Klaus Eulenberger

Rotz am Backen, Scheiß am Been - ach wie ist das Läähm scheen


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habt da doch mehr Übung, sei so gut und gieße die Gläser voll, vielen Dank.“

      Johann stand ruhig auf, ging ringsherum von Glas zu Glas und führte die Aktion ruhig und souverän aus.

      Nun war dies endlich vollbracht und Oma erhob ihr Glas: „Also, eehm, iihm“, stolperte sie sprachlich ein wenig, was man von ihr kaum kannte. „Hiermit möchte ich unsere neuen Arbeiter Marcel, Johann und …“, leise sagte sie, „die zwei Russen – Gretel hilf mir mal, wie heißen die doch gleich?“

      „Natascha und Nikolai.“

      „… also Tascha und Nikolai herzlich auf unserem Gut begrüßen. Ich wünsche Ihnen, dass sie, nachdem sie aus ihrem Zu Hause mit ihren Familien herausgerissen wurden, bei uns rasch heimisch werden. Wir werden uns, so denke ich, miteinander, bemühen, dass wir uns alle gut verstehen und vor allem, dass die notwendigen Arbeiten, die auf unserem Bauerngut geleistet werden müssen, auch gut geschafft werden. Es ist ja bei uns der Zustand, dass Opa auch nicht mehr der Jüngste ist, der Hannes ist vollkommen überfordert und brüllt ständig nur herum, und beide die Arbeiten schon längst nicht mehr schaffen. Was ich mitbekommen habe, sie sind alle vom Land und erfahren in der Tierzucht und bei der Bodenbearbeitung. Das ist sehr gut so. Also, viel Erfolg wünsche ich uns allen.“

      Alle, auch die Kriegsgefangenen, hatten Oma aufmerksam angeschaut. Verstanden hatten die Kriegsgefangenen unter Garantie nichts, höchstens ein paar Fetzen. Plötzlich setzte Oma noch einmal an: „Was ich Ihnen Kriegsgefangenen noch sagen wollte: Sind Sie nicht allzu traurig, dass Sie von zu Hause weg mussten. Sie sollen doch hier nur eine Zeit lang arbeiten, bis der Krieg gewonnen …, ich meine bis der Krieg beendet ist. Dann können Sie wieder nach Hause zu Ihren Familien und in Ihre Heimat. Prost.“

      Da niemand gleich reagierte, rief sie noch einmal: „Allerseits zum Wohl.“

      Opa, Friedel, Mama und all die anderen riefen ebenfalls überlaut: „Prost, Prost.“

      Ich schaute auf Johann. Er hob sein winziges Glas hoch und sagte leise „Prost“, Marcel sagte wie üblich nichts, auch Natascha blieb ruhig, nur Nikolai rief: „Na starowje.“

      „So, nun erhalten unsere zusätzlichen Leute die Zuweisung für ihre Betten, bzw. wo sie schlafen. Gretel, Friedel und Erika, ihr drei begleitet jetzt die Neuen auf ihre Zimmer und bereitet alles mit Betten, Liegen und Decken entsprechend vor. Wo ist denn überhaupt die Tante Marie, die könnte doch schön mithelfen?“

      „Mutti, du weißt doch, dass sie mit Grippe im Bett liegt. Das mit den Zimmern, Betten und Liegen ist leicht gesagt von dir, aber wie soll denn die Zuordnung sein? Außerdem scheinen unsere Zimmer nicht zu langen. Decken und Betten fehlen auch. Nikolai und Natascha können auf keinen Fall in einem Zimmer schlafen“, entgegnete meine Mama.

      „Naja, das weiß ich selbst, dass wir die beiden trennen müssen. Johann und Marcel bekommen das Zimmer im ersten Stock am Gangende zum Eingangstor, dort sind sogar zwei Betten drin. Nikolai kann in dem Zimmer im ersten Stock neben der Toilette schlafen. Da müssen wir aber noch eine Liege und Decken besorgen. Für Natascha“, murmelte sie, „da müssen wir uns noch etwas einfallen lassen.“

      Sie erhielt eine Zuweisung in eine Besenkammer, welche von den drei Frauen ausgeräumt werden sollte. Außerdem sollte noch eine Liege von der Stube hochgeschafft werden. „Na endlich, so geht es doch“, triumphierte Oma.

      Da sagte Johann plötzlich leise, aber bestimmt: „Waschen, sauber sein, langer Tag.“

      „Ich zeige es dir, Johann, komm mal mit“, schaltete sich meine Mutter ein. Sie gab Johann in der Küche einen Waschzuber und zeigte auf einen großen Bottich mit warmem Wasser, welcher auf dem Kachelofen stand. Johann musste nur auf die Ofenbank treten, um die Höhe des Waschbottichs zu erreichen. Er füllte das gut temperierte Wasser ein in den Zuber und schleppte ihn gemeinsam mit Marcel in den Kuhstall, der nur durch eine Tür von der Küche getrennt war. Mama flitzte davon, kam mit zwei großen Badetüchern zurück, die sie nebst Seife und Bürste den beiden in den Kuhstall nachbrachte.

