Mann nötig hatte, aufzupumpen. Wir hatten im Heim das Ventil geöffnet, so dass Luft entwich und wir sie transportieren konnten, ohne dass sie allzu viel Platz einnahm. Ich glaubte, sie müsste aufgepumpt werden. Das war aber nicht nötig. Als sie ans Netz angeschlossen war, pumpte sie sich automatisch von selbst wieder auf. Schon nach einer Viertelstunde konnten wir sie beziehen und das Bett fertig herrichten für die Nacht.
Ein wenig aufgeregt, wie es mit dem Zu-Bett-Gehen klappen würde, war ich schon. Aber auch das war kein Problem. Nach Toilettengang und Zähneputzen schob ich den Rollstuhl nahe ans Bett, mein Mann stellte sich, ich gab ihm die Hände, so dass er sich mit einigen kleinen Schritten quer vor das Bett positionieren und ich ihm die Hosen ausziehen konnte. Alles Weitere war im Sitzen möglich, das Hemd auszuziehen, seinen Rücken mit Franzbranntwein einzureiben und ihm das Schlafanzugoberteil anzuziehen.
Etwas schwierig war es für ihn, sich hinzulegen. Aber auch das ging gut mit einigen Fehlversuchen. Er warf sich nach hinten, wobei sich seine Beine von selbst mit anhoben, und ich brauchte nur in diesen Schwung hineinzugreifen und die Beine Richtung Wand zu drücken. Sie mit meiner Kraft hochzuheben hätte ich bei meinem lädierten Rücken nicht geschafft, aber so, wie geschildert, klappte es gut. Der Hausarzt, der ein paar Tage später vorbeikam, war ganz begeistert, als er uns zuschaute. „Ich habe ja nicht gedacht, dass Sie zwei das so gut schaffen“, sagte er, „aber Sie machen das wirklich gut.“
Als mein Mann lag, wusch ich seinen Unterleib, entfernte den Tages-Urinbeutel und schloss den größeren Nachtbeutel an. Außerdem musste ich wegen der Körperfülle meines Mannes überall dort, wo Haut auf Haut lag, Streifen von Mullkompressen anbringen; das war jeden Abend und jeden Morgen nötig.
Wir schauten uns noch die Tagesschau an. Aber dann war mein Mann müde – er bekam ja auch regelmäßig neben seinen Abendpillen eine Schlaftablette –, und so sagten unsere Tochter und ich ihm gute Nacht und setzten uns für den Rest des Abends in die Küche.
In der Nacht rief mein Mann einmal. Ich fuhr hoch, schlüpfte rasch in meine Hausschuhe und ging hinüber zu ihm. „Ich bekomme schlecht Luft“, sagte er. Ich wusste, was ich zu tun hatte; der Physiotherapeut hatte es mir gezeigt. Mein Mann musste sitzen. Hochhieven konnte ich ihn nicht, aber ich hielt ihm meinen Arm hin, und so konnte er sich selber daran hochziehen und sich mit einer Hand abstützen. Nun klopfte ich ihm den Rücken ab, was ihm sehr guttat.
Als mein Mann wieder lag, verschwand auch ich wieder rasch im Bett, konnte aber lange Zeit nicht einschlafen, da meine Füße von dem vielen Stehen und Gehen am Tag brannten …
Die erste Zeit zu Hause
Die wichtigste Neuerung war die mobile Pflege, die von nun an jeden Morgen kam. Beim ersten Mal erschien sie schon kurz vor 8 Uhr. Mein Mann bekam erst im Bett die untere Körperhälfte gewaschen und wurde dann ins Bad geschoben, wo er sich die Zähne putzte. Er wurde rasiert und gekämmt, danach angezogen. Im Heim hatte er meistens ein leichtes T-Shirt angehabt, das er auch im Bett anlassen konnte – er war ja nur immer etwa fünf Stunden auf. Aber jetzt trug er ein normales Oberhemd, was ihn gleich nicht mehr so krank aussehen ließ. Wenn er nun am Tisch saß, wirkte er gar nicht mehr so hilfsbedürftig, sondern fast wie früher, nur dass er halt den Rollstuhl benutzen musste.
In den ersten Tagen musste noch einiges erledigt werden, woran wir vorher nicht gedacht hatten. Mein Mann brauchte neue Schuh-Einlagen, und die Schuhe mussten neu besohlt werden, ich musste noch einmal zum Heim, um mir von dort die Lagerungskeile auszuleihen, und an der Apotheke waren auch noch ein paar Teile zu besorgen.
Einzukaufen war auch noch einiges. Da unsere Tochter noch da war, fuhren wir alle drei ins nächstgelegene Geschäft, nach Aldi. Anke schob den Rollstuhl, was mir eine große Erleichterung war – ich tat mich immer schwer damit.
