Allerhöchstens Trockenfleisch.
Es gab auch noch keine Vakuumverpackungen, Konservendosen, Kühlschränke oder Tiefkühltruhen, und so nimmt es nicht wunder, dass dieser Umstand in den Zehn Geboten des Herrn Berücksichtigung findet, heißt es doch hier wörtlich:
Und wenn ihr dem Herrn wollt ein Dankopfer tun,
so sollt ihr es opfern, dass es ihm gefallen könne.
Ihr sollt es desselben Tages essen,
da ihr’s opfert und des anderen Tages;
was aber auf den dritten Tag übrigbleibt,
soll man mit Feuer verbrennen.9
Achtung, jetzt wird’s interessant:
Wird aber jemand
am dritten Tag davon essen,
so ist er ein Gräuel,
und wird nicht angenehm sein.10
Gott hätte auch sagen können: So wird es ihm ein Gräuel sein und nicht mit Annehmlichkeiten verbunden. Nämlich was Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit, Brechattacken und andere unschöne Symptome betrifft.
Klar, eine Eiweißvergiftung wäre wohl das Mindeste gewesen, und dass es sich bei den Opfergaben im Wesentlichen um Fleischernes gehandelt haben dürfte, welches ja bekanntermaßen schneller als vegetarische Kost zum Verderben neigt, wird einem jeden klar, der sich den Grund für Abels Tod ins Gedächtnis ruft:
Es begab sich aber nach etlicher Zeit,
dass Kain dem Herrn Opfer brachte
von den Früchten der Feldes
und Abel brachte auch von den Erstlingen
seiner Herde und von ihrem Fett.
Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer,
aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an (…).11
Da erschlug Kain seinen Bruder wenig später aus Wut und Zorn. Und das war beileibe kein Handeln im Affekt, sondern geschah aus niederen Beweggründen!
Der Herr dürfte also, sofern er nicht inzwischen mit der Zeit geht, kaum Vorlieben für Vegetarisches haben, was nicht verwundert, wenn man sich ihn als „Mann“ denkt. Das wieder nur am Rande.
Worauf ich nun eigentlich hinaus will: Marco konnte problemlos einen nach vier Tagen trotz ununterbrochener Kühlung unangenehm riechenden, an der Oberfläche schon leicht schmierigen Hackbraten oder eine ganze säuerlich-süße, bereits in alkoholische Gärung übergegangene Ananas oder Melone verdrücken, ohne befürchten zu müssen, spätestens eine halbe Stunde danach von Krämpfen geschüttelt zu werden, im Gesicht blass-grün anzulaufen, Herpes zu bekommen und stundenlang das Klo mit einem Eimer zwischen den Knien zu blockieren, wie es mir an seiner Stelle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegangen wäre, sofern ich nicht gleich das Zeitliche gesegnet hätte.
Einerseits bewunderte ich ihn ob dieser seiner Veranlagung – wie einen die Fähigkeit eines Typen fasziniert, mit nacktem, mehlbestäubtem Hintern vor laufender Kamera eine Melodie furzen zu können, ohne dass man selbst mit derartigem Talent gesegnet und öffentlich zur Schau gestellt sein möchte –, andererseits riefen sie Mordgelüste in mir wach, wenn sich nach dem Genuss solcher „Delikatessen“ zu nachtschlafender Zeit öfter als üblich seine Bettdecke hob.
Ich bin heilfroh, einen gewissen Geschmack zu besitzen und nicht alles wahllos in mich hinein schaufeln zu können oder zu wollen. Man hat als Frau schließlich Stil, nicht wahr? Marco sprach mir selbigen allerdings ab, denn wenn ich wirklich einmal sein seltsames, um nicht zu sagen abartiges Essverhalten zum Thema machte, unterbrach er jegliche meiner weiteren Argumentationen regelmäßig mit der weit hergeholten, ja geradezu provokativen Frage: „Und was ist mit deiner Vorliebe für Hamburger?“
Ich weiß bis zum heutigen Tage nicht, wieso er gerade diese ins Spiel brachte. Ich habe noch nie einen Burger bei Mc-Soundso oder Hast-du-nicht-gesehen-King verdrückt, der einen Verwesungsgeruch wie ein drei Wochen lang vor sich hin gammelnder Wildschweinkadaver verbreitet hätte.
Merkwürdigerweise sind es gerade die als Gourmets verschrieenen Franzosen, die „gut abgehangenes Wildbret“ bevorzugen und die die stinkende, grünlich verfärbte Silberhaut der „gereiften“ Wildkeule als Hautgout∗ schätzen, welche man vor der Zubereitung maximal mit Wasser abspülen, doch des späteren „Wohlgeschmacks“ wegen keinesfalls entfernen sollte.
Aber es gibt ja auch in China glasige, wochenlang fermentierte Eier und in Schweden verfaulten Fisch in gewölbten Dosen, dem sogenannten „Surströmming“ (der Übersetzung nach eine Art saurer Hering, was in dem Fall so passend ist, als würde man sagen, Zitronen wären so etwas wie Mandarinen, nur herber im Geschmack). Jedenfalls duftet in Silos gereifte Silage dagegen wie Rosenöl. Ach ja, und da wäre dann noch der Eishai, den man gezielt verwesen lässt, und der ganze Heerscharen von Feinschmeckern in blankes Entzücken zu versetzen vermag, während sich die „Otto Normalverbraucher dieser Welt“, die neunundneunzigkommaneun Prozent der Menschheit ausmachen dürften, beim bloßen Geruch – und das zehn Meter gegen den Wind – in Krämpfen winden und ihren Mageninhalt von sich geben, bis ihnen die Tränen in den Augen stehen. Genug der „lukullischen“ Beispiele!
Angesichts dieser Veranlagung frage ich mich, ob die Männer vielleicht zu einem gewissen Grade selbst für die schleichende Verkümmerung ihres Y-Chromosoms verantwortlich zeichnen?!
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