sich dieses Nischenthemas zu nähern, weil die Duplizität der Schicksale, Geschichten und Wahrnehmungen jener Zeit in so vielen anderen deutschen Regionen, natürlich auch solchen in Polen, Österreich, der Schweiz, Holland, Dänemark oder Italien, nach Erinnerung ruft.
Keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine zur Anregung für weiteres Eintauchen in die Geschichte dienenden Schrift als Erzählsachbuch, ergänzt die zahlreichen Publikationen des Autors, die allesamt das Thema „Unter Napoleons Fahnen“ beinhalten. Die Hamburger kamen ins Visier der Betrachtungen der Verfassers der vorliegenden Schrift, als er die Geschichte der Mecklenburger geschrieben hat. Man wird sehen, dass es da Anknüpfungspunkte gibt.
Zurück zu den Quellen, zu dem, worauf dieses Büchlein aufbaut. Es ist sehr wenig vorhanden, was Stoff bietet, aber 1912 hat Dr. Arthur Obst eine erste Abhandlung über die Infanteristen aus Hamburg verfasst. Dort sind einige Briefausschnitte enthalten, die subjektive Wahrnehmungen von Hamburger Soldaten widerspiegeln. Ein Fachartikel von Friedrich Schmidt aus dem Jahr 1958 basierte auf einem wahrscheinlich ziemlich umfangreichen Aktenstudium von den Dingen, die er in Archiven finden konnte. Leider ist nur ganz wenig Verwertbares aus der Memoirenliteratur zu finden. Dies hängt damit zusammen, wie die Veteranen oder deren Nachkommen sich in den Jahren nach der Niederlage Napoleons zusammen fanden und welche Möglichkeiten es gab, sich zu seiner Vergangenheit zu stellen. Da gibt es im süddeutschen Raum, aber auch in Sachsen und in einigen deutschen Kleinstaaten jener Zeit einiges mehr, weil es dort in der Biedermeierzeit eine regelrechte Erinnerungskultur gab. In Hamburg gab es da weniger Enthusiasten. Glücklicherweise ließ ein Hamburger auf eigenen Kosten vor etwa 60 Jahren die schriftlich erhaltenen Notizen seines Urgroßvaters als limitierte Auflage in Buchform herausgeben. Der Lanzenreiter Cordes hat detailliert und lesenswert seine Erlebnisse hinterlassen. Diese sollen hier als wichtige Quelle mit eingearbeitet werden. Erinnerungen anderer Nicht-Hamburger, die aber mit Schicksalen der Hansestädter verbunden waren, gibt es ein paar. Graf von Wedel wird hier, trotzdem dass er gebürtiger Preuße war, seine Erinnerungen mit einbringen.
Ich widme dieses Buch allen Hamburg-Interessierten und genauso denen, die sich mit der Napoleonischen Zeit in welcher Form auch immer beschäftigen.
2. HAMBURG – HISTORISCHE EINORDNUNG
Nach der französischen Revolution geriet die alte Welt aus den Fugen. Das betraf zunächst Frankreich selbst, das aus einem Königreich zur Republik wurde und dann trotzdem einen Kaiser bekam. In der Auseinandersetzung mit den feudalaristokratischen Mächten Österreich und Preußen und deren Verbündeten gab es immer wieder Kriege, die zunächst Frankreich um seine Existenz fürchten ließen. Dann kam der scheinbar unbezwingbare Napoleon und diktierte Europa sein durchaus fortschrittliches Weltbild. Tatsächlich schien er es nach dem Sieg gegen Österreich 1809 geschafft zu haben. Eines blieb ihm aber verwehrt. Das war der Sieg über die historisch gesehene „fortschrittliche kapitalistische“ Konkurrenz aus Großbritannien. Da war kein Herankommen, selbst ein Bündnis mit Russland und eine abgestimmte Kontinentalsperre halfen nichts. Als die Zeit keine brauchbaren Ergebnisse in diesem Konkurrenzkampf brachte, sah sich Russland, selbst leidend unter den eingeschränkten Handelsmöglichkeiten über die Meere, nicht mehr ganz so eng an die Verträge mit Frankreich gebunden und brach diese Absprachen schlichtweg. Das Napoleonische Frankreich, dem Grunde mittlerweile Gebieter über ganz Kontinental-Europa, sah sich stark genug, diese Uneinigkeit mit den Russen militärisch zu beenden. Obwohl alles gut vorbereitet und ein modernes Heer wie noch nie vorher in der Geschichte aufgestellt war, hatten sich die Strategen verrechnet. Der Russlandfeldzug geriet zum Desaster und wurde zum Anfang vom Ende der Herrschaft Napoleons.