Später zu Hause studierten mein Mann und ich die Pflegeunterlagen, während unsere Tochter kochte. Danach setzten wir uns, da die Sonne so schön schien, ein wenig auf die Terrasse. Das war nicht so ganz leicht, da die Schwelle vom Wohnzimmer nach draußen überwunden werden musste. Ich stellte den größeren Rollstuhl nach draußen und schob meinen Mann in dem kleineren bis vor die Terrassentür. Dann musste er aufstehen, mir die Hände geben und die Füße hintereinander über die Schwelle heben; danach konnte er dann in dem anderen Rollstuhl Platz nehmen. Das war eine mühsame Prozedur, bei der mir zu Anfang das Herz gewaltig klopfte – vor lauter Angst, er könnte hinfallen; aber es klappte von Mal zu Mal besser.
Draußen gab es ein kleines Ritual. Wir tranken Kaffee und spielten dann ein paar Runden Kniffel. Mein Mann hielt aber nur relativ kurz aus, da sich die Wärme unter der Überdachung stark staute und es ihm dadurch zu heiß wurde. So sagte er schon nach einer halben Stunde, dass er wieder zurück ins Wohnzimmer wollte.
Nach dem Mittagessen half ich meinem Mann ins Bett, wo er anfangs zwei Stunden ruhte. Doch diese Zeit verkürzte sich bald, und nach wenigen Wochen wollte er mittags gar nicht mehr liegen. Er hielt dann acht bis neun Stunden im Sitzen durch, ohne zu ermüden. Das war schon ein gewaltiger Fortschritt. Im Krankenhaus hatten ihn schon zwei Stunden überfordert, und im letzten Heim war er täglich höchstens fünf Stunden auf gewesen.
Die ersten Tage war mir unsere Tochter eine große Hilfe. Sie nahm mir viel Arbeit in der Küche und im Haus ab, auch manchmal das Einkaufen, so dass ich mich ganz meinem Mann widmen konnte. Aber nach einer Woche musste sie wieder zurück nach England, da sie im Arbeitsprozess stand und nur acht Tage Urlaub bekommen hatte.
Als sie fort war, begann für uns der eigentliche Alltag. Mein Mann musste häufig zur Toilette und hatte dabei meine Hilfe nötig, da er nicht freihändig stehen konnte und sich deshalb immer an der Handleiste festhalten musste, wenigstens mit einer Hand. Aber dann hätte er seine Hosen mit nur einer Hand hochziehen und zugleich darin die lose Vorlage richtig positionieren müssen; das klappte nicht. Deshalb musste ich immer dabei sein. Der Arzt meinte zwar, er brauchte gar nicht zur Toilette zu gehen, dafür hätte er schließlich die Vorlage. Aber mein Mann hatte eine Riesenhemmung, einfach alles loszulassen, und ich habe ihn darin unterstützt; ich könnte es auch nicht und hätte es niemals von ihm verlangt. Schließlich ist man von klein auf daran gewöhnt, zur Erledigung der Ausscheidungen die Toilette aufzusuchen. Es braucht eine große Überwindung, sich wieder in die frühkindliche Phase zurückzuversetzen, wo man stattdessen Blase und Darm in die Windel entleert. Weil ich ihm das nicht zumuten wollte, habe ich es auf mich genommen, lieber soundso oft am Tag mit ihm das Bad aufzusuchen und auch nachts aufzustehen, auch wenn das für mich sehr strapaziös war.
Wenn man davon absieht, dass mein Mann Hilfe auf der Toilette brauchte, machte er mir tagsüber nicht viel Arbeit. Ich schnitt ihm anfangs schon mal das Fleisch klein, musste etwas aufheben, das unter das Bett gerollt war, oder brachte ihm ein neues Glas Wasser. Eine Arbeitsteilung wie früher war natürlich nicht mehr möglich, aber er konnte alleine essen und, wenn ich ihm die Verpackungen hinlegte, die Medikamente nehmen, die Zeitung lesen und den Fernseher bedienen.
Vor allen Dingen war er geistig wieder klar. Er war ja in der Klinik und in der ersten Zeit im Pflegeheim durcheinander gewesen, ich nehme an, wegen des Morphiums, das Halluzinationen bei ihm auslöste. Damals konnte man nicht absehen, ob sich dieser Zustand der Verwirrung noch einmal geben würde. Umso erleichterter war ich, als sich herausstellte, dass er wieder normal denken und sprechen konnte. Ich war sehr dankbar dafür. Mit seiner körperlichen Behinderung konnte ich problemlos umgehen, aber eine zusätzliche geistige Behinderung hätte mich mit Sicherheit an den Rand meiner Belastbarkeit gebracht.
Mobile Pflege
Ich schrieb bereits, dass die mobile Pflege nur morgens zu meinem Mann kam. Es war vereinbart, dass unsere Hauptbetreuerin Angelina möglichst zwischen 8:30 Uhr und 9 Uhr da sein würde. Das haute allerdings häufig nicht hin. Oft meldeten sich Kolleginnen krank, so dass die dadurch nicht versorgten Patienten unter die Schwestern, die zur Verfügung standen, aufgeteilt werden mussten – dann verschob sich zeitlich alles nach hinten – oder es änderte sich plötzlich etwas, ein Patient kam dazu, fiel vorübergehend weg durch Krankenhausaufenthalt oder war sonstwie krank, so dass die Pflege