fallen ließ wurde ich bestaunt wie ein entsprungener Geisteskranker: „Na, hast ja noch gute Zähne, kannst’e die rohen Kartoffeln ja gut beißen.“ Ich war verwundert: „Wie das? Ich hab noch jedes Mal ordentliche Salzkartoffeln bekommen.“ Mein Gegenüber im Brustton der Überzeugung: „Ä, der kann nur rohe Kartoffeln und kochen sowieso nicht.“ Ich, mehr als erstaunt: „So? Waren deine Kartoffeln nicht durch oder was? Wie oft warst’e denn schon dort?“ Mein Gesprächspartner grinst mich überlegen an: „Na, da geh ich doch gar nicht erst hin. Rohe Kartoffeln krieg ich viel billiger in der Kaufhalle. Sogar mit Schale.“
Oder nehmen wir die kleinen Geschäfte in der Breitstraße. Um die wird Pegau weit und breit beneidet. Bei einem Stadtrundgang bemerkte ein Leipziger Gast zu einem mitlaufenden Pegauer: „Sogar einen Fisch- und Gemüsemann wie in alten Tagen habt ihr hier! Mensch, das glaub ich doch nicht! Dass es so was noch gibt. Da beneide ich Sie aber!“ Der Pegauer knurrte jedoch: „Da geh ich sowieso nicht hin.“ Der Leipziger, sehr verwundert: „Aber warum denn nicht?“ Worauf der Pegauer wütend antwortete: „Da wird der bloß noch reich von.“ Der Auswärtige ließ nicht locker: „Und Sie machen lieber Lidl oder Netto reich, was?“ „Außerdem viel zu teuer. Ich hab da mal Tomaten gekauft, die waren 40 Cent teurer als bei Lidl.“ Sein Gegenüber, zweifelnd: „Das Kilo?“ Da wurde auch er angeschaut, als wäre er soeben vor den Schrubber gerannt: „Nee, die Tomaten!“
In diesem Fall war Selbsterleben Ursache der Erkenntnis, aber hier wird deutlich, warum es für den Pegauer besser ist, sich auf Hörensagen zu verlassen.
Im Elsterflutbecken
Mir selbst ist folgendes passiert: Weil immer mehr Schaufenster leer stehen, ließ mir der Bürgermeister über einen seiner Mitarbeiter mit den Worten antragen: „Das ist doch auch für Sie eine gute Reklame“, in diese leeren Fenster Bilder zu stellen bzw. zu hängen. Er ließ nicht locker, also ließ ich mich breitschlagen und tat es. Was ist das Resultat? Ich wurde in pegauische Gedankengänge einbezogen. Der gemeine Pegauer kam zu drei Schlussfolgerungen: „1. Der muss es ja nötig haben, überall seinen Scheiß aufzuhängen, wird ihn wahrscheinlich nicht mehr los. 2. Jetzt hab ich Bilder von dem gesehen, muss ich ja nicht mehr in die Galerie gehen, und 3. Wer weiß, was die dem wieder zahlen, damit der seinen Mist hier aufhängt.“
Fehlt nur noch, dass der Wanderer wieder des Wegs kommt, der uns immer vorhält: „Na, das könnt ihr doch alles von der Steuer absetzen.“
Die so charakterisierte pegauische Mentalität kann man im Übrigen mit der des Zaunkönigs vergleichen. Nicht, dass er so flatterhaft wäre oder so grazil oder ständig auf seinem Zaun säße. Nein, er sitzt ständig dahinter. Und wie regierende Staatshäupter überhaupt nur schwer aus ihren Territorien zu locken sind, ist auch er nur schwer hinter der stabilen Markierung aus Latten und Riegeln hervor zu bekommen. Das gelingt noch am ehesten mit geselligem Essen und Trinken, am sichersten jedoch mit Freibier und einer kostenlosen Bratwurst.
Es ist zwar nicht ganz einfach und manches Mal weiß man auch nicht, warum, aber wenn es einen gepackt hat, dann mag man ihn dennoch, so wie er ist, den Pegauer. Und genau hingeschaut, etwas sind wir doch alle so.
Unter diesen Gesichtspunkten sollte man für die Wiederherstellung der großen Dachgauben auf dem Rathaus Landesmittel aus dem Topf für Wirtschaftsförderung akquirieren. Schwieriger ist das mit dem für den anlässlich des erwarteten Aufstiegs des TuS Pegau in eine höhere Kreisklasse geplanten Anbau eines Balkons an das Rathaus. Dazu könnten höchstens Mittel aus dem Topf für Sportförderung beantragt werden.
