den Feminismus
5. Aufstand gegen die Muttermilch. Élisabeth Badinter bekämpft den Naturalismus
7. Romanistik im Dialog? Plädoyer für eine gegenderte Geschichte der romanischen Literaturen
Einleitung
Der vorliegende Band versammelt eine Auswahl von Texten, die in den letzten 25 Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten über Simone de Beauvoir und den – vor allem französischen – Feminismus entstanden und in Zeitschriften, Sammelbänden, Kolloquiumsakten, aber auch in Zeitungen veröffentlicht wurden. Das Ensemble bekennt sich zu seiner Hybridität. Neben akademischen Arbeiten, die ihre Thesen so weit wie möglich objektiv-neutral formulieren und präzise belegen, finden sich eher locker verfasste Feuilletontexte, meistens aus der Neuen Zürcher Zeitung, die die Doppelfunktion der Wissenschaftlerin und der kritischen Intellektuellen illustrieren, die Stellung bezieht. Die Texte verhehlen nicht ihre Verankerung in einem bestimmten zeitlichen Horizont; sie wurden kaum verändert in die Buchausgabe aufgenommen und nur hin und wieder durch zusätzliche Anmerkungen ergänzt, wodurch sie ihre je eigene Architektur behalten, aber auch nicht frei von Redundanzen sind. Ihre unterschiedliche Länge ist kein Ausweis für die Bedeutung, die – etwa in den Buchbesprechungen – einer Veröffentlichung beigemessen wird. Zuweilen kann die Wertschätzung sogar umgekehrt proportional zur Länge des Artikels sein, was den aufmerksamen LeserInnen kaum entgehen wird. Statt eines homogenen Ganzen wird hier also eine Art Lesebuch vorgelegt. Jeder Text hat unabhängig von den anderen Bestand und kann je nach Lust und Interesse für die Lektüre herausgepickt werden.
Warum Beauvoir? Die Beschäftigung mit ihr hatte für mich zunächst rein utilitaristischen Charakter. Ich begann meine akademische Laufbahn mit einer Dissertation über Sartre: Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre war die Autobiografie Beauvoirs, die man auch als inoffizielle Biografie Sartres betrachten kann, fast die einzige Quelle, wenn man sich über Sartre informieren wollte. Beide interessierten mich danach zunehmend als Figuren, an denen sich die französischen Intellektuellen für ihre eigene Standortbestimmung abarbeiteten (und auch heute noch abarbeiten), per Identifikation oder, umgekehrt, durch ihre Benutzung als Prellböcke. Von diesem Interesse zeugen die beiden ältesten Texte dieser Sammlung, die der posthumen Rezeption Beauvoirs in der Pariser Presse gewidmet sind: die Analyse der Nachrufe 1986 und der Skandalrezeption von Beauvoirs Briefen an Sartre 1990, deren Kenntnisnahme bei ihren AnhängerInnen zu einer starken Ernüchterung führte.
Den Nachrufen sind die vier Rollen entnommen, die man dort Beauvoir zuschrieb: der Vorkämpferin des Feminismus, der Partnerin Sartres, der Linksintellektuellen und der Schriftstellerin, und zwar der Bedeutung nach in dieser Reihenfolge. Für die Würdigung, die zum 100. Geburtstag Beauvoirs in der Neuen Zürcher Zeitung im Januar 2008 erschien, habe ich sie wiederaufgenommen1 und danach gefragt, was man 22 Jahre später zu denselben Funktionen sagen konnte. Dieser Artikel wurde sozusagen programmatisch an den Anfang der Sammlung gestellt und die danach folgenden Beiträge wurden dementsprechend angeordnet, also weder nach der Lebenschronologie Beauvoirs noch nach dem Entstehungsdatum der Texte, wie man es vielleicht erwarten könnte.
