Zachary Comeaux

Feuer in der Prärie!


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Still die gleiche Behandlung bei einigen hier in Kirksville durchgeführt hat. Der Herr weiß, wir brauchen mehr Abstinenz. Das Trinken ruiniert so viele. Und es fängt damit an, dass sie es als Schmerzmittel nehmen, als hätten sie keine andere Wahl. Auf diese Weise geraten so viele da hinein.«

      Juliet lachte leise: »Ja, ja, dieser Still vollbringt schon Bemerkenswertes. Wenn ich nur an Shermans rechten Arm denke. Den konnte er ja kaum noch bewegen. Aber nach dem, was sie in der Klinik für ihn getan haben, wird er jetzt wieder kräftiger und er kann ihn wieder zum Arbeiten benutzen. Dann werden wir Gott sei Dank auch bald unsere Schulden begleichen können. War schon ihr Geld wert, die Behandlung.« –

      »Aha«, fuhr sie mit einem Blick in Susans Korb fort, »das ist also alles, was du heute eingekauft hast, Brot und Eier? Nachdem du so lange im Laden warst, dachte ich schon, du lässt sie eine ganze Kuh für dich schlachten.«

      »Na ja, du weißt doch, wie das ist«, erwiderte Susan etwas verlegen. »Ich bin der Witwe Stern begegnet und die redet doch so gern. Es tut ihr gut, weißt du, sie ist so allein, seit Jesse von uns gegangen ist. Und sie hat so viel durchgemacht. Wir sollten sie mal besuchen, vielleicht mal irgendwann nachmittags. Vielleicht bittet sie uns zum Tee rein. Es ist schon so lange her, dass ich Teetrinken war. Sie ist so anständig. Gut möglich, dass sie das freut. Ich werde sie beim Gottesdienst am Sonntag sehen; vielleicht kann ich andeuten, dass wir das gerne täten. Was meinst Du?«

      »Einverstanden«, stimmte Juliet zu, »aber lass uns jetzt gehen. Zuhause ist jemand, der sein Essen erwartet, und ich weiß noch gar nicht, was ich kochen soll.«

      »Guten Morgen, die Damen!« Bob Bowman lächelte unter seiner breiten Hutkrempe, als sie vor Bill Parkers Rasiergeschäft stehen blieben.

      »Guten Morgen Bob. Wie geht es Sally?«, fragte Juliet.

       »Sie hat sich prächtig erholt; sie wird wahrscheinlich am Sonntag in die Kirche gehen.«

       »Grüßt du sie bitte von uns?«

      »Ja bitte mach das für uns«, fügte Susan hinzu.

      Lange schaute Bob, während er darauf wartete, nach Fred Weber auf dem Friseurstuhl Platz nehmen zu können, hinüber zu dem geschäftigen Treiben am Bahnhof.

      »Kaum zu glauben«, sagte er, »wie sich diese Stadt in den letzten zehn Jahren herausgemacht ist. Und das alles wegen diesem Still und der Osteopathie. Schaut euch mal den Bahnhof an, die Hotels und die Mietställe. Mrs. Stow sagt, die Osteopathie breite sich aus wie Feuer in der Prärie. Ich glaube, das trifft es sehr gut.«

      Die Anwesenden nickten beifällig.

      »Ich hoffe nur, dass es wie Feuer einem guten Zweck dient und dass sich niemand verbrennt«, sagte Fred.

      Drüben sah Andrew Still in diesem Moment auf seine Uhr. Er stellte fest, dass es Zeit für sein Mittagessen mit Mary Elvira war und machte sich auf den Weg nach Hause. Seine Frau traf währenddessen letzte Vorkehrungen für die Mahlzeit.

       »Der Kuchen ist genügend ausgekühlt, man kann ihn essen. Das Brot für den Morgen sieht gut aus. Schau zu, dass du das Hühnchen fertigbrätst, damit das Essen bereit ist, wenn Pa kommt.«

      Blanche, die eben den Tisch deckte, nickte. Stolz sah Mary sich in der Küche um. Sie fühlte sich so glücklich. Nach Jahren voller Entbehrungen und Schwierigkeiten war aus Kirksville ein außergewöhnlicher Ort geworden. Ihr Mann hatte etwas aus sich gemacht, er war inzwischen anerkannt, hatte seinen Platz gefunden. Endlich ernteten sie nun den Lohn in Form stabiler Lebensumstände und eines bescheidenen Komforts. Besonders stolz war sie auf ihre Kinder, die auch an der Arbeit des Vaters teilhatten. Harry, Hermann, Charles und Blanche. Sie trauerte um Fred, der vor vier Jahren von ihnen gegangen war – was für ein tragischer Unfall, der eine so strahlend junge und liebenswerte Person aus dem Leben gerissen hatte!

