dortige dichte Aura hatte auch eine Rückwirkung auf mich. Sie erhöhte meine Medialität. Zur mentalen und emotionalen Patina der Stadt kam nämlich noch die Aura der Wohnung hinzu.“ In der Wohnung soll sich ein hallenähnlicher Kultraum mit schlauchartigen Gängen befunden haben. Gotische Spitzbogen und Eisenrosetten verzierten die mit schwarzem Holz verkleideten Wände. Eine erhöhte Kammer mit einer Sitzbank war dem Anschein nach für geheime Kulte verwendet worden. Herr Ballabene schlief in diesem großen Raum. Über seine nächtlichen Erscheinungen berichtet er:
„Wenn ich im Bett lag und zur Zimmerdecke empor blickte, sah ich über mir schwarze Deckenbalken mit Tierköpfen. Das Kopfende von meinem Bett war ungefähr einen Meter von dem geheimnisvollen Gang entfernt. Ich lag anscheinend im Zentrum eines ehemaligen magischen Kultraumes. Noch immer schienen einige der früher beschworenen Kräfte im Raum zu hängen. Ich bin überzeugt, die magische Aufladung des Ortes erweckte mein mediales Empfindungsvermögen und führte zu Halbschlafzuständen mit geisterhaften Begegnungen.“
Oft quälten ihn Albträume, dann schreckte er aus dem Schlaf hoch und sah Geistergestalten im Raum. Unter ihnen war eine alte Frau, die sich um ihn zu sorgen schien, sie deckte ihn regelmäßig zu, und er schlief dann seelenruhig weiter. „Oft stand sie einfach nur in meiner Nähe. Sie sorgte sich fürsorglich um mich, das fühlte ich.“
Ballabenes Fähigkeit des „Astralreisens“ soll in der dichten magischen Atmosphäre der Räumlichkeiten voll zur Entfaltung gekommen sein. Wenngleich sich seiner Darstellung nach die ersten außerkörperlichen Phänomene nach Albträumen und Schlafparalyse als Geistersehen zeigten, entwickelte er doch über einen Zeitraum von mehreren Jahren schamanische Fähigkeiten. Am Ende seiner Lehrjahre wurde er von seinem Meister als Sohn adoptiert. Heute gibt es diese Wohnung nicht mehr. Die Etage im 5. Stock wurde zur Direktionswohnung umgebaut und mit einer 400 Quadratmeter großen Dachterrasse verbunden.
TIPP
1., Ecke Wipplingerstraße – Renngasse 14. Kathreinbank.
Literaturtipp: Alfred Ballabene: Guru und Schülersohn, Wien 2009
3. DIE WEISSE FRAU
1., HOFBURG; HERRENGASSE 6 – 8; SCHOTTENKLOSTER; 4., THERESIANUM
Ein Geist wird in den europäischen Schlössern und Burgen seit dem 15. Jahrhundert besonders oft gesichtet: die „weiße Frau“. Eine weibliche Erscheinung, die meist in wallende, weiße Gewänder gehüllt und mit weißen Handschuhen bekleidet ist. Unzählige Sagen und Legenden ranken sich um ihr nächtliches Auftreten und dessen Bedeutung. Es handelt sich oft um eine Angehörige der betroffenen Familie, Ahnfrau oder Letzte eines Geschlechts, und sie zeigt sich um ihre Familie oder die jetzigen Schlossbewohner besorgt. Ihr Erscheinen kündigt nicht immer und überall nur Unglück an, sondern kann auch freudigen Ereignissen wie Hochzeiten oder Geburten vorausgehen. Sie ist also ein guter Geist, auch wenn sie in früheren Jahrhunderten den Habsburgern in der Hofburg den Tod ankündigte.
Der österreichische Dichter Franz Grillparzer holte sich die Inspiration für seine „Ahnfrau“ auf Schloss Greillenstein im Waldviertel – nicht von ungefähr, denn auch dort geht eine weiße Frau noch heute um.
Bertha von Rosenberg
Eine historisch fassbare Frau, die nach ihrem Tod zu einer solchen weißen Frau wurde, ist die böhmische Adelige Bertha (Perchta) von Rosenberg, geboren 1425 auf dem Stammschloss der Rosenberger in der Nähe von Krumau. Seit 1449 verheiratet mit Johann V. von Liechtenstein († 1473), hatte sie Schlimmes durchzumachen, der untreue Gatte quälte sie auf das Grausamste. Das Paar lebte zunächst in der Steiermark, dann in Wien in seinem Stadthaus in der Herrengasse, das damals noch ganz neu war, denn das Areal stand erst seit 1443 im Besitz der Familie Liechtenstein. Das Haus wurde später erweitert und umgebaut, 1913 aber mitsamt dem berühmten Bösendorfer-Saal abgerissen. An seiner Stelle steht seit 1932 das älteste Hochhaus von Wien. Bertha trennte sich von ihrem Gatten und zog sich auf ihr Schloss Neuhaus zurück.
