Rollin Becker

Rollin Becker - Leben in Bewegung & Stille des Lebens


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Patienten lebt, hat mich in den letzten achtundvierzig Jahren ausgebildet, und immer noch bin ich ein Student. Dies ist ein Teil des Übergangs, den wir vollbringen müssen.

      Wir wollen lernen, diese Mechanismen, die sowohl in uns als auch in unseren Patienten arbeiten, zu spüren und uns ihrer bewusst zu sein. Erlaubt euch während dieser Woche, wenn ihr der Patient seid, diesen Mechanismus bei der Arbeit zu fühlen, während gleichzeitig der behandelnde Student versucht zu spüren, wie dieselben Mechanismen in euch arbeiten. So kann man beginnen, Funktion zu spüren.

      Um die hier dargelegten Ziele zu erreichen, muss man drei Lernschritte durchlaufen, wobei der erste am schwierigsten ist. Zunächst musst du die Tatsache akzeptieren, dass die anatomisch-physiologische Funktion in dir und in deinem Patienten lebendig ist, bereits in Bewegung, verfügbar für deinen Befund und Gebrauch. Du musst diese Tatsache akzeptieren – schließe deine Augen, überschreite diese Grenze und hoffe, dass es immer noch einen Boden unter deinen Füßen gibt, wenn du auf der anderen Seite der Grenze aufsetzt. Plötzlich bist du zweitrangig in Bezug auf diese Sache, an der du arbeitest. Der Boss ist innen. Er ist sowohl in dir als auch in deinem Patienten. Als Behandler bist du dabei, diese Tatsache zu verstehen und zu nutzen.

      Zweitens müssen wir die Details des anatomisch-physiologischen Mechanismus im lebendigen Körper studieren. Wir müssen verstehen, dass die lebendigen anatomisch-physiologischen Details des Primär Respiratorischen Mechanismus, des Kraniosakralen Mechanismus, keine abgetrennten Funktionseinheiten sind, die separat studiert werden müssen. Wir fügen diese Details zu der Anatomie und Physiologie hinzu, die wir in der Schule gelernt haben. In meiner ersten Unterrichtsstunde bei Dr. William Garner Sutherland sagte ich zu ihm, ich sei nicht gekommen, um seine Art zu arbeiten zu lernen, sondern um mein Wissen von Anatomie und Physiologie um den Kraniosakralen Mechanismus zu erweitern, über den wir am College nichts gelernt hatten. Dr. Sutherland war es, der das unserem Berufsstand schenkte, und nun geben wir es euch weiter. Ihr seid hier, um euer Studium der Anatomie und Physiologie des lebendigen Körpers fortzuführen, und dazu gehört der Primäre Atemmechanismus. Der dritte Schritt besteht darin, lebendige palpatorische Fähigkeiten zu entwickeln. Um mit lebendigen Mechanismen in einem lebendigen Körper zu arbeiten, sind wir auf lebendige palpatorische Fähigkeiten angewiesen. Diese Fähigkeiten werden uns die Chance geben, die arbeitenden Einheiten des Körpers zu befunden und einzusetzen, damit sie selbst den Patienten behandeln können. Unsere Patienten behandeln sich jedes Mal selbst, wenn wir sie mit unseren Hände berühren – vorausgesetzt, wir kooperieren mit den Mechanismen, die in ihnen schon am Arbeiten sind.

      Überarbeitete Niederschrift eines Vortrages, gehalten 1986 im Rahmen einer Lehrerfortbildung der Sutherland Cranial Teaching Foundation in Philadelphia, Pennsylvania.

      Was ist ein Behandler? Die Rolle eines Behandlers ist es, der Menschheit zu dienen. Die Wissenschaft der Osteopathie hat ihren Ursprung in der sich offenbarenden Struktur und Funktion des Individuums. Diese kommt zum Ausdruck als ein der Körperphysiologie innewohnender Mechanismus, der Motilität, Mobilität und einen Fluid Drive besitzt. Sie stellt sich dar als eine Erfahrung aus dem Inneren des Patienten und als eine selbst erlernte, geschulte, palpatorische Kunstfertigkeit im Behandler. Das Werk von A. T. Still schenkte uns die Wissenschaft der Osteopathie. Das Werk von W. G. Sutherland schenkte uns den Primären Atemmechanismus mit seiner detaillierten Anatomie und Physiologie, und zwar nicht als eine von Dr. Stills Schaffen abgetrennte Einheit, sondern als einen in die Wissenschaft der Osteopathie integrierten Anteil.

      Folgenden wichtigen Punkt müssen wir dabei bedenken: Vom Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entdeckungen an akzeptierten Still und Sutherland die Wissenschaft der Osteopathie als ein grundlegendes lebendiges Gesetz der Körperphysiologie und die Notwendigkeit, ein Leben lang Studenten der Autorität zu sein, die der lebendigen Körperphysiologie innewohnt. Sie hörten auf, Ärzte zu sein und wurden zu Studenten. Ihre Suche war beendet, sie hatten die Osteopathie gefunden und waren nun für den Rest ihres Lebens Studenten dieser Wissenschaft. Dr. Still und Dr. Sutherland wurden zu ewigen Studenten, so wie es auch alle Behandler, die in ihre Fußstapfen treten, nötig finden werden einzuwilligen, sich von den gleichen lebendigen Gesetzen für deren Dienst an der Menschheit benutzen zu lassen.

