Joachim Bräunig

Ein Fluch aus der Vergangenheit


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gegen vierundzwanzig Uhr gewesen sein. Hat ihre Frage mit den Bewegungen dieser utopisch anmutenden Leute an der Freitreppe zu tun?“, wollte der Bootsbesitzer wissen.

      „Ja.“

      „Wir helfen Ihnen gern, wenn wir können.“

      „Haben Sie heute Nacht Geräusche oder einen Streit an der Freitreppe gesehen oder gehört?“

      „Nein“, kam die schnelle Antwort.

      „Sind Sie sich sicher?“

      „Also, ich glaube, mir kam etwas seltsam vor“, sprach die Frau. „Ich habe heute Nacht, als ich vom Schnarchen meines Mannes aufwachte, einen Schrei gehört.“

      „Ich schnarche nicht“, erboste sich ihr Mann.

      „Nein, ich hatte nur Angst, du zersägst unser Boot“, lachte die Frau.

      „Erzählen Sie, was Sie gehört haben wollen“, forderte sie die Kommissarin auf.

      „Ich bildete mir ein, einen kurzen Schrei gehört zu haben. Es war nur ganz kurz, deshalb dachte ich, mich verhört zu haben, und bin danach gleich wieder eingeschlafen“, sprach die Frau.

      „Wann glauben Sie den Schrei gehört zu haben?“

      „Ich habe nicht auf die Uhr gesehen, aber ich schätze, es muss zwischen zwei und drei Uhr gewesen sein, denn wir waren noch nicht lange zu Bett gegangen, aber wie gesagt, ich möchte es nicht beschwören, es war nur ein Gefühl“, schloss die Frau ihre Aussage.

      Frau Meister verabschiedete sich von den Bootseigentümern und ging an Land, wo Hauptkommissar Klaus Ullmann bereits auf sie wartete. Sie ging auf ihn zu und fragte nach seinen Ermittlungsergebnissen bei den Besitzern des anderen Bootes.

      „Magere Ausbeute. Die Eltern und die Tochter wollen nichts gehört haben und ich glaube ihnen, denn ich musste sie wecken und alle waren sehr verschlafen. Sie hatten offensichtlich gestern Abend viel Alkohol zu sich genommen, denn auf dem Tisch stand eine ganze Batterie von Flaschen.“

      Die Kommissarin berichtete dem Hauptkommissar von der Befragung der anderen Bootsbesitzer und brachte zum Ausdruck, dass das Ergebnis sehr mager ist, da die Aussage der Frau bezüglich des angeblich gehörten Schreies sehr zweifelhaft und nicht nachzuvollziehen sei. „Ich schlage vor, wir fahren in die Dienststelle zurück. Im Augenblick denke ich, haben wir alles ermittelt. Ich werde eine Befragung der Anwohner der Umgebung veranlassen, möglicherweise bekommen wir neue Hinweise. Die Tatortumgebung haben wir uns gründlich angesehen und eingeprägt. Der Leichnam ist in die Pathologie gebracht worden.“

      In diesem Augenblick trat Herr Müller, der Chef der Spurensicherung, zu ihnen und sagte: „Ich werde jetzt mit meinen Leuten abziehen, für uns gibt es nichts mehr zu tun.“

      „Wart ihr erfolgreich?“

      „Kann ich nicht behaupten. Für den Augenblick gibt es keine konkreten Hinweise auf irgendwelche Täter oder einen einzelnen Täter. Das gesammelte Spurenmaterial ist sehr dürftig und wird noch genauer ausgewertet. Ich kann euch leider keinen weiterhelfenden Hinweis liefern“, schloss der Spurensicherer leicht verzweifelt.

      „Ich warte auf das Protokoll“, bat Ullmann.

      „Du bekommst es so schnell wie möglich, aber ich möchte mit meinen Mitarbeitern erst die vorhandene Täterkartei sichten, vielleicht ist ein Bekannter dabei“, sagte Müller und verabschiedete sich.

      „Der Getötete ist in Finowfurt zu Hause, deshalb erwarte ich nicht, dass die zukünftige Befragung der Anwohner verwertbare Ergebnisse bringt“, schloss Ullmann.

      Der Hauptkommissar ordnete in Übereinstimmung mit dem Chef der Spurensicherer an, die Absperrung am Tatort aufzuheben, und begab sich mit seiner Mitarbeiterin zu ihrem Dienstwagen.

      Der Hauptkommissar wollte sich mit Jana Schubert und dem Polizeipräsidenten über die weiteren Ermittlungsschritte abstimmen und die entsprechenden Maßnahmen festlegen. Beide saßen später im Dienstzimmer mit Jana und der Sekretärin, Frau Schneider, zusammen und Ullmann hatte sich bereits mit dem Präsidenten abgestimmt. Frau Schneider hatte ihren berühmten Kaffee für ihre Kollegen gebrüht und die Stimmung war angesichts des schrecklichen Verbrechens sehr gedrückt. Der Hauptkommissar wollte soeben mit der Dienstbesprechung beginnen, als an die Tür zum Sekretariat geklopft wurde. Der Kommissar rief mit lauter Stimme: „Herein.“ Ein junger Mann in Polizeiuniform betrat etwas schüchtern das Sekretariat der Mordkommission und blieb zurückhaltend stehen. „Sind sie Herr Philipp Schroeder?“, wurde er von Ullmann gefragt.

