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Still und starr ruht die Spree
Berliner Weihnachtskrimis
edition
karo Berlin 2011Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet unter www.dnb.ddb.de abrufbar. Still und starr ruht die Spree Berliner Weihnachtskrimis karo
weihnachtskrimis, band 11. Digitale Auflage 2012 Zeilenwert GmbH
2. überarbeitete Auflage
© 2011 edition karo
im Verlag Josefine Rosalski, Berlin
1. Auflage 2005
© edition karo
im Verlag Josefine Rosalski, Berlin
www.edition-karo.de Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: tiff.any GmbH, Berlin Fotos: © 2009 svengine, © 2009 Zoran Kolundzija, © 2008 marc wragg ISBN 9783937881911
»Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer
ich nicht bedarf.«
Sokrates (um 470 – 399 v. Chr.)
Griechischer Philosoph
Inhalt
An Weihnachten gehört der Mann in die Familie Christian Bartel
Heiligabend beim Abfischer Michael von Swiontek
Die Stimme des brodelnden Blutes Brigitte Hähnel
Stille Nacht in der Trommel Albrecht Piper
Lores Luder Petra Nouns
Santas Palace Birgit Jochens
Still ruht der See Barbara Gantenbein
Weihnachtsleichen Jiri Polak
Rotkohl aus dem Glas Britt Reißmann
Hummer Thermidor Nora Lachmann
Ein für alle Mal Petra Miersch
Blonder Emir Barbara Ahrens
Eisdielenmann Tom Ines
Der Zahnarzt Viktoria Korb
Vorwort
Für spannende Lektüre unterm Weihnachtsbaum sorgen in diesem Band 15 phantasievolle Weihnachtskrimis von überaus begabten Autorinnen und Autoren.
Vielfältige Gelüste, darunter nicht selten mörderische, lassen sich wunderbar verbergen in Häusern voll weihnachtlichem Prunk und in Stadtvierteln mit mehr als zweifelhaftem Ruf.
Die verheißungsvoll in Rotgold geschmückte Feinschmeckeretage des KaDeWe zeigt sich als unheilvoller Treffpunkt, das Klärwerk Spandau ist wahrlich keine feierliche gute Stube, und in der Akademie der Wissenschaften nimmt die Liebe zwischen bunten Reagenzgläsern einen schlimmen Verlauf.
In den Häuserschluchten der Stadt mit ihren braven Familien herrscht in der Tat alles andere als festliche Verzückung.
Viel Vergnügen bei Grusel und Grauen.
Herzlichst
Josefine Rosalski
Herausgeberin
Christian Bartel
An Weihnachten gehört der Mann in die Familie
Ich weiß nicht, ob er
seiner Frau auch Tieraugen macht.
Hanuman geht an Weihnachten in den Puff.
Hanuman heißt natürlich nicht so, sondern Kroll, wie die Oper. Aber er soll Hanuman heißen, weil, wenn ich ihn Kroll nenne, merkt doch jeder, dass ich von dem Kroll rede, der mein Nachbar ist. Soll aber vielleicht doch jeder wissen, wer Hanuman ist. Der feine Herr Nachbar. Hanuman ist eigentlich ein Affengott, das passt gut zu Kroll, obwohl ein Frettchengott besser gewesen wäre, aber den gibt es nicht. Nicht einmal in Indien.
Hanuman geht also an Weihnachten in den Puff. Aber erst nach der Bescherung.
Vorher sitzt er mit seiner Frau am Tisch und sie essen eine Gans mit Rotkraut und Knödeln.
Die Gans hat Hanumans Bruder am Tag zuvor gebracht, da war sie schon tot, die Frau hat sie gerupft und den nackten Vogel außen auf das Fensterbrett gelegt, unter einen Drahtkäfig allerdings, weil sonst die anderen Vögel kommen und picken.
Da liegt sie dann auf dem Rücken und streckt die Beine hoch. Das Licht der Laterne überzieht sie mit einem blauen Tiefkühlschein, und wenn die Laterne im Wind quietscht, laufen die Schatten des Drahtgitters mit, malen verschiedene Figuren auf die Gans, Rechtecke und Trapeze. Das gefällt mir.
Im letzten Jahr habe ich den Käfig trotzdem heruntergeworfen, mit einem langen Stock, weil ich sehen wollte, ob die Vögel wirklich kommen. Die Gans war immerhin auch mal ein Vogel, und Kannibalismus interessiert mich. Die anderen Vögel haben die Gans übel zugerichtet, ihnen war die Ähnlichkeit ihrer Anatomie piepegal, ganz aufgeregt haben sie der Gans die Brust zerhackt, am Ende waren nur noch Beine und Flügel übrig, zusammengehalten von labbriger Haut. An dem Weihnachten gab es Braten bei Hanuman, aber er ist trotzdem danach in den Puff gegangen. Daran liegt es also nicht.
Dieses Jahr hat Hanuman seiner Frau einen Füllfederhalter geschenkt, in Gold, den hat sie lange angeschaut, vielleicht, weil ihr Name eingraviert war, dann hat sie Hanuman umarmt, ist dabei aber ganz ernst geblieben, als ob die Situation das erforderte ein stilles, ernstes Glücksgesicht.
Hanuman selber hat von seiner Frau gemusterte Seidentücher bekommen, zum Einstecken in den Mantelkragen. Er hat gelacht, seiner Frau mit den Tüchern wie zum Abschied gewinkt und sie dann umarmt. Sie hat gelächelt, und dann haben sie sich sogar geküsst. Die Frau ist groß und dunkelhaarig, einen halben Kopf größer als Hanuman, der wirklich aussieht wie ein schmaler, sehniger Affe mit seinem langen Oberkörper und den tief liegenden Augen. Wenn ich ihn grüße, blickt er auf, sagt auch etwas und lächelt, aber es ist nur sein Mund, der mit mir spricht. Die Augen blicken mich an und bleiben stumm und leer, wie die der Tiere im Zoo, weil die in die