Das Inhaltsverzeichnis lässt erkennen, dass ich mich am intensivsten mit der »Vorkämpferin des Feminismus« befasst habe. Als Mitglied eines Teams, das eine kritische Ausgabe von Sartres Theater erarbeitete, fiel mir auf, wie wenig editorisches Interesse Beauvoirs Anderes Geschlecht gefunden hatte, besaß das als Bibel des Feminismus geltende, quasi enzyklopädische Werk von ca. 1000 Seiten in der französischen Ausgabe doch nicht einmal ein Personenregister. Zum 50. Jahrestag des Erscheinens von Beauvoirs Buch im Jahre 1999 versuchte ich daher mit einem internationalen Kolloquium einen Appell für eine kritische Ausgabe zu lancieren. Was die Kenntnis dieser fundamentalen Untersuchung zur »Lage der Frau« (wie Beauvoir sie im Manuskript nennt) angeht, ging es mir zuvor wie den meisten. Ich kannte vor allem den berühmten Satz »Man wird nicht als Frau geboren …«, aber das Buch hatte ich nicht gelesen. Ich holte die Lektüre in einer über mehrere Semester laufenden Vorlesung über den französischen Feminismus auf einer Lehrstuhlvertretung gründlich nach und stellte das Ergebnis in einer gedrängten Darstellung an mehreren Universitäten vor. Ich denke, dass dieser Vortrag auch im Rahmen der vorliegenden Sammlung nützlich sein kann. Im Mai 1999 jährte sich auch zum 50. Mal der Skandal, den das vorveröffentlichte Kapitel über die »Sexuelle Initiation der Frau« in der französischen Presse erregte. Ein Pariser Geschichtsmagazin bat mich aus diesem Anlass um einen kurzen Beitrag, den ich später ausbaute und der zur Publikation einer Anthologie mit den Originalrezensionen führte. Die hier abgedruckte Version, die durch Überlegungen zum Stand des Feminismus in Deutschland erweitert wurde, habe ich im Oktober 1999 auf dem von Alice Schwarzer in Köln zum Jubiläum des Anderen Geschlechts organisierten Event vorgetragen. Schließlich bat man mich auf einem Freiburger Kolloquium 2010, das feministische Theorien Revue passieren ließ, um eine Einschätzung von Beauvoirs Werk sechzig Jahre später. Das Ergebnis befindet sich ebenfalls in diesem Reader.
Die Rolle Beauvoirs als »Partnerin Sartres« scheint heute vor allem zu interessieren, was man an den Titeln einschlägiger Monografien ablesen kann. Zum 100. Geburtstag Sartres 2005 lieferte ich dem schon genannten Geschichtsmagazin einen Beitrag zum »intellektuellen Paar des Jahrhunderts«, das für mindestens zwei Generationen Modellfunktion besaß, obwohl das Paar selbst diesen Anspruch nie gestellt hatte, bis der Mythos bei Erscheinen der posthumen Schriften zunehmend zu bröckeln begann. Ein weiterer Beitrag, der auf einen Vortrag anlässlich des 100. Geburtstags Beauvoirs 2008 in Tutzing zurückgeht, befasst sich mit ihrer Beteiligung an der Entstehung der Engagementtheorie, die Sartre jahrzehntelang eine weltweite Gefolgschaft einbrachte. Man muss nicht zur revisionistischen Richtung der Beauvoir-Forschung gehören, um festzustellen, dass Beauvoir in ihrer Autobiografie tatsächlich ihre Mitwirkung an der Entwicklung wichtiger Konzepte weniger betont hat, als es aus Sartres Kriegstagebuch und der nachgelassenen Korrespondenz hervorgeht.
Mit Beauvoirs Aktivität als Intellektueller, die nach dem Krieg zusammen mit Sartre weltweit Befreiungsbewegungen unterstützte, befasst sich nur ein Beitrag, der ihrer Haltung während der deutschen Besatzung gewidmet ist. Die Untersuchung legt nahe, dass sie den intellektuellen Widerstand in dieser Zeit weitgehend Sartre überließ und ihr Engagement nach dem Krieg auch und vor allem als nachträgliche Kompensationsleistung gesehen werden kann.
Zu der vierten Rolle – der der Schriftstellerin, die gerne unterschätzt wird – habe ich wenig beizutragen, es sei denn, meine Ausführungen zu Tagebuch und Korrespondenz, die allerdings nicht, wie im Falle Sartres, unter der Prämisse einer späteren Veröffentlichung abgefasst wurden. Mit dem nicht edierten Material verhält es sich vermutlich ähnlich: unter anderem 300 Briefe an die Mutter, die im April 2014 in Paris auf einer Versteigerung angeboten wurden, und 300 Briefe an Claude Lanzmann, deren Publikation sich Beauvoirs Rechtsnachfolgerin einstweilen mit guten Gründen widersetzt. Es liegen weiterhin umfangreiche, verschiedene Epochen abdeckende Tagebuch-Korpora vor, die von Sylvie Le Bon de Beauvoir in einer Sendung des französischen Fernsehens zum 100. Geburtstag Beauvoirs im Januar 2008 erwähnt wurden.
Den Abschluss des 1. Teils bilden zwei Buchkritiken, in denen ich paradigmatisch zwei Methodenansätze und zwei Haltungen zu Beauvoir und ihrem Werk einander gegenüberstelle. Wie andere Texte dieser Sammlung erschienen sie 2007 im französischen Original in Beauvoir dans tous ses états bei Tallandier in Paris. In ihrer Rezension mokierte sich die US-amerikanische Romanistin Elisabeth Ladenson