      „Ja“, kam es leise zurück.

      „Treten Sie ein und besorgen Sie sich einen Stuhl“, wurde er vom Hauptkommissar aufgefordert.

      Die Mitarbeiter der Mordkommission schauten sich verdutzt an und warfen ihrem Chef fragende Blicke zu. Der junge Mann wirkte leicht verunsichert, besorgte sich aus dem Sekretariat einen Stuhl und setzte sich an den Tisch der Mordkommission. Der Hauptkommissar schaute seine Mitarbeiter mit einem verhohlenen Lächeln an und begutachtete den eingetretenen jungen Mann. Er war mit seinem Auftreten zufrieden und der junge Mann erweckte bei ihm einen guten Eindruck. „Darf ich euch unseren neuen Mitarbeiter vorstellen?“, fragte er plötzlich und freute sich über die überraschten Gesichtausdrücke seiner Mitarbeiter.

      Jana Schubert und Hannelore Meister schauten leicht verdutzt zu dem jungen Mann und Frau Schneider sagte: „Da werde ich gleich noch einen Kaffee besorgen, Sie trinken doch sicherlich welchen?“ Sie schaute den Neuen mit fragendem und zugleich warmherzigem Blick an.

      „Gern, aber ich kann den Kaffee selbst besorgen“, kam die Antwort des Mannes.

      „Das gehört zu meinem Aufgabengebiet“, lächelte Frau Schneider Philipp Schroeder an und es war deutlich zu sehen, dass der junge Mann das Herz von Helga Schneider in Flug erobert hatte.

      Philipp Schroeder erweckte einen sehr aufgeschlossenen Eindruck und wirkte nicht überheblich. Er war fünfundzwanzig Jahre alt, 1,80 Meter groß und blauäugig, was ihm einen stets freudigen Ausdruck verlieh. Er hatte am Tisch Platz genommen und wartete auf seine Vorstellung durch seinen künftigen Vorgesetzten, der in diesem Augenblick das Wort ergriff und seine Mitarbeiter dabei aus den Augenwinkeln beobachtete.

      „Ihr seid sicherlich über die personelle Aufstockung unserer Abteilung überrascht, aber ich hielt es für nicht angebracht, euch vor dem Eintreffen unseres Neuzuganges zu informieren, da ich nicht sicher war, dass unser Polizeipräsident meinem Ersuchen nach einer Aufstockung der Mordkommission nachkommt. Gleichzeitig war mir der Zeitpunkt der Vergrößerung unserer Abteilung unbekannt und ich wollte keine unnützen Hoffnungen in euch wecken, dies hätte unserer Arbeit nicht gut getan. Ich freue mich, dass unser Präsident meinem Ansinnen verhältnismäßig schnell folgen konnte. Ich habe gestern Abend, nachdem mir das heutige Eintreffen unserer Verstärkung bekannt wurde, die Personalakte von Polizeianwärter Philipp Schroeder genauestens durchgelesen und muss gestehen, dass ich von dem Lebenslauf und den Zeugnissen sehr beeindruckt bin, und hoffe, dass diese Fakten in Zukunft bei der Erledigung unserer Dienstaufgaben nicht getäuscht haben. Herr Schroeder absolviert gegenwärtig die Schulung zum Polizeianwärter und hat die besten Noten der gesamten Klasse. Nach Befragung eines möglichen Praktikums in unserer Dienststelle willigte Herr Schroeder sofort ein, deshalb die schnelle Erfüllung meines Ersuchens. Ich hoffe, wir werden zukünftig gut zusammenarbeiten. Ich würde Sie jetzt bitten, sich in kurzen Worten Ihren neuen Mitarbeitern vorzustellen“, endete der Hauptkommissar.

      „Mein Name ist Philipp Schroeder. Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, habe das Abitur in Brandenburg abgelegt und mich danach sofort für den Polizeidienst entschieden. Seit drei Jahren absolviere ich das Studium an der Polizeischule. Ich bin nicht verheiratet und wohne noch bei meinen Eltern, die ein Eigenheim besitzen und daher genügend Raum für mich zur Verfügung haben. Ich freue mich sehr, in Ihrer Abteilung arbeiten zu dürfen, und werde mich bemühen, die Aufgaben nach bestem Ermessen zu erledigen, wobei ich sicher bin, dass ich von Ihnen sehr viel lernen kann. Das schulische Wissen ist die eine Seite, aber ich weiß, dass zwischen Theorie und Praxis eine große Lücke klaffen kann“, schloss Philipp Schroeder.

      „Danke,