      „Aber Johann, ihr sollt Euch doch in der Küche waschen. Das machen wir doch immer so und da ist es viel wärmer und sauberer für euch.“

      Nun schien alles für nächtliche Ruhe erbracht worden zu sein. Lothar und ich kamen nun an die Reihe. Es war das übliche Gezerre zwischen uns, wer zuerst an die Waschschüssel heran durfte. Nach all den vielen neuen Eindrücken mit den vier neuen Arbeitskräften waren wir aber versöhnlich gestimmt und langten parallel in die Schüssel, wenn wir uns auch teilweise behinderten und vollspritzten. Lothar wollte sich nie die Zähne richtig putzen, was mir überhaupt nicht in den Kopf ging. Ich rumpelte gern und lange mit der Zahnbürste auf meinen restlichen Milchzähnen herum und erhielt prompt auch jedes Mal von Tante Friedel und Mama ein Lob. Nun war bald Ruhe. Friedel und Mama schafften Lothar und mich ins Bett. Mama musste sich immer zu mir aufs Bett setzen und mir eine Geschichte erzählen. Da sie aber oft nicht wusste, was sie erzählen sollte, berichtete sie davon, was sie in der Gemeinde getan hatte und wie alles denn so lief. Ich fragte immer so lange, bis ich einschlief.

      Aktuell und aufregend für mich war natürlich, dass wir die vier neuen Leute, die Kriegsgefangenen bei uns hatten. Also fragte ich neugierig: „Mutti, wieso kommen denn die vier neuen Leute hierher? Haben die sich bei uns beworben? Die kommen ja von so weit her, woher kommen sie denn eigentlich?“

      „Ach du, kleiner Klausmann, du hast ja wieder hundert Fragen. Also, beworben haben sich die vier auf gar keinen Fall. Das Gegenteil ist der Fall, sie wurden gezwungen, hierher zu kommen und für uns zu arbeiten.“

      „Das glaube ich nicht Mama, dem Johann gefällt es doch so gut bei uns und er ist immer so freundlich zu mir.“

      „Wenn du alles wüsstest, mein kleiner Junge“, sagte sie ahnungsschwer.

      „Warum seufzt du denn so, Mama? Außerdem, ich bin schon ein großer Junge, kann gut Zähne putzen und neben Johann sitzen.“

      „Ja, ja, sicher, nun erzähle ich dir einmal, wie es dazu kam. Danach musst du aber gleich schlafen, es ist schon sehr spät. Bei uns in der Gemeinde gehen immer Schreiben vom Kreisamt Freiberg ein, wo Festlegungen drin stehen, was die Bauern anzupflanzen haben, wie viel sie an den Staat abgeben müssen und so weiter und so fort. Vor kurzem kam ein Schreiben von der NSDAP. Darin stand …“

      „Mama was ist denn DP?“

      „Klausmann, jetzt hörst du einmal durchgängig zu und fragst nicht immer dazwischen. Sonst kommen wir überhaupt nicht weiter. Die NSDAP ist die führende Partei in Deutschland, die alles festlegt und regelt – sie heißt Nationalsozialistische Partei Deutschlands. Diese hat festgelegt, dass Arbeiter aus den von Deutschland besetzten Ländern zu uns kommen, um das Land in dieser schweren Zeit des Krieges zu unterstützen.“

      „Aber Mama, wenn die Arbeiter aus diesen Ländern wegmüssen, dann können sie doch dort nicht Felder bebauen, Getreide ernten und Tiere züchten. Da haben ja dann die Kinder in diesen Ländern da nichts zu essen.“

      „Ja, du hast nicht ganz unrecht, aber es ist eben so, dass die Partei dies für Deutschland festlegt und das, was sie festlegt, ist gut für die Menschheit und dient uns allen. Unsere BdM-Leiterin erläuterte uns das immer und immer wieder, dass es um die Zukunft und die Sicherheit Deutschlands geht.“

      „Mama, wie war denn das nun mit dem Herbringen der Arbeiter? Mussten sie hierher laufen?“

      „Nein, sie kamen alle mit dem Zug. Wir bekommen in der Gemeinde immer Schreiben, welche Züge mit welchen Arbeitern und aus welchen Ländern bei uns eintreffen. Für Arbeitskräfte müssen sich die Bauern oder Betriebe bewerben. Dies wird dann von uns eingeschickt, geprüft und eventuell bestätigt. Bei uns tut das der Ortsgruppenleiter in Verbindung mit dem Bürgermeister. Für unser Gut hatte ich mich um drei Arbeitskräfte beworben. Vorgestern kam zehn Uhr auf dem Hauptbahnhof in Freiberg ein Zug aus dem Westen an, eine halbe Stunde später kam ein Zug aus dem Osten. Aus dem ersten wählte ich Johann und Marcel aus und aus dem zweiten Natascha und Nikolai.“

      „Wieso hast du denn gewusst, dass es für uns die richtigen Leute sind?“

      „Jeder