Michael Schlinck

Süßer die Schellen nie klingen!


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aber mit starker Stimme, „hat auch lange genug gedauert.“

      „Entschuldigen Sie“, entschuldige ich mich, „aber wenn wir Sie nicht besuchen, heißt das ja nicht, dass wir in Ihrem Fall nicht ermitteln.“

      „Na, dann will ich mal Gnade vor Recht ergehen lassen. Wie weit sind denn Ihre Ermittlungen fortgeschritten?“

      „Ja, die haben sich als schwierig erwiesen. Fest steht, dass es sich um eine ganze Raubüberfallserie handelt. Die Täter lauern ihrem Opfer auf, warten ab, bis diese die Alarmanlage deaktiviert haben und schlagen dann mit äußerster Brutalität zu“, umschreibe ich den Umstand, dass wir noch absolut im Dunkeln tappen.

      Da Timo inzwischen seinen Laptop hochgefahren hat, kann ich nun mit dem offiziellen Teil der Befragung beginnen.

      „Herr Doktor, bitte erzählen Sie einfach, was vorgestern Abend genau passiert ist.“

      „Also, ich kam gegen zwanzig Uhr nach Hause und stellte mein Auto wie immer in der Garage ab. Dann ging ich zur Tür und deaktivierte die Alarmanlage. Anschließend öffnete ich die Haustür. In diesem Moment kam eine vermummte Gestalt aus dem Heckenzaun, der den Hofbereich zum Garten hin abtrennt. Er drückte mich zur Tür hinein und zwei weitere ebenfalls vermummte Gestalten kamen hinterhergestürmt. Einer von den dreien begann gleich damit, mich mit Tritten zu attackieren und forderte die Herausgabe meiner Wertgegenstände. Nachdem ich mich weigerte, ihnen mein Hab und Gut auszuhändigen, schlug dieser mir in die Magengegend. Dann wurde es mir schwarz vor Augen. Als ich wieder zu mir kam, hatten die drei Männer schon mein ganzes Haus durchsucht und den Schmuck meiner Frau an sich genommen. Anschließend zwangen sie mich, meinen Tresor zu öffnen und nahmen auch noch mein ganzes Bargeld und das Gold, das ich als Wertanlage dort deponiert hatte, mit.“

      Nun macht der Alte eine Pause, um an seinem Tee zu trinken. Timo freut sich darüber, denn mit einem solchen Redetempo, welches Herr Kleinhardt an den Tag legt, kann er beim Protokollieren kaum mitthalten.

      „Ist Ihnen etwas auffallen, irgendetwas, das Sie außergewöhnlich fanden?“, versuche ich den Doktor zum Weiterreden zu verleiten.

      „Außergewöhnlich? Für gewöhnlich werde ich nicht überfallen. Um genau zu sein, war dies mein erstes Mal.“

      „Ich meine ja nur, vielleicht ist Ihnen ja etwas aufgefallen, ein Tattoo oder ein Dialekt oder sonst etwas?“

      „Jetzt, wo Sie es sagen, der eine gab sich zwar Mühe dialektfrei zu sprechen, aber es schlug deutlich durch, dass er ein Einheimischer war, während die beiden anderen nicht einen Laut von sich gaben.“

      Nun gönnt er sich wieder etwas Tee. Ich denke auch, dass wir nun hier fertig sind.

      Als der Doktor bemerkt, dass wir aufbrechen wollen, sagt er noch: „Einen Moment bitte“, und schon sind wir wieder aufmerksam, „komisch fand ich auch, dass, nachdem sie wirklich nur Schmuck, Geld und Gold mitgenommen hatten, plötzlich einer der Schweigsamen auch noch den Fernsehapparat hinausgeschleppt hat.“

      Nun verabschieden wir uns aber endgültig und fahren nach Landau. Nachdem ich dann zu Hause unseren Familienvan gegen den Mini ausgetauscht habe, komme auch ich wieder im Büro an.

      Zuerst vergleiche ich mal die Aussage von unserem Doktor mit denen der anderen Opfer. Mir fällt dabei auf, dass überall nur einer der Täter gesprochen hat. Zwei weiteren fiel auch der Pfälzer Einfluss bei der Sprache des gewalttätigen Haupttäters auf. Und immer wieder ging ein Haushaltsgegenstand mit, hier eine Waschmaschine, da eine Küchenmaschine und so weiter. Ansonsten gleichen sich die Überfälle wie ein Ei dem anderen, immer nur Schmuck, Gold und Bargeld. Und immer nur gut situierte Senioren, die vorher anscheinend gut ausspioniert wurden.

      Per Mail ist inzwischen auch der Bericht von Martin Schneider zu dem Selbstmord eingetroffen. Alles scheint so, wie ich es auch schon an Ort und Stelle vermutet hatte. Keine Auffälligkeiten, anscheinend ein ganz normaler Suizid. Was man eben bei einem Suizid normal nennt.