Das wunderhübsche Städtchen Pegau, malerisch gelegen in der goldenen Aue, durchquert von dem wilden Flüsschen Elster, war schon immer geprägt von der Geduld seiner Bewohner. Als letzthin die Elster weit über ihre Ufer trat und ihnen erklärt wurde, dass man für Pegau nichts tun könne, weil dann die Leipziger feuchte Füße bekämen, blieben sie ruhig und meckerten, wie immer, still hinter ihren Gartenzäunen herum.
Diese unerwartete Duldsamkeit führte nun dazu, dass Pegau wieder einmal in seiner langen Geschichte überregionale Bedeutung erlangen wird, nämlich als ausgewiesene Hochwasserschutz-Polderfläche für Leipzig.
Es wird zurzeit gerätselt, ob der nächste Bürgermeister von Pegau ein Versicherungsfachmann oder ein Grüner sein wird?
Rundgang durch eine kleine Stadt – Wunderliches, Merkwürdiges, Denkwürdiges und Absonderliches
In alten Tagen führten die meisten Fernstraßen durch Dörfer und kleine Städte. So kam man, oft unbeabsichtigt, in manchen Ort, der ansonsten niemals Ziel einer Reise geworden wäre und fand mitunter einen Grund zur Wiederkehr. Heute führen die Straßen zur Reise in entferntere Regionen um diese kleinen Ortschaften herum oder an ihnen vorbei. Man kennt höchstens noch ihre Namen, erfährt aber ansonsten nichts von ihnen.
Grubenvorgelände
So ergeht es auch dem Kleinstädtchen Pegau im Süden von Leipzig. Bereits seit 1964 führt die Fernverkehrs- und spätere Bundesstraße Numero 2 an ihm vorbei. Bis dato musste ein jeder, der nach Zeitz oder Hohenmölsen und darüber hinaus wollte, über den Markt und durch die Breitstraße dieser Stadt fahren, sah so manche einladende Gastwirtschaft, eine beachtliche Kirche, ein wunderlich an das Leipziger gemahnendes Rathaus und beschloss, wenn Zeit sei, wiederzukehren.
Zu dieser Zeit lag der Bahnhof dieser Stadt, wie einige Einwohner vermuteten, an der Strecke Borne-Peesche-Budabeschd, Pegau schien international werden zu können.
Zur Gewinnung von Kohle nahm ein Tagebau Teile der Stadt und die alte B2, die damals noch eine Fernverkehrsstraße war, von der Landkarte. Heute führt die neue B2 und der Zufall keine Gäste mehr nach Pegau. Wer hier ankommt, hat den Ort mit Bedacht zum Ziel der Reise gewählt.
Doch welche Großstädter wollen schon nach Pegau?
Aber hat man sie einmal hergelockt, sind die meisten doch begeistert von einer wunderbar intakten Altstadt, den kleinen Läden, die noch immer (trotz Lidl, Rewe, Norma, Netto und Kik) existieren, von den Gaststätten und der Gastlichkeit dieser sechstausend Seelen Stadt.
Und viele kommen wieder!
Kommt man von der B2 nach Pegau, so wird man von Rewe, einem Autohaus, der Tankstelle, Lidl und einem kleinen Blumenladen begrüßt, ohne dass dies etwa großstädtisch wirken würde.
Kurz danach reckt sich rechts der Straße eine alte Postmeilensäule in den Himmel.
Einst hatte die Stadt zwei davon. Eine vor dem Unter- (eben jene, vor der wir gerade stehen), und eine vor dem Obertor.
Die Pegauer Kursächsischen Postmeilensäulen sind aus Zeitzer Sandstein gefertigt und wurden 1723 errichtet. Eine Säule kostete ehemals 20 Taler.
Zur Feier ihrer „Inbetriebnahme“ spendierte der damalige Bürgermeister für drei Groschen Bier. Eine Tatsache, die so bedeutsam war, dass sie in den Chroniken der Stadt verzeichnet wurde und wiederum ein Beispiel dafür ist, wie sich die Zeiten wandeln.
An diesem Beispiel wird nämlich wieder einmal deutlich, wie sehr die Aufgaben der Kommunalpolitiker mit den Jahren doch gewachsen sind. Stellen Sie sich vor, einer dieser politischen Würdenträger käme heute mit Bier für drei Groschen (ein halber Liter Sachsenbräu) und riefe Ihnen zu: „Ich geb’ einen aus!“
Der Mann oder die Frau würde die nächste Kommunalwahl nicht überleben.
Etwas anderes wäre es da schon, wenn er diesen halben Liter Bier annehmen würde. Da könnte ein Parteifreund oder ein anderweitig Missgünstiger eine Anzeige wegen Bestechlichkeit anstrengen. Das gibt es nicht nur auf kommunalpolitischer Ebene sondern auch ganz oben. Denken Sie doch nur an den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Gut, der hat auf dem Oktoberfest für siebenhundert Euro Bier getrunken, aber dafür war er