und ihrer Ruhestätte, werden sie, wenn sie als vernünftige Menschen erscheinen wollen, nicht mit Erfolg in Abrede stellen können, dass das Abschneiden des Kopfes einer Leiche und das Aufwühlen der Beisetzungsstätte zu einem solchen Zwecke ein schwer beschimpfendes Gepräge hat. Jeder Mensch weiß das heute oder muss es wissen, und den Vampirjägern wird der ihnen obliegende Nachweis, aus einem unverschuldeten Irrtum das alles nicht gewusst zu haben, nicht gelingen, und sie müssen daher wegen vorsätzlicher Tat bestraft werden.
Auch Angst und Furcht vor einem Vampir vermögen vor dem Gesetz ihr Handeln nicht zu rechtfertigen. Wenn ein solcher Täter sich vor Gericht aber nicht als vernünftiger Mensch, sondern als unfähig erweisen sollte, das Unerlaubte und das Beschimpfende seiner Tat einzusehen, dann bleibt als Bestimmung des Strafgesetzbuches, auf die er sich berufen kann, nur der Paragraf 51 (heute § 20/21 StGB: Schuldunfahigkeit; M. B.). Ein Vampirwahnwitziger, der nicht fähig ist, das Unerlaubte seines Tuns einzusehen, befindet sich im Reich einer krankhaften Störung seiner Geistestätigkeit.
Wenn man bedenkt, wie viele Menschen Mitglied einer Kirche sind, „nur um auf Nummer sicher zu gehen“, wie viele Schutzengel-Figürchen in den letzten Jahren verkauft wurden, und wenn man weiß, dass Menschen sich immer noch durch Wunderheiler am Telefon gesund sprechen lassen und beim Anblick eines Schornsteinfegers ihren Blusen- oder Hemdenknopf drehen – dann fragt man sich doch, wie viel Wahnwitz nicht im Alltag und in den Köpfen von uns allen steckt und ob man Vampirjäger deswegen nicht einfach streng ermahnen, letztlich aber von dannen ziehen lassen sollte.
Mark Benecke
Vampire unter uns!
Vampire gibt es. Sie sind lebendig, sehen nicht schlecht aus und denken öfters an Blut und Hälse. Die älteren Semester sind verschattete Figuren oder Konzern-Chefs. Die jüngeren können hingegen sexy bis zum Anschlag sein. Eins haben sie alle gemeinsam: Es fehlt ihnen Energie. Und die müssen sie sich holen.
Am ehesten trifft man Vampire in Clubs. Dort müssen sie hin, denn sie sind auf der Suche nach donors – Donoren, Spendern, Energie-Reichen. Während der eine Vampir fantasiert, sich fremde Energie durch ein Loch in der Aura des Opfers zu saugen, mögen es andere handfester, das heißt blutiger. Da ein Menschen-Biss aber sehr schmerzhaft ist und ebenso tödliche Keime überträgt wie das Maul eines Löwen1, belassen es Profis beim blood exchange mittels Kanüle.2 Das Dumme am nadeligen Geschäft ist, dass die energiehungrige Person ihren Donor (auch Kitra oder Source genannt) zunächst einmal abschleppen muss. Dazu gehört Charisma – doch daran mangelt es den Gestalten der Nacht am wenigsten. Allerdings gilt, dass selbst steril gezapftes Blut nicht maßlos genossen werden soll. Um keine Krankheiten zu übertragen, soll der Vampir überdies in seinem feeding circle bleiben.3
Ausschweifender geht es bei den reinen Blut-Vergießern und -verschwendern zu, weil die Blood Player sich weder mittels Milliliter-Messungen noch medizinischem Murks zügeln müssen. Noch besser haben es vampirische Halb-Blute. Sie schmecken das begehrte Nass durch die unverletzte Haut ihrer Opfer hindurch und müssen daher weder Energie-Auren piercen noch zu Stich- oder Schneide-Werkzeugen greifen.4
Covens, Clubs und Clans
Natürlich treiben sich Vampire massenhaft im Netz herum, doch es gibt zumindest in Deutschland auch genügend schwarze Hangouts in großen und kleinen Städten, darunter Leipzig, Halle, Berlin, Köln, Neubrandenburg, Bremen, Salzwedel, Dortmund, Leverkusen, Hanau, Karlsruhe, Dortmund, Bochum und München. Natürlich ist nicht alles Vampir, was schwarz schimmert, aber im Crossover der schwarzen Kulturen wabert mehr, als es dem Betrachter scheint. Hinzu kommt, dass besonders psychische Vampire oft nichts von ihrer Neigung wissen.5 Sie sind dann einfach Nervensägen, Laberzecken, Depressive oder Groupies – Menschen also, die mehr nehmen, als sie geben. Die übrigen Vampire sind erweckt, das heißt, sie haben irgendwann bemerkt, dass ihr sich veränderndes Verhalten sie von den anderen Menschen isoliert (awakening).6
U.S.-amerikanische Vampire zieht es – schon wegen der enormen Prüderie außerhalb – fast nur in die Metropolen. Manhattan bietet dabei gegenüber dem Rest der USA zwei Vorteile. Erstens sind dort die Szene-Grenzen zu Gothic, Fetisch und S/M so fließend, dass sich kein Mensch wundert, einen Dandy in schwarzem Zylinderhut – natürlich mit abgespreiztem kleinen Finger und hoch gezogener Braue – neben einem soliden S/M-Spann-Rahmen stehen zu sehen.
Zweitens gibt es in Manhattan den Meat Packing District. Das immobilienmäßig recht unerschlossene Hafen- und Lager-Gebiet liegt am westlichen Ende der Zehnten Straße. In diesem verlassenen Viertel gab es bis vor kurzem noch große und dustere Räume für wenig Geld zu mieten. Die Blut-Fete zur Eröffnung des Filmes Blade7 könnte dort gedreht worden sein.8
Marschiert mensch vom Meat Packing District entlang der Zehnten Straße nach Osten, so kommt man zuerst an einer Kirche vorbei, die für ihre Bingo-Abende berühmt ist, dann an der Haupt-Strecke für aufgedonnerte Transen und zuletzt ins East Village, der einst weltweiten Zentrale für Hippies, Punks, Gothics und Kenner von Body Modifications.9 Dort befindet sich Halloween Adventures, eigentlich ein Masken- und Zauber-Laden. Der Chef hat dem Manhattener Sanguinarium eine eigene Verkaufs-Theke zur Verfügung gestellt. Dort vertickern die Vampire neben Effekt-Kontakt-Linsen und Zähnen des örtlichen family dentists auch vampirische Erkennungs-Zeichen, so genannte Sigils. Diese schmucken Stücke erlauben nicht nur die Identifizierung Gleichgesinnter im Tages-Licht, sondern vergünstigen manchmal auch den Eintritt zu einschlägigen Partys, meist um fünf Dollar.
Das Sigil zeigt an, zu welchem Clan der Träger/die Trägerin gehört. Es kann auch verraten, welchen Status der Träger/die Trägerin innehat. Ist beispielsweise die Delle im Bladed Ankh leer, hat Mensch einen Novizen vor sich. Ein eingeklebter roter Stein weist auf verfeinerte Erweckung und Einweisung hin.
Der in Clans gegossene Familien-Sinn der Manhattener Vampire ist übrigens nicht nur spirituell und Blut bringend, sondern auch eine soziale Notwendigkeit. Die meisten Jüngeren sind in Manhattan