüber hinaus gibt es auch die Methoden 6:1 und 5:2, in denen Sie einen bzw. zwei Fastentage pro Woche einbauen. Wir empfehlen die Methode 16:8 (bzw. 18:6 oder 20:4 für Fortgeschrittene). Der erste Grund für diese Empfehlung beruht darauf, dass sich 16:8 sehr leicht – auch in einen stressigen Alltag – einbauen lässt. Sie befreien sich von einer Tages-Randmahlzeit (je nach Typus Frühstück oder Abendessen) und kommen mit den Schlafstunden sehr schnell auf 16 Stunden. Wenn Sie diesen Rhythmus beibehalten, wird sich Ihr Körper daran gewöhnen und in der jeweiligen Fastenphase keine Hungersignale mehr senden. Und es gibt einen zweiten wichtigen Grund, warum wir ein Intervallfastensystem im 24-Stunden-Rhythmus empfehlen. Der Mensch ist ein zirkadianes Wesen, dessen Zellen einem inneren Rhythmus von circa 24 Stunden folgen. Die Erforschung dieses zirkadianen Rhythmus, unserer inneren Uhr, wurde 2017 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Durch das Intervallfasten können wir die gesundheitsförderlichen Dynamiken unserer inneren Uhr verstärken und eine Synergie nutzen, die aus wissenschaftlicher Sicht die Brücke zwischen den Medizin-Nobelpreisen 2016 (Autophagie) und 2017 (Zirkadianer Rhythmus) bildet. Dieses Wissen hilft Ihnen, die Effekte des Intervallfastens noch besser zu nutzen und zu steuern.
1.
Zirkadiane Rhythmen – Timing ist alles
Die Macht der inneren Uhr
Die Bedeutung der inneren Zelluhr und ihre Synchronisierung mit der Außenwelt ist essenziell für die gesunde Psyche und einen vitalen, schlanken Körper. Richtig getimtes Intervallfasten kann dabei als Schlüsselelement fungieren. 2017 wurde das Verständnis dieser Zusammenhänge mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.
Den 24-Stunden-Rhythmus des Lebens nutzen
Nicht nur 2016, sondern auch im Jahr darauf zeichnete das Nobelpreiskomitee ein Forschungsgebiet aus, das — zumindest indirekt — noch weitere Belege für die immense Bedeutung des Intervallfastens zum Wohle unserer Gesundheit liefert. Die amerikanischen Chronobiologen und Genetiker Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young erhielten 2017 den Medizin-Nobelpreis für die Erforschung der zirkadianen (circadianen) Rhythmik, also der zelleigenen Rhythmen, die einer Periodenlänge von ungefähr 24 Stunden folgen. Das Wort leitet sich ab vom Lateinischen circa — „ungefähr“ und dies — „Tag“ und bedeutet also „ungefähr einen Tag lang“. Praktisch alle lebenden Zellen auf der Erde, egal ob menschlicher, tierischer oder pflanzlicher Natur, folgen einem Biorhythmus, der sich auf Zellebene nachweisen lässt. Die innere Uhr der Zelle wird zwar durch äußere Taktgeber (Licht/Dunkelheit, Wachen/Schlafen, Essen/Fasten) vor- und zurückgestellt, sie arbeitet jedoch selbstständig und tickt bei einer Zeitumstellung (oder nach einem Überseeflug) zunächst unverändert weiter. Die korrekte Taktung von innerer und äußerer Uhr ist essenziell für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Körpers. Jede Zelle, jedes Organ verfügt über eine eigene Zelluhr. Dieser Taktgeber regelt die zeitliche Abfolge der Zellfunktionen — manche Abläufe werden zu bestimmten Zeiten gut und zu anderen schlechter oder gar nicht erfüllt. Fast alle Prozesse im Körper folgen dieser zirkadianen Rhythmik. Unsere Körpertemperatur schwankt im Tagesverlauf, die Hormonspiegel ändern sich und sogar das Immunsystem reagiert nicht zu jeder Zeit gleich. Wenn Spitzensportler mehrere Zeitzonen überqueren, gilt es, die innere Uhr möglichst schnell der äußeren Uhr anzugleichen, da Spitzenleistungen sonst nicht möglich sind. Wird die zirkadiane Rhythmik durch äußere Zeitgeber zu oft und zu sehr irritiert, sind Krankheiten die Folge. Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Schichtarbeit zu Schlafstörungen, Übergewicht und langfristig zu schweren gesundheitlichen Schäden führen kann. 2007 hat das Krebsforschungszentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die nächtliche Schichtarbeit als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Während Menschen mit sehr unregelmäßigen Arbeitszeiten zur Störung ihrer zirkadianen Rhythmen gleichsam gezwungen werden, machen es die meisten Bewohner der zivilisierten Welt aus Unwissenheit freiwillig. Aus diesem Grund wollen wir uns die wichtigsten äußeren Zeitgeber und Rhythmen genauer anschauen und wie wir sie am besten mit unserer inneren Uhr in Einklang bringen können. Jedes Organ hat seine eigene innere Uhr. Fein aufeinander abgestimmt und getaktet, arbeiten die Organe und Körperzellen wie ein Orchester zusammen, um die drei wesentlichen Rhythmen des Lebens zu erzeugen – Wachen/Schlafen, Essen/Verdauen und Bewegen/Regenerieren. Nicht alle Körperfunktionen können gleichzeitig stattfinden. Deshalb braucht es, wie bei den Verkehrsbewegungen einer großen Stadt an Ampelkreuzungen, Taktgeber, die den Verkehrsfluss steuern. Wenn der Rhythmus an einer Kreuzung gestört ist, sind die anderen Kreuzungen über kurz oder lang auch betroffen.
Die Genetiker und Chronobiologen Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young gewannen 2017 den Medizin-Nobelpreis für die Erforschung des zirkadianen Rhythmus.
Der Schlafrhythmus – Wie das Licht unsere innere Uhr taktet
Helligkeit und Dunkelheit sind seit Urzeiten die wichtigsten Taktgeber für unseren Körper und entscheidend für unseren Schlaf- und Wachrhythmus. Über die Augen werden die Informationen über Quantität und Qualität des vorhandenen Lichts ins Gehirn zum sogenannten suprachiasmatischen Nucleus, kurz SCN, geliefert. Er könnte auch als Dirigent im Orchester der inneren Uhren bezeichnet werden. Er sitzt am Hypothalamus, der zusammen mit der Hirnanhangdrüse ganz wesentlich die vegetativen Funktionen des Körpers steuert. Die rund 20.000 „Uhrenzellen“ des SCN liefern dem Hypothalamus und der Hirnanhangdrüse Informationen, um Hunger, Sättigung, Müdigkeit, Wachheit, Stress, Entspannung sowie den Flüssigkeitshaushalt etc. zu regulieren. Indirekt liefert der SCN so auch Informationen an die Zirbeldrüse, die die Hormone Serotonin und Melatonin herstellt. Ein Mangel an Serotonin führt etwa zu Niedergeschlagenheit, ein Mangel an Melatonin zu Schlafstörungen und fehlender Regeneration des Körpers. Bekommen wir also zu viel oder zu wenig Licht zu den natürlichen Tag- und Nachtzeiten, führt das auf Dauer zu schlechtem Schlaf, Übergewicht, Depressionen und anderen Erkrankungen (siehe Infobox „Gesund und glücklich im Wechsel von Licht und Dunkelheit“, Seite 20).