Hamburg rühmte sich um 1800 als neutrale, wohlhabende und offene Handelsstadt, sich aus den Auseinandersetzungen der Großmächte heraushalten zu können. Demonstrativ wurden die alten Festungsanlagen geschliffen und der Schwerpunkt auf Handel und Wandel verstärkt. Dagmar Seifert formulierte hintersinnig: „Die Bronzekanonen werden eingeschmolzen, das Material verkauft, Brustwehren und Außenwerke abgebaut. Noch viel friedfertiger wirkt das Ganze, als 1805 der Bremer Kunstgärtner Altmann beginnt, die tiefer gelegten Wälle ganz reizend mit Rasen und Blumen zu bepflanzen. Dumm nur; noch bevor Hamburg mit seiner gelassenen Neutralitätsdemonstration ganz fertig geworden ist – wird es von Napoleons Truppen besetzt.“
Wie eingangs erwähnt, Hamburg war nie unbedeutend und konnte sich auch nicht aus den Machtkämpfen heraushalten. Da das alte Preußen 1806 ohne eine Chance zu haben den Franzosen unterlag, fiel ganz Deutschland in den Einzugsbereich des gallischen Hahnes. Innerhalb weniger Monate verschwanden viele deutsche Länder, neue französische, aber auch deutsche Territorialgebilde entstanden. Selbst Königreiche wurden aus der Taufe gehoben. Hamburg blieb freie Hansestadt, allerdings unter französischer Besetzung. Hamburg als zweitwichtigster Hafen Europas litt allerdings seit 1806 an der Kontinentalsperre, weil durch die Unterbindung des Handels mit den Engländern nahezu die gesamten Kapazitäten an Reedern, Händlern und allen dazugehörigen Gewerken überflüssig war. Über 300 große Segler lagen abgetakelt und nutzlos im Hafen. Diese trostlose Zeit hat sich im Gedächtnis der Stadt tief verwurzelt. Es kam für die traditionell denkenden Hansestädter noch schlimmer, weil mit der Gründung des Département des Bouches de l’Elbe, zu deutsch Departement der Elbmündung oder Hanseatische Departements genannt, die ehemalige Hansestadt Hamburg Teil des ersten Französischen Kaiserreichs wurde. Das entsprechende Dekret datierte vom 18. Dezember 1810. Das Departement umfasste die Territorien der Freien und Hansestädte Hamburg und Lübeck. Dazu kamen das Herzogtum Lauenburg und Teile des Herzogtums Bremen und des Fürstentums Lüneburg. Mit der neuen französischen Bezeichnung als Hambourg wurde die damals über 100.000 Einwohner große Metropole Hauptstadt des neuen Departements. Hamburg wurde in sechs Stadtkantone, durchnummeriert von 1 bis 6, sowie drei Landkantone, Hamm, Bergedorf, Wilhelmsburg, unterteilt. Hinsichtlich der Verwaltung gab es in Hamburg genau wie in Lübeck und Bremen eine Zäsur. Die Ratsverfassungen und somit die Senate wurden Anfang 1811 aufgehoben, an Stelle der Bürgerschaft wurde ein Munizipalrat eingesetzt. Zum Bürgermeister, mit französischer Bezeichnung Maire, wurde Amandus Augustus Abendroth berufen. Exekutive und Judikative wurden nach bürgerlichem Verständnis getrennt und der Code Civil gab den rechtlichen Rahmen. So war Hamburg im Umbruch, zumindest bis zum Februar 1813.
3. HAMBURGS SOLDATEN
Als Freie und Hansestadt war Hamburgs Selbstverständnis gegenüber dem Militär eher ablehnend geprägt, dies insbesondere wegen der Sozialstruktur der Mannschaften, die sich zum überwiegenden Teil aus entwurzelten Existenzen zusammensetzten. Das passte weniger in die wohlhabende und kulturell geprägte Umgebung. Aus rein praktischen Erwägungen heraus musste trotzdem eine bewaffnete Formation die Stadt schützen können. Da die Hansestadt seit dem Ende des 13. Jahrhunderts die Wehrhoheit besaß, spielten andernorts verfolgte Zwecke der Volksbewaffnung keine Rolle, wie zum Beispiel die Absicht, den Fürsten außenpolitisch kein Mittel zur Verfolgung von Machtansprüchen in die Hand zu geben. Aber auch die Hamburger schätzten es, mit dem Bürgermilitär eine Truppe zu haben, die nicht ohne weiteres vom Senat gegen die Bürger eingesetzt werden konnte.
Die Stadtsoldaten versahen ihren Dienst und waren als Bürgerwache, als städtisches Bürgeraufgebot Hamburgs, bekannt, aber eher nicht beliebt. Sie hatten eine Dienstzeit von vier Jahren und gingen alle drei Tage auf Wache. Deren Offiziere waren Hamburger und entstammten der Mittelschicht und dem Kleinbürgertum. Das Hamburger Stadtmilitär hatte um die 2000 Soldaten. Die meisten von ihnen waren angeworbene Söldner, die aber nicht kaserniert untergebracht waren. Hauptsächlich dienten die Soldaten als Grenadiere. Das war ein Regiment Infanterie mit 39 Offizieren und 1799 Unteroffizieren und Gemeinen. Dazu kamen eine Schwadron berittene Dragoner und Artilleristen mit einer Kompanie. Die Uniformen hatten noch den friderizianischen Stil. Die Hüte waren dreieckig, die Waffenröcke waren rot mit hellblauen Rabatten. Das Lederzeug war weiß.
Eine Episode während der Zeit, als Hamburg bereits französisch besetzt war, ließ jene Soldaten einmal in einem guten Licht erscheinen. Die Bürgerwehr brauchte wegen der Präsenz der Fremdtruppen den vorher üblichen Wachdienst im Stadtgebiet nicht mehr auszuüben. 1809 reichte allerdings die Zahl der Franzosen unter