Bernd-Michael Hümer

Unternehmensrecht


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      Beispiel

      •„Unverzüglich“ (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) bedeutet in der Rechtssprache „ohne schuldhaftes Zögern“ (und nicht „sofort“).

      Ferner ist bei der Gesetzanwendung die sog. Klammertechnik zu beachten. Dies bedeutet, dass generelle Bestimmungen „vor die Klammer“ gezogen und damit allgemein verbindlich geregelt werden. So erspart sich der Gesetzgeber unnötige Mehrfachregelungen (Gesetzesökonomie). Dies ist der Grund dafür, dass die klassischen Gesetze des deutschen Privatrechts (BGB, HGB) – gemessen an ihrem Inhalt – eher kurz sind.

      Beispiel

      •Die Vorschriften über das Zustandekommen von Verträgen im 1. Buch des BGB gelten auch für Verträge im Familien-, Erb- und Gesellschaftsrecht.

      Des Weiteren verwendet der Gesetzgeber oftmals die Verweisungstechnik, indem er in einer Rechtsvorschrift auf die Voraussetzungen bzw. Rechtsfolgen einer anderen Norm verweist. Dies dient ebenfalls der Gesetzesökonomie.

      Beispiel

      •§ 437 BGB (bitte lesen – wenngleich bei erster Lektüre kaum verständlich). Die Rechte des Käufers bei Mängeln der Kaufsache (Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz) ergeben sich also nicht aus der Anspruchsgrundlage des § 437 BGB selbst, sondern aus den zahlreichen Normen, auf die verwiesen wird (§§ 439, 440, 323, 326 Abs. 5, 441, 280, 281, 283, 311a, 284 BGB).

      1.4Stellung des Privatrechts in der Gesamtrechtsordnung

      Privatrecht und Öffentliches Recht

      Das Privatrecht ist nur ein Teil der Gesamtrechtsordnung in Deutschland. Es ist derjenige Teil, der die Rechtsbeziehungen von gleichgeordneten Rechtssubjekten zueinander regelt. Es bestimmt also darüber, wie und in welchem Verhältnis privatrechtliche Personen zueinander stehen und welche Rechte und Pflichten ihnen gegenseitig zugewiesen sind.

      Beispiel

      •Abschluss eines Kaufvertrags zwischen zwei Privatleuten.

      Das öffentliche Recht behandelt hingegen die Rechtsverhältnisse staatlicher Einrichtungen untereinander bzw. die Rechtsbeziehungen des Staates zum Bürger. Es wird also i. d. R. von einem Über-/Unterordnungsverhältnis geprägt.

      Beispiel

      •Erteilung einer Baugenehmigung durch die Baubehörde.

      1.5Prinzipien des Privatrechts

      Privatautonomie und Vertragsfreiheit

      Das Privatrecht basiert auf dem Grundsatz der Privatautonomie. Diese bedeutet die Freiheit des Einzelnen, seine Rechtsverhältnisse nach eigenem Willen gestalten zu können. Hierzu zählt die prinzipielle Freiheit, Verträge abzuschließen (Vertragsfreiheit) – und zwar mit wem man will (Abschlussfreiheit) und worüber man will (Inhaltsfreiheit).

      Nur ausnahmsweise beschränkt der Gesetzgeber die vertragliche Abschlussfreiheit. So gibt es vereinzelt bei marktbeherrschenden Anbietern im Bereich der Daseinsvorsorge einen sog. Kontrahierungszwang, durch den ein Unternehmen gesetzlich verpflichtet wird, mit potenziellen Kunden einen Vertrag abzuschließen.

      Beispiel

      •§ 36 Energiewirtschaftsgesetz für die Elektrizitäts- und Gasversorgung der Bevölkerung.

      Häufiger wird hingegen die Inhaltsfreiheit vom Gesetzgeber beschränkt. Insbesondere wird solchen Verträgen die Rechtsgültigkeit versagt, die gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) oder die guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB).

      Beispiele

      •Drogenkauf, Wucherzinsen.

