dass auch Tiere unter seiner Barmherzigkeit stünden. – Und er wies seine Dienerin an, die Mäusebrut wieder ins Haus zurückzubringen.
Im Himmel, so schließt diese Erzählung aus dem Jiddischen, sprach man jetzt ein Wort des Erbarmens: Weil der Rabbi Mitleid hatte mit den jungen Mäusen, sollte auch er Erbarmen finden – und von Stund an hatte er keine Schmerzen mehr!
Das Baby und die Haus-Unke
Es war einmal ein kleines Kind, dem gab seine Mutter jeden Mittag ein Schüsselchen mit Milch und Weckbrocken – und die Kleine setzte sich damit regelmäßig hinaus in den Hinterhof. Kaum hatte das Baby zu essen begonnen, da verließ die Hausunke ihre Mauerritze und senkte ihr Köpfchen in die Milch. Das Kind hatte seine helle Freude daran, und wenn die Unke mal nicht rechtzeitig erschien, dann begann die Kleine unruhig zu werden und zu singen:
Unke, Unke, komm geschwind,
komm herbei, du kleines Ding!
Sollst dein Bröckchen gerne haben
und an der Milch dich köstlich laben.
Da kam die Unke herbei und ließ es sich gut schmecken. Sie zeigte sich auch dankbar, denn sie brachte dem Kind aus ihrem heimlichen Schatz allerlei schöne Dinge mit: Glitzernde Edelsteine, edle Perlen und goldene Spielsachen. Die Unke trank aber immer nur Milch und ließ die Weißbrotbrocken unangetastet in der Schüssel liegen. Als die Unke das wiederholte, wurde das Kind unwillig und schlug der Unke mit dem Löffelchen auf den Kopf und sagte: »Liebe Unke, du musst auch von den Brocken essen, sonst schimpft meine Mutti. Die Mutter beobachte und hörte alles durchs Küchenfenster, ergriff ein Holzscheit, rannte schnell in den Hof und erschlug die Unke.
Von dieser Zeit an änderte sich das Verhalten des Kindes; solange die Unke mit ihm gegessen hatte, hatte es rote Backen, jetzt aber magerte es ab und wurde zusehends bleich und bleicher. Und schon bald fing nachts der Totenvogel an zu schreien, und das Rotkehlchen sammelte dürre Zweige und Blätter für den Totenkranz; wenige Tage später lag das Kind auf der Bahre…
(Nach einem Märchen der Gebrüder Grimm)
Die Blüte, die wir nicht zertreten,
wird uns beschenken mit ihrem Duft;
der Vogel, dessen Nest wir schützen,
wird uns belohnen mit seinem Gesang.
REINHOLD SCHNEIDER
Der moderne Weg zur Hasen-Kommune
Eines Tages erkannten die Bewohner des Hasendorfes, dass die Arbeitsamen unter ihnen mit schweren Büscheln frischer Blätter, süßduftender Pflanzen und leckeren Früchten aus dem Busch zurückkehrten, während andere, die Faulen und Bequemen, mit leeren Händen dastanden. Das machte denen, die fair und nobel zu denken pflegten, arge Kopfschmerzen. Deshalb fassten sie auf dem nächsten Hasenkongress folgende Resolution: »Niemand soll künftig im Busch nur für sich selbst nach Nahrung suchen, sondern stets für die ganze Gemeinschaft, die Kommune aller Hasen: Was immer der Einzelne findet, trägt er nach Hause und bringt es zur vereinbarten Zeit auf den Marktplatz. Dann kommen alle Bewohner des Hasendorf zusammen und die Verteilung beginnt: Erst kommen die werdenden Mütter und die Kinder dran; dann alle andern.«
Nachdem alle Hasenfamilien zugestimmt hatten, ging man an die Arbeit. Die Esswaren wurden auf dem großen Marktplatz ausgelegt; und es klappte alles recht gut – keiner ging leer aus, keiner nahm mehr, als er unbedingt brauchte. Und alle gaben zu, dass dies ein guter und gerechter Weg sei zum allgemeinen Frieden im Dorf. Und alle waren zufrieden und glücklich, bis eines Tages ein paar städtische Snobs erschienen, abgeschleckte Vornehmtuer, die den Dörflern weismachen wollten, sie seien schrecklich altmodisch. Modern sei heute die These: Allen gehöre alles. Ihr altmodisches Denken gehöre inzwischen der Vergangenheit an. – Allmählich wurden die Dorfhasen unsicher und baten die Städter um ihren Rat.
Da ergriff der Anführer der städtischen Hasen das Wort und schrie laut und deutlich: »Freunde, Genossen, bald wird alles anders; es wird keine Armen mehr unter uns geben, denn es kommt die Zeit der Volkshasen. Alles für das Volk! Alles mit dem Volk! Und niemals ohne das Volk. Da klatschten alle Beifall – und überließen den städtischen Hasen ihre ganze Habe, auch ihre Vorräte und Früchte, die sie schon geerntet hatten. Bei ihrem Abschied versprachen die beiden Hasen-Snobs aus der Nachbarstadt, dem obersten Chef des Hasenrates in der Stadt die Treue der Dorfhasen zu übermitteln; der werde ihre Loyalität niemals vergessen. Dann riefen sie: »Hoch lebe die neue Zeit! Hoch lebe der Hasen-Rat! Hoch lebe die demokratische Republik aller Hasen weltweit!« – Bald schon fuhren die ersten schweren Laster vor, um die Nahrungsmittel der Dorfhasen zu verladen und in die Stadt zu bringen.
Es vergingen viele Wochen, und immer noch warteten die Dorfhasen auf die Nachricht, wann sie ihren Anteil an Früchten bekämen. Sie warteten umsonst. Inzwischen brach die Hungersnot im Hasendorf aus, und ein Hase nach dem andern verschwand klammheimlich im Wald, wo sie genügend Früchte, Blätter und Gräser fanden, um die Ihren zu ernähren – und schon bald vergaßen sie die Parolen der Genossen aus der Stadt, von denen sie verführt worden waren, um künftig gemeinsam den vielgepriesenen »Hasenweg« zu gehen. Sie kehrten jetzt wieder zurück zu den Sitten und Bräuchen ihrer Vorfahren, und es gab wieder solche, die viel Futter auf Vorrat hatten, und es gab auch künftig hin und wieder ein paar, die manchmal hungern mussten. Es gab, wie überall auf der Welt, wieder Arme und Reiche, aber verhungern musste niemand.
(Ein modernes Märchen aus Simbabwe.
Quelle: Adalbert Ludwig Balling »Sie standen am Ufer der Zeit«,
Verlag Mariannhill, Würzburg, 1981)
Von Kindstagen bringt man uns bei,
dass auch die Tiere – sowie Bäume, Sträucher und Blumen,
mit denen wir unseren Platz auf Erden teilen,
unsere Brüder und Schwestern sind.
CHEROKEE-INDIANER (USA)
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