      Wir sind jedoch nicht hier, um uns an das Werk von Still oder Sutherland zu erinnern. Wir sind hier, um Studenten der Gesetze des Mechanismus zu werden, der ihre Entdeckung war. Diese Gesetze sind zugänglich, sie sind ein offener Raum. Still und Sutherland wurden zu Studenten und gaben etwas von sich her. Sie schenkten denen, die ihnen folgten, das Werk – gaben ihnen aber lediglich Hinweise, in dem Wissen, dass jene nachfolgenden Behandler selbst ebenfalls Studenten dieses Werkes werden mussten. Die Herausforderung beim Ausüben der osteopathischen Wissenschaft besteht darin, die Körperphysiologie als ein Ganzes – ihre Struktur und Funktion als eine Einheit – zu sehen, diesen willkürlich-unwillkürlichen motilen, mobilen Fluid-Drive-Mechanismus als eine manifestierende Transmutation der Autorität zu verstehen, die in der Körperphysiologie angelegt ist. Als Ärzte und Behandler müssen wir Palpationskünste entwickeln, die es uns erlauben, von der Physiologie des Patienten benutzt zu werden. Wir müssen den Primären Atemmechanismus als eine arbeitende Einheit innerhalb der Wissenschaft der Osteopathie auffassen und diese Funktionseinheit in das Gesamtbild von Gesundheit und/oder Dysfunktion innerhalb der Körperphysiologie des Patienten einbeziehen.

      Den Körper müssen wir als ein Ganzes diagnostizieren und behandeln. Wir dürfen ihn nicht in einen somatischen und einen kranialen Teil aufspalten sondern müssen ihn als eine Einheit behandeln, ein Teil im andern. Die Wissenschaft der Osteopathie betrachtet auch die Funktion von Gesundheit und Dysfunktion als eine Gesamtheit. Es ist die Aufgabe des Behandlers, sich mit der Körperphysiologie des Patienten auseinanderzusetzen, von ihr als einem Ganzen zu lernen und dabei die Falle zu vermeiden, die darin besteht, dass man die verschiedenen Körpereinheiten trennt. Wenn ihr mit einem Körperteil arbeitet, seid ihr in Kontakt mit allen. Ihr fühlt und hört einem Teil zu, aber ihr hört dabei das Ganze. Wenn ihr auf diese Weise beim Arbeiten ‚die Tür auflasst‘ , wird er mehr als eine Einheit – er wird eine Gesamtheit.

      Wenn ihr es lernt, der Körperphysiologie des Patienten zu lauschen, mag es nach außen hin so erscheinen, als tätet ihr nichts – aber ihr arbeitet hart; längere Zeit zuzuhören, ist schwere Arbeit. Ihr könnt das jedoch erlernen, und ihr habt den Rest eures Praxislebens dazu. Still und Sutherland haben es so gemacht, ich sehe nicht, warum es euch nicht gelingen sollte. Dr. Still und Dr. Sutherland waren Studenten. Sie verbrachten ihr gesamtes Leben damit, die Wissenschaft der Osteopathie zu studieren. Und eines der grundlegenden Dinge, die sie herausfanden, war, dass es keinen Zeitpunkt gibt, an dem man aufhören kann, weiter in diese Wissenschaft einzudringen. Sie waren damit einverstanden, von den zugrunde liegenden Gesetzen, die es innerhalb einer jeden Körperphysiologie gibt, benutzt zu werden. Sie lernten es, die Regeln der Gesundheit, so wie sie in uns existieren, zu erkennen und zu nutzen. Und es sind diese Regeln, die auf dem Weg zurück zur Gesundheit gesucht werden, wenn ein Patient bei einer Dysfunktion, einer Krankheit oder durch ein Trauma unseren Dienst in Anspruch nimmt. Dr. Still und Dr. Sutherland studierten jeden einzelnen Mechanismus innerhalb der Körperphysiologie des jeweiligen Patienten;und in jedem individuellen Fall zeigte ihnen der Körper durch das, was er selbst zu tun versuchte, das geeignete diagnostische Vorgehen und Behandlungsprogramm.

      Was ist neu in der Wissenschaft der Osteopathie? Die Antwort ist einfach: Der nächste Patient, der zur Tür hereinkommt und zuvor schon überall war und alles ausprobiert hat. Die Körperphysiologie ist der Lehrer, der Behandelnde ist der Student. Der Mechanismus der Körperphysiologie bietet viele Türen, um im Dienste einer besseren Gesundheit experimentelle Erfahrungen zu machen. Als Arzt und Studierender zugleich erschaffst du auf dem Verstehen dieses Mechanismus basierende Techniken, indem du zunächst visualisierst, was deiner Meinung nach in diesem Bereich sein sollte, und dann abhängig davon, wie du den Mechanismus in jedem einzelnen Fall und in jedem einzelnen Patienten verstehst, jene Techniken entwickelst. Anders gesagt: Dir wird viel Raum für Experimente zugestanden, solange du den Gesetzen der osteopathischen Wissenschaft gehorchst. Resultate erhältst du proportional zu deinem Wissen und deinem sich verfeinernden Tastsinn. Wir als Studenten der Körperphysiologie, als Ärzte, können beim Behandeln jedes