      2.Bürgerliches Recht

      Aufbau des BGB

      Das Bürgerliche Recht nach dem BGB stellt den Kern des Privatrechts dar. Nahezu alle anderen Gebiete des Privatrechts schließen sich an das Bürgerliche Recht an und bauen auf dessen Grundregeln auf. Das BGB ist in fünf Bücher gegliedert: Allgemeiner Teil (1. Buch), Recht der Schuldverhältnisse (2. Buch), Sachenrecht (3. Buch), Familienrecht (4. Buch) und Erbrecht (5. Buch). Diese Rechtsgebiete werden im Folgenden in ihren Grundzügen handlungsorientiert dargestellt.

      2.1Allgemeiner Teil des BGB

      Im Allgemeinen Teil des BGB befinden sich v. a. Regelungen über Rechtsgeschäfte sowie zum Zustandekommen von Verträgen.

      

Handlungssituation (Fallbeispiel 1)

      Der 23-jährige Heinrich (H) möchte den Titel „Geprüfte/r Betriebswirt/in nach der Handwerksordnung“ erlangen. Zu Beginn seiner Fortbildung überlegt er, sich die erforderlichen Lehrbücher aus dem Verlag „Handwerkswissen“ anzuschaffen. H füllt deshalb schon einmal die Bestellpostkarte des Verlags aus, wartet aber noch mit dem Absenden, da er erst seine Eltern fragen will, ob sie eventuell einen Teil der Kosten übernehmen. Sein WG-Mitbewohner sieht die Karte auf dem Küchentisch liegen, will H einen Gefallen tun und schickt sie ab.

      Muss H die vom Verlag „Handwerkswissen“ angelieferten Bücher abnehmen und bezahlen? (Lösung Seite 23)

      2.1.1Das Rechtsgeschäft

      Rechtsgeschäfte und Willenserklärungen

      Eine privatrechtliche Person gestaltet ihre Rechtsbeziehungen zu anderen Privatrechtssubjekten durch sog. Rechtsgeschäfte. Rechtsgeschäfte können einseitig (z. B. Testament, Kündigung), aber auch mehrseitig (v. a. Verträge) sein. Die Basis eines Rechtsgeschäfts ist in jedem Fall eine sog. Willenserklärung. Hierunter versteht man eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges gerichtet ist.

      2.1.2Elemente einer Willenserklärung

      Tatbestand einer Willenserklärung

      Eine Willenserklärung setzt sich aus einem äußeren (objektiven) Tatbestand und einem inneren (subjektiven) Tatbestand zusammen. Der objektive Tatbestand der Willenserklärung ist das Kundtun einer Erklärung nach außen. Diese erfolgt im Idealfall ausdrücklich und damit eindeutig.

      Beispiel: „Hiermit mache ich Ihnen den Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags.“

      Ebenso rechtswirksam wie eine ausdrückliche ist aber auch eine nur durch schlüssiges Verhalten (konkludent) abgegebene Willenserklärung.

      Beispiel: Zeigen mit dem Finger auf einen Gegenstand, Nicken mit dem Kopf.

      Bei Unklarheiten, wie eine konkludent abgegebene Erklärung zu verstehen ist, kommt es für die Auslegung grundsätzlich nicht auf den inneren Willen des Erklärenden, sondern auf den objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der jeweiligen Verkehrssitten an (§§ 133, 157 BGB). Dies dient der Rechtssicherheit und damit dem Schutz des Rechtsverkehrs.

      Beispiel: Das Heben der Hand bedeutet nach der Verkehrssitte bei einer Versteigerung die Abgabe eines Vertragsangebots. Dies gilt auch dann, wenn der Betroffene nur seinem Freund zuwinken wollte („Trierer Weinversteigerungsfall“, siehe unten).

      Bloßes Schweigen hat i. d. R. keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert. Etwas anderes gilt nur, wenn Abweichendes vereinbart wurde (Vertragsfreiheit), eine gesetzlicher Ausnahmefall greift (z. B. § 108 Abs. 2 S. 2 BGB) oder eine Sonderregelung des Handelsrechts einschlägig ist (z. B. § 346 HGB beim sog. Kaufmännischen Bestätigungsschreiben).

      Der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung meint das Wollen der Erklärung. Notwendiger subjektiver Bestandteil einer Willenserklärung ist aber nur der Handlungswille. Hierunter versteht man den Willen, überhaupt etwas bewusst zu machen. Der Handlungswille fehlt z. B. bei Erklärungen unter Hypnose. Mangelt es hingegen