      ABB. 07: FAMILIE STILL, CA. 1903.

      Obere Reihe (v. l. n. r): Blanche Still, »Mutter« Still, A. T. Still,

       Untere Reihe, (v. l. n. r): Herman Still, Harry Still, Charles Still

      ABB. 08: BLANCHE STILL, CA. 1890

      Die junge Blanche bereitete ihr wirklich Freude. Sie war eine so große Hilfe – manchmal allerdings auch ein Sorgenkind. Mutter Still geriet in einen wahren Konflikt, wenn sie daran dachte, dass sich ihre Tochter verheiraten und sie mit ihr dann eine Kameradin, Helferin und Geschäftspartnerin verlieren würde. Blanche war heiter, aber ein Schlingel und eine eigenwillige Persönlichkeit. Und ihre Mutter fragte sich besorgt, ob sie wohl jemals eine Beziehung mit dem richtigen Mann eingehen würde.

      Mary erinnerte sich, wie sie selbst damals den Passenden für sich gefunden hatte. Zunächst erschien er keineswegs allen ein guter Fang zu sein. Er war ein Mann aus dem Grenzland, ein Desperado, hauptsächlich damit beschäftigt, den jeweils folgenden Winter zu überleben.

      Gezwungenermaßen verfügten solche Männer jedoch über ein sehr vielseitiges Können. Drew war Erfinder, Farmer, Politiker und Staatsmann, ein aufstrebender Hausarzt. Obgleich er manchmal müde und ausgezehrt wirkte, war er doch besessen von Idealen, die ihn antrieben, und von seiner Leidenschaft, Dinge ins rechte Lot zu bringen. Ein Jahr vor ihrer ersten Begegnung hatte ihn das Schicksal zum Witwer gemacht, der mit drei kleinen Kindern allein dastand. Intensiv suchte er nach einer besseren Art, zu leben, und nach einem besseren Weg, für Kranke zu sorgen. Meistens behandelte er Shawnees und seine Nachbarn, wobei er eine Mischung aus praktischer Medizin, Aderlass, Kräutermedizin und indianischen Praktiken verwendete.

      Manche hielten Abstand von diesem feurigen, irgendwie wahnsinnigen Burschen. Mary dagegen hatte gefunden, dass er eine Stufe höher stand als seinesgleichen und dass er, angesichts der Schwierigkeit, mit kleinen Kindern an der Hand eine neue Familie zu gründen, Hilfe verdiente.

      »Hallo, die Damen«, rief Drew als er die Gittertür aufstieß. Sie fiel hinter ihm ins Schloss.

      »Hallo Pa«, erwiderte Blanche.

      Still zog seinen Hut ab, als er eintrat, hängte seinen zerschlissenen Mantel an einen Haken hinter der Tür, stellte seinen Stock in die Ecke und zog seinen Stuhl heran, um sich an den Küchentisch zu setzen.

      »Pa, du brauchst einen neuen Mantel!«, rief Mutter Still.

      »Ja wirklich, Pa, du brauchst einen neuen Mantel! Der da entspricht nicht mehr der Mode, und auch nicht deiner Statur«, fügte Blanche hinzu.

       »Meine Damen, meine Damen. Zum zweitausendsten Male: Er steht mir. Er erfüllt seinen Zweck und macht eine Aussage über Redlichkeit und Funktion, was für mich wichtiger ist als Mode oder Statur.«

       »Wie auch immer, Pa, setzt dich erst gar nicht dorthin, das Essen ist fertig, komm rüber ins Esszimmer.«

      »Okay, wenn du das sagst. Ihr Mädels seid so pünktlich wie die Eisenbahn. Ich könnte meine Uhr nach euch stellen. Das sieht aber gut aus. Es macht einen Mann stolz, sich einfach so zu einem solchen Essen setzen zu dürfen. Danke euch beiden.«

      »So, Pa, wie war dein Morgen?«, fragte Mutter Still automatisch, aber doch interessiert, als sie die Speisen servierte.

       »Wie gewöhnlich. Inzwischen hab ich so viel gute Unterstützung beim Unterrichten, dass ich nicht mehr selbst den ganzen Tag im Klassenraum stehen muss, wie ich es sonst getan habe – aber ich vermisse das fast ein bisschen, wisst ihr. Ein wenig Mitspracherecht möchte ich doch noch behalten. Ich werde mir heute Nachmittag den Anatomieunterricht anschauen und sehen, wie Dr. Bolles mit der neuen Klasse zurechtkommt. Ich glaube, sie vertritt Dr. Smith recht gut.«

      Dann fiel Drew etwas ein.