Die Wiener Überlieferung sieht sie in freundlichem Licht: Als der böse Gatte endlich starb, zog die arme misshandelte Frau weiße Kleider an und feierte fröhlich ihre Freiheit, anstatt seinen Tod zu betrauern. Die Strafe für diesen Frevel ist ewige Ruhelosigkeit – bis zum heutigen Tag. Sie erschien meist nachts, bisweilen aber selbst am helllichten Tag. Ihre weißen Gewänder sollen ihr Antlitz stets verhüllt haben, denn es war schaurig anzusehen: „Besonders furchtbar und grässlich, so versichern einstimmig alle, die sie gesehen haben wollen, soll der starre stechende Blick ihrer großen, schwarzen Augen sein, die sie fest und unbeweglich auf diejenigen heftet, denen sie erscheint, wenn sie langsam und schweigend, von ihren seidenen Gewändern umrauscht, an ihnen vorüber schreitet. Bis ins innerste Mark dringe dieser kalte, zermalmende Blick, und erfülle die Seele mit eisigem Entsetzen. Wer einmal in diese toten Gluthaugen geblickt, werde sie in seinem Leben nicht mehr vergessen.“
Um Mitternacht erhellen sich die Gänge in der Gruft des Schottenstifts. Die „weiße Frau“ geht um. Seit 400 Jahren, so die Legende, harrt sie der Erlösung und kann keine Ruhe finden.
Auch heute soll sie hin und wieder in Neuhaus gesehen werden. Ihr Erscheinen kündet dem Betroffenen immer den Tod oder sonst ein schweres Unglück an. Man sah sie auch gebeugt vor dem Bettchen schlafender Kinder stehen, die bald danach starben. Sie zeigt sich in Gemächern und Gängen, manchmal in der Schlosskapelle, ja selbst im Schlossgarten. Bertha starb in Wien am 2. Mai 1476 und wurde in einer Gruft in der Kirche des Schottenklosters beigesetzt.
Die weiße Frau im Schottenkloster
Schon bald nach ihrem Tod zeigte sie sich zum Schrecken der Novizen auch dort als Gespenst. „Seit Jahrhunderten, solange die Menschen für das Geistersehen noch ein Auge gehabt haben, sind die Schottenmönche auf ein trauriges Ereignis vorbereitet worden, wenn sich zu mitternächtlicher Stunde plötzlich Gänge im Schottenkloster erhellten und ein eiskalter Windhauch durch die Hallen strich. Die unglückliche Bertha von Rosenberg ging um. Die jungen Novizen erstarrten vor Entsetzen, wenn sie die in einem weißen Umhang erscheinende Frau erblickten. Aber so plötzlich wie sie erschienen war, entschwebte sie wieder in die Gruft, wo sie im Jahre 1476 begraben worden war. Niemals hatte es etwas Gutes zu bedeuten gehabt, wenn die weiße Frau bei den Schotten umging. Meist kündigte sie den Tod eines Mitbruders oder wohl gar des Abtes an. Und so harrt Bertha von Rosenberg schon seit über 400 Jahren der Erlösung und kann keine Ruhe finden.“ (Gustav Gugitz, Sagen und Legenden der Stadt Wien)
Beim Sagenkreis um Bertha oder Perchta von Rosenberg kann man übrigens feststellen, dass hier offenbar alte, heidnische Elemente eingeflossen sind, wie dies ja oft bei Geistergeschichten der Fall ist: Es handelt sich dabei um verschwommene Erinnerungen an die Göttin Perchta, auch Hulda genannt, die zumindest im „Perchtenlauf“ noch immer von sich reden macht.
Wer ist die „weiße Frau“ in der Hofburg?
Klagt die Skandalwitwe noch heute in den Gängen der Hofburg?
Auf den Titel der „weißen Frau“ in der Hofburg gibt es noch eine andere Anwärterin, sonderbarerweise war auch sie eine lustige Witwe, und damals war noch weiß die Trauerfarbe. Nachdem er die Babenbergerin Margarete verstoßen hatte, heiratete König Przemysl Ottokar II. im Jahre 1261 die wunderschöne, sechzehnjährige Kunigunde von Kiew, die mit ihm zeitweise in der Wiener Hofburg residierte. Als sie 1278 Witwe wurde, trauerte sie nicht allzu lange um ihren Gatten, sondern ging – welch ein Skandal – eine Liebschaft ein mit einem gar nicht ebenbürtigen Mann namens Zawisch von Falkenstein, dem sie einen Sohn schenkte. Wohlgemerkt, ohne den Segen der Kirche! Zawisch wurde zu einem einflussreichen Mann und endlich holte man die Hochzeit im Jahre 1285 nach, da Rudolf von Habsburg, der kurz danach zwei seiner Kinder mit den ihren und Ottokars vermählte,