in Slowenien oder Kroatien stattfinden, und jedes Mal soll ein hochrangiger Vertreter der EU geladen sein. Der Brdo-Prozess umfasst folgende Länder: Slowenien, Kroatien, Montenegro, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, den Kosovo und Albanien. Allein eine kurze Status-Analyse dieser Länder im Hinblick auf die Integration in die euroatlantischen Strukturen zeigt, wie heterogen diese Gruppe ist. Slowenien ist nicht nur Mitglied von NATO und EU, sondern bereits auch Mitglied des Schengen-Raums und der Euro-Zone. Nimmt man den blutigen Zerfall des kommunistischen Jugoslawien als Ausgangspunkt, so brauchte Slowenien, das von diesem Zerfallskrieg am geringsten betroffen und am besten entwickelt war, 14 Jahre bis zum Beitritt zu NATO und EU. Der Beitritt zum Schengen-Raum und zur Eurozone erfolgte knapp drei Jahre später am 1. Jänner 2007. Etwa 17 Jahre nach dem Zerfall hatte sich Slowenien somit völlig in das entwickelte Europa integriert. Kroatien trat 2008 der NATO bei, die Aufnahme in die EU erfolgte am 1. Juli 2013. Somit vergingen bereits 17 (NATO) und 22 Jahre (EU), wobei der Beitritt zum Schengen-Raum in drei Jahren möglich sein könnte. Die Übernahme des Euro ist trotz einer sehr starken „Euroisierung“ der Wirtschaft wegen der Krise kaum vor 2020 zu erwarten. Somit hat sogar Kroatien noch einen recht weiten Weg vor sich.
Nach dem Beitritt von Slowenien und Kroatien klafft eine enorme Lücke, die allerdings auch ihre paradoxen Seiten hat, wie drei Beispiele zeigen werden. Aus der Sicht der EU-Annäherung ist Montenegro formell am weitesten fortgeschritten. Offiziell haben die Gespräche Ende Juni 2012 begonnen, doch ihr Tempo ist bisher nicht gerade berauschend. Insgesamt gibt es 35 Verhandlungskapitel, von denen real 33 durchgenommen werden. Davon wurden bisher zwei leichte – Wissenschaft und Forschung sowie Bildung und Kultur – eröffnet und vorläufig auch geschlossen. Doch über die Kapitel, die eigentlich am Beginn stehen sollten und die schwierigsten sein werden, wird noch nicht verhandelt: Das sind Justiz und Grundrechte sowie Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Sicherheit. Der Grund: Montenegro war jedenfalls bis zum Sommer 2013 mit der Vorlage konsistenter Aktionspläne säumig. Andererseits hat das Parlament in Podgorica nun doch einige Änderungen der Verfassung vorgenommen, um die Unabhängigkeit der Justiz zu stärken. Ironischerweise haben Montenegro und der Kosovo allerdings bereits den Euro als Währung. Montenegro führte ihn 2002 gegen den Willen der EU über Geschäftsbanken ein, um sich weiter von Serbien zu lösen. Ansonsten ist das Land aber nicht in die Strukturen der Euro-Zone integriert und hat auch keine eigenen Euromünzen. Dasselbe gilt für den Kosovo, der ebenfalls 2002 den Euro einführte, allerdings mit Billigung der internationalen Gemeinschaft, die sich damit selbst den Zahlungsverkehr erleichterte. Der Kosovo wurde erst im Februar 2008 unabhängig und kann nun mit dem Beginn von Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen rechnen, wenn die Normalisierung mit Serbien planmäßig verläuft. Ein derartiges Abkommen bedeutet die erste vertragliche Beziehung zwischen einem Beitrittswerber und der EU, wobei sich beim Abschluss der Verhandlungen zeigen wird, wie die fünf Staaten verfahren werden, die den Kosovo nicht anerkannt haben. Denn dieses Abkommen müssen natürlich die Parlamenten ratifizieren. Trotzdem steht der Kosovo auf dem Weg Richtung EU derzeit formell an letzter Stelle, weil der Kosovo seinen Weg Richtung Brüssel als letztes Land des ehemaligen Jugoslawien begonnen hat. An der Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo hängt auch der Beginn der Beitrittsgespräche zwischen Serbien und der EU. Grünes Licht wurde beim EU-Gipfel im Frühsommer gegeben, und zwar unter dem Tagesordnungspunkt „Allfälliges“, was ebenfalls auf den Stellenwert schließen lässt, den der Balkan derzeit angesichts der internen Probleme der EU genießt. Der Kosovo und Serbien haben vereinbart, einander auf dem Weg Richtung Brüssel nicht zu blockieren, und dieser Punkt sowie die durchaus schwierigen Verhandlungen über die Normalisierung sind das positivste Signal, das der Balkan im Jahr 2013 ausgesandt hat. Das „Kapitel“ Kosovo wird Serbien auf dem Weg Richtung Brüssel wohl bis zum Ende der Verhandlungen begleiten, weil Serbiens EU-Beitritt ohne völkerrechtliche Anerkennung des Kosovo kaum denkbar ist. Doch bis dahin werden wohl noch sieben Jahre vergehen.
