Eva Prawitt

Und was, wenn ich mitkomme?


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      Behutsam stellt er seine Tasse auf den Tisch, steht auf und wendet sich der Tür zu. Es ist spät und er muss zur Arbeit. Doch anstatt zu gehen, dreht er sich plötzlich, einem spontanen Einfall folgend, zu ihr um.

      »Was hältst du davon, wenn ich mitkomme?«

      So hat sie sich das nicht vorgestellt. Sie wollte dieses Erleben für sich allein haben. Aber jetzt fühlt sie sich überrumpelt.

      »Ich kann dir nicht verbieten, durch Spanien zu laufen wann und wie lange du willst«, presst sie hervor. Doch klein beigeben will sie auch nicht. »Ich kann mir bloß nicht vorstellen, dass du so lange Urlaub bekommst.«

      »Wir werden sehen«, sagt jetzt er und geht.

      *

      Noch am selben Abend steht es fest: Sie werden zusammen weg sein. Er hat sofort mit seinem Chef gesprochen und die Zustimmung erhalten, den diesjährigen Urlaub aufzusparen, um dafür nächstes Frühjahr zwei Monate frei zu bekommen. Ob sie so lange auf ihn warten wird? Warum nicht. Sie hat ein Leben lang geübt, Abstriche zu machen. Jetzt kann sie nicht plötzlich damit aufhören.

      Es stehen ihnen Monate ohne Erholungsphasen bevor. Die wenige freie Zeit ist vollgestopft mit Planen und Organisieren. Sie kaufen sich Ruck- und Schlafsäcke, Wanderstöcke, Sonnenhüte und knallrote Regencapes. Sie lassen sich von der Fränkischen St.-Jakobus-Gesellschaft in Würzburg Pilgerausweise ausstellen, die sie dazu berechtigen, in allen Pilgerherbergen kostengünstig zu übernachten. Sie unternehmen lange Samstags-Wanderungen und laufen sich Fersen und Schuhe weich. Sie reiben sich abends die Füße mit Hirschtalg ein.

      Jeder von ihnen legt sich drei Unterhosen, drei Paar Socken, zwei leichte Wanderhosen, Fleecejacke und Anorak zurecht, dazu ein paar T-Shirts, eine winzige Reiseapotheke, Ohropax,Waschzeug, das in eine Zipperplastiktüte aus dem Drogeriemarkt passt, zwei zu Handtüchern umfunktionierte Microfaser-Bodenwischtücher und Sonnencreme, was zusammen knapp neun Kilo ergibt. Sie probieren aus, wie sich das Gewicht auf dem Rücken anfühlt. Sie beschaffen sich Literatur über den Jakobsweg, über das Wandern im Allgemeinen und über Spanien im Besonderen. Sie forschen im Internet nach Pilgerberichten und erfahren, wie überlaufen der Camino Francés ist. Sie sind sich einig, dass sie keine Lust auf Gänsemärsche haben und auch nicht auf überfüllte Herbergen. Sie blättern in Landkarten und Atlanten und probieren in ihrer Fantasie unterschiedliche Routen bei Google Earth aus.

      Die Landschaft Nordspaniens stellt sich auf den Computerbildern herb und schön und verlockend dar, eine Vision aus Bergen und Meer, Geschichte und Natur, aus Kraft und Traum. Sie entscheiden sich für den Küstenweg, der von Irun und San Sebastian über Bilbao, Santander und Gijon bis nach Ribadeo führt und von dort weiter über den Nordweg nach Mondonedo bis Santiago. Sie erschrecken über die Länge der Strecke: 840 Kilometer. Sie fürchtet sich vor den Höhenunterschieden, die auch direkt am Meer auf schweißtreibende Rackerei schließen lassen. Er wird seinen Fotoapparat vermissen. Aber sie haben beschlossen, auf jedwede Technik zu verzichten.

      Auch das Handy wird zu Hause bleiben, obwohl dieser Entschluss Ängste in der Familie auslöst. Was ist, wenn jemand krank wird oder sonst irgendwie ihre Hilfe benötigt?

      »Dafür gibt es Ärzte oder andere Fachleute«, hält sie ihren Lieben entgegen, die daraufhin schwerere Geschütze auffahren: »Und was, wenn einer von uns stirbt?«

      Ihre Antwort könnte als herzlos aufgenommen werden. Sie sagt es trotzdem: »Lasst uns alles, was gesagt und bereinigt werden soll, jetzt sagen und bereinigen, sodass wir in Frieden Abschied voneinander nehmen können.«

      Das ganze Unternehmen hat auch den Sinn, sich von Erwartungen zu lösen. Das wird sie jetzt durchziehen – mit allen Konsequenzen. Und er wird es mit ihr teilen – oder auch nicht. Sie behalten sich vor, sich jederzeit auf dem Weg zu trennen. Wie oft hatte sie sich das in der Vergangenheit ausgemalt, einfach zu gehen, um zu spüren, wie es ist, ohne ihn zu leben. Aber dann hat sie es doch niemals umgesetzt. Diesmal will sie sich diese Option offenhalten, und sie werden es beide aushalten müssen. Sie sind fest entschlossen.

      Jeder von ihnen kauft sich ein Outdoor-Handbuch, in dem sie Streckenbeschreibungen und allerhand Tipps für ihren Weg finden, und ein kleines schwarzes Tagebuch. Sie buchen Flüge zu Spottpreisen. Allmählich stellt sich Vorfreude ein.

      Es ist lange her, dass sie aktiv am selben Strang gezogen haben. Doch die Anspannung macht sie unvorsichtig.

      Silvester sind sie bei guten Freunden eingeladen, bei Doris und ihrem Mann. Natürlich kommt an diesem Abend auch ihr Vorhaben, den spanischen Küstenweg zu erwandern, zur Sprache. »Da hätte ich auch Lust drauf«, schwärmt Doris. Und in einer spontanen freundschaftlichen Anwandlung bietet sie an, dass Doris mitkommen könne. Doris ist nicht der Mensch, der sich lange bitten lässt. Schon einen Tag später hat sie herausgefunden, dass im Flieger noch Platz ist. Kurzerhand verlegt sie zweieinhalb Wochen Urlaub in die geplante Reisezeit, bucht ihren Flug und kreuzt abenteuerlustig und bereit zu allem mit ihrem Gepäck einen Abend vor Reisebeginn bei ihren Freunden auf. Nun gut, gehen sie eben zu dritt. Und warum auch nicht? Hauptsache, es geht endlich los. Es ist wie eine Flucht, aber auch wie ein Angriff. Vielleicht ist es gut, nicht nur zu zweit zu sein.

      Am Abend vor ihrer Reise ertränkt sie ihre inneren Widersprüche, ihre Vorbehalte und ihre Aufregung zusammen mit ihrer Freundin in Grand Marnier. Ihr Mann hat Whiskey gewählt, was sein gutes Recht ist. Alle drei sind sehr aufgekratzt. Gegen elf Uhr erhebt sie sich.

      »Es wird Zeit«, sagt sie, »gute Nacht, Doris.«

      »Gute Nacht, Eva, gute Nacht, Pit«, antwortet ihre Freundin.

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