      Sicherheitshalber rufe ich noch beim zuständigen Pathologen, dem Hansi an.

      „Ach, der Dieter“, begrüßt er mich, „na, magst du ein paar Kräuterbonbons? Wenn du welche magst, dann lass ich dir gerne welche bringen.“

      Ja, das mit den Bonbons ist eine alte Geschichte, die ich hier nicht aufwärmen möchte. Auf jeden Fall bekomme ich immer so einen fahlen Minzgeschmack auf der Zunge, wenn ich es mit Hansi zu tun habe.

      „Behalte deine scheiß Bonbons für dich!“, blaffe ich ohne Begrüßung los, was mein Gesprächspartner mit einem schadenfrohen Lachen quittiert.

      „Was kann ich denn für den Herren Oberkommissar tun?“, fragt mich der Arsch, nachdem er sich wieder beruhigt hat.

      „Dir deine dummen Bonbon-Witze abgewöhnen, das kannst du für mich tun!“, lass ich ihn meine Wut spüren. „… und mir dann etwas über die Leiche von dem Bahnunglück erzählen.“

      „Ach, den menschlichen Fleischsalat, den ihr mir geschickt habt? Über den gibt es nicht gerade viel zu erzählen, ein Farbiger, wahrscheinlich aus Zentralafrika stammend und sehr unterernährt. Mehr war aus dem nicht herauszuholen. Auch Papiere haben wir bei ihm keine gefunden.“

      „Okay! Und was passiert nun mit ihm?“, will ich wissen.

      „Das Standardprogramm, ich behalte ihn noch zwei Wochen hier in der Kühlung, falls sich noch Angehörige melden und dann gebe ich die Überreste zur Verbrennung frei.“

      Na, das sind ja schöne Aussichten. Wenn sich keiner meldet, dann wirst du einfach verheizt und dienst der Fernwärme. Das hat allerdings schon seine Richtigkeit, was soll man denn sonst machen? Wir können die Toten ja schlecht behalten, da wüsste man sicher irgendwann nicht mehr wohin mit ihnen.

      Da ich keine weiteren Fragen mehr habe, verabschiede ich mich von Hansi und lege wieder auf.

      Nun gehe ich zum Fenster und stelle fest, dass es draußen angefangen hat zu schneien. Das versüßt doch etwas die Vorweihnachtszeit, wenn sich die Landschaft in einen weißen Mantel bettet. Während sich mein Herz erwärmt, fasse ich den Entschluss, unseren Weihnachtsmarktbesuch, der gestern ja aus bekannten Gründen ins Wasser gefallen ist, heute nachzuholen. Also mach ich schon um vier Feierabend, um meine Familie zu überraschen.

       Der mittelalterliche Weihnachtsmarkt

      „Aber nach Karlsruhe fahren wir heute nicht“, sagt Natalie, als ich sie in meine Pläne einweihe, „dann müssten wir ja wieder an der schrecklichen Stelle vorbei.“

      „Aber nein“, kann ich sie beruhigen, „wir nehmen heute auch nicht den Zug. Ich würde sagen, wir fahren heute einfach mit dem Auto nach Sankt Wendel, dort ist ein mittelalterlicher Weihnachtsmarkt.“

      Damit kann ich bei der ganzen Familie punkten. So fahren wir zusammen in das saarländische Städtchen, während die Schneeflocken weiter vom Himmel tanzen.

      Auf dem wunderschönen Markt vergnügen wir uns vorzüglich. Da sind die mittelalterlich gekleideten Händler, die ganz außergewöhnliche Dinge, wie Langgürtel mit den passenden Taschen oder Schwerter und Dolche anbieten. Dann präsentieren sich auch Handwerker, welchen wir auf die Finger schauen können. In den vielen Mitmachwerkstätten schmiedet sich Maik sein eigenes Messer aus einem Stück Roheisen und Quenni filzt sich einen kleinen Weihnachtsmann. Es ist einfach schön, die Familie so happy zu sehen.

      Nun bleiben wir vor der Bühne stehen, auf der mittelalterliche Musik geboten wird. Sehr beeindruckend, dass die Dudelsackbläser trotz der Kälte mit ihrem Kilt und nackten Knien am Musizieren sind.

      Auf einem freien Platz, nur ein kleines Stück weiter, zeigt ein Zauberer sein Können. Schwuppdiwupp lässt er einen meiner Euros, was er allerdings Goldrandtaler nennt, in seiner Hand verschwinden, um ihn dann hinter Maiks Ohr wieder erscheinen zu lassen.

      Als nächstes zieht uns ein Gaukler in seinen Bann. Sehr geschickt jongliert er mit drei Möhren, anschließend zeigt er allerhand Tricks mit leuchtenden Kugeln. Zum