Die Nachzügler auf dem Westbalkan
Hinter Montenegro und Serbien rangieren Mazedonien und Albanien sowie Bosnien und Herzegowina. Bei Mazedonien hängt der Beginn der Beitrittsverhandlungen an der Lösung des Namensstreits mit Griechenland, die derzeit nicht in Sicht ist. Wie viel Zeit Mazedonien, auch durch sein provokatives Verhalten gegenüber Athen3) verloren hat, zeigt die Tatsache, dass Mazedonien den Status eines EU-Beitrittskandidaten schon im Dezember 2005 und damit zu einem Zeitpunkt erhielt – zu dem Montenegro noch kein unabhängiger Staat war. Albanien wiederum ist seit 2008 Mitglied der NATO. Seine EU-Annäherung verläuft aber wesentlich langsamer. Albanien hat die Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen schon im April 2005 abgeschlossen und den Beitrittsantrag im Juni 2009 gestellt. Die politischen Spannungen im Land und der mangelhafte Kampf gegen Korruption und Kriminalität haben aber die weitere EU-Annäherung beträchtlich verzögert. Ob sich das unter dem neuen sozialistischen Ministerpräsidenten Edi Rama ändern wird, bleibt abzuwarten.
Am stärksten belastet die Lage in Bosnien und Herzegowina die dauerhafte Stabilisierung des Balkans. Bosnien erinnert an Belgien nur mit drei gravierenden Unterschieden: Belgien ist bereits in der EU, seine Wirtschaft ist in einem weit besseren Zustand, und statt zwei Konfliktpartnern gibt es in Bosnien drei – Bosniaken, Serben und Kroaten sowie zwei Teilstaaten, die zentralistisch organisierte Republika Srpska und die Bosnisch-Kroatische Föderation, die mit ihren zehn Kantonen fast ebenso schwer zu regieren ist wie der Gesamtstaat. Bereits die Periode von 2006 bis 2010 war durch politische Stagnation gekennzeichnet, die sich auch nach den Wahlen im Oktober 2010 fortgesetzt hat.
So dauerte es in der Föderation fast ein Jahr, ehe eine Regierung zustande kam, während im Gesamtstaat erst nach 15 Monaten – und unter der Drohung einer massiven Finanzkrise – eine Regierung gebildet werden konnte. Darauf folgte eine politische Krise unter den bosniakischen Parteien in der Föderation. Im Grunde genommen hat das Land weitere vier Jahre verloren. Das gilt natürlich auch für die EU-Annäherung. Zwar konnte 2008 das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen unterzeichnet werden, doch es ist bis heute nicht in Kraft getreten, weil Bosnien und Herzegowina gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt, worauf ich später noch eingehen werde.
Das Grundproblem des Landes besteht nach wie vor darin, dass das Verhältnis zwischen Bosniaken und Kroaten sowie zwischen Bosniaken und Serben auch 17 Jahre nach Kriegsende noch immer stark belastet ist. Hinzu kommt ein ineffizientes Staatswesen, das mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Dayton vor allem mit westlicher „Hilfe“ zustande kam. Damit wurde zwar der Krieg beendet, doch ein Staat geformt, der den Anforderungen von EU-Beitrittsverhandlungen nicht gewachsen ist. Die Lösung dieses Problems wird zusätzlich dadurch erschwert, dass das im Dayton-System geschaffene „Gleichgewicht“ durch den massiven Exodus der Kroaten (von etwa 800.000 auf geschätzte 500.000) demografisch immer brüchiger wird, und nach wie vor kein gemeinsames Staatsbewusstsein unter den drei konstitutiven Völkern besteht. Eine Anpassung des Dayton-Systems ist schon deshalb unausweichlich, weil ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eine Gleichstellung der „anderen“ Volksgruppen (etwa der Roma) verlangt, und damit auch die Wahl zum drei Personen umfassenden Staatspräsidium reformiert werden muss. Dabei geht es um Ämter, die derzeit nur Kroaten, Serben und Bosniaken offen stehen. Doch das Urteil des Gerichtshofs vom 22. Dezember 2009 wurde bis dato nicht umgesetzt, und daher ist das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen noch immer nicht in Kraft getreten.
Abgesehen von politischen und ethnischen Herausforderungen haben alle Staaten des Restbalkans strukturelle, interne Probleme zu bewältigen. Dazu zählen der Aufbau einer Verwaltung, die Beitrittsverhandlungen nicht nur führen, sondern den gemeinsamen Rechtsbestand der EU auch umsetzen und die zu erwartenden finanziellen Mittel sinnvoll einsetzen kann. Außerdem hat der Restbalkan noch einen weiten Weg vor sich, um etwa die Umweltstandards der EU auch nur annähernd zu erfüllen. Hinzu kommen der Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption sowie der Aufbau eines effizienten Justizwesens. Wie das Beispiel von Ivo Sanader in Kroatien zeigt, wird vor allem der Kampf gegen die Korruption in einigen Staaten des Restbalkans einen schrittweisen politischen Elitenwechsel erfordern.
Fehlendes gemeinsames Auftreten
Der Restbalkan hat es bisher wegen politischer und ethnischer Konflikte nicht geschafft,