Erhard Heckmann

100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2


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des kanadischen Ostens, waren auch die Neuenglandstaaten Zugaben am Rande unserer Wege, die uns Kanada und Alaska erschlossen, und auf die wir neugierig geworden waren, nachdem uns Amerikas mittlerer und südlicher Westen mit seinen grandiosen Naturdenkmälern bis hin nach New Mexico auf einer der ersten selbst konzipierten Überseereisen in seinen Bann gezogen hatte.

      Vor der Begeisterung für Wohnmobil und Übersee erfüllten Zelt, Auto und Europa diese Rolle, ehe uns Mietwagen auf eigenen Wegen Südafrika, Zimbabwe, Botswana und Namibia erkunden, oder Blicke in den Mittleren und Fernen Osten werfen ließen. Letztendlich aber war es die Wohnmobilbegeisterung, die uns zu Reisefans werden und immer wieder aufbrechen ließ, bis hin nach Australien oder Neuseeland.

       Richtung Bella Coola, einem phantastischen Abenteuer entgegen

      Als wir uns im Juli 2002 zum zweiten Male Richtung Kanada in den Flieger setzen hieß die Devise, weniger Kilometer und Individuelles zum Gesamterlebnis zu verbinden. Viel weniger als vorher waren es zwar auch nicht, doch übertraf der Trailritt in die Wildnis alle Vorstellungen und wurde, trotz vieler anderer Erlebnisse, zum eigentlichen Highlight. Statt der „Air Canada“ brachte uns die Lufthansa auf dieser Reise nach Vancouver, und dort der grüne „Porter-Bus“, der alle Hotels anfährt, die keinen eigenen Service bieten, vom Level II des Airports für je zwölf Dollar zum Empire Landmark Hotel, das mit seinen etwa dreißig Stockwerken im unteren Teil der Robson Street für Touristen recht zentral liegt. Während die Zimmer in diesem Hotel einen recht ordentlichen Eindruck hinterlassen, war es in der Lufthansamaschine „doppelt“ eng, grundsätzlich und wegen des Nachbarn. Dieser äußerst gut Genährte war ein nach Kanada ausgewanderter Italiener, der seine alte Heimat besucht hatte und nun auf dem Rückweg war. Sein Englisch war fließend, aber schreiben und lesen konnte er die Sprache kaum, und meine Hilfe beim Ausfüllen der Einreiseformalitäten sehr willkommen. Der ruhige Neuneinhalbstunden-Flug bot wunderbare Sicht auf grönländisches Eis, zog seine Bahn weit oberhalb der Hudson Bay über die Northern Territories, und auf der Höhe von Calgary überflogen wir bei blauem Himmel die schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains.

      Am nächsten Morgen ist Sonntag, Sonne pur und viel Zeit zum Bummeln. Wir kennen die Stadt und ihre Umgebung zwar schon ziemlich ausführlich, doch „die Perle am Pazifik“ hat immer etwas zu bieten. Also los: Die Robson Street gilt als Einkaufsmeile, Gastown ist gemütlich und betriebsam zugleich, an der Waterfront legen beim Convention Center die Luxusliner an und, etwas östlich davon, läßt sich vom Sea-Bus-Terminal für sehr wenig Geld nach North Vancouver übersetzen, während China Town kein unbedingtes Muss ist. Vancouver begeistert aber schon durch seine grandiose Lage am Wasser und sein mildes Klima. Burrard Inlet, False Creek und Strait of Georgia umschlingen diese Schöne, während glitzernde Fjorde und Berge den Rahmen setzten. Mit Szenenkneipen, restaurierten Straßenzügen, schicken Läden, einer quirligen Innenstadt, Yachthafen, Badebuchten und netten Vorstädten hat diese westkanadische Metropole nicht nur ein ganz besonderes Flair, sondern sie wirkt auch gemütlich und keinesfalls hektisch. Eine halbe Million Menschen wohnt hier auf der geographischen Breite von Paris, eine reichliche mehr in den Vororten des Mündungsdeltas des Fraser Rivers. North- und Westvancouver, an den Hängen der auf über 1.200 Meter ansteigenden Coast-Mountains gelegen, gelten als begehrte Wohngebiete, doch entstand in den letzten Jahren auch am Südende der Waterfront, am zweiten Boots- und Yachthafen, viel Elegantes und Teures. Nur der schöne Weg, der sich entlang des Wassers bis zum Stanley-Park zieht, und den sich Fußgänger, Fahrradfahrer und Skater teilen, hat mit den exklusiven Preisen für die Luxuswohnungen in den parkähnlichen Anlagen nichts zu tun.

      Der Stanley-Park, sein Aquarium mit den weißen Belugawalen, Granville Island und der Public Market, die Gondelbahnfahrt zu den Gouse Mountains und all die anderen Ausflugsziele standen schon auf dem Programm der letzten Reise, so dass wir uns heute hier einen Espresso, dort einen Eisbecher und anderswo eine schön gelegene Bank gönnen und dem lustigen Treiben zuschauen können, ohne von der Uhr getrieben zu werden. Anschließend ist auch der „Paddle Wheeler“, der am Südende der Waterfront ablegt, bei diesem Strahlemann-Wetter eine herrliche Sache, denn er schippert für rund zwei Stunden entlang der Hafenanlagen und läßt erkennen, dass Vancouver hauptsächlich vom Handel lebt. Jene strecken sich aber nicht nur etwa 150 km entlang des Burrard Inlet und des Fraser Rivers, sondern sie sind auch die größten an der nordamerikanischen Pazifikküste. Ganz anders dagegen die English Bay, an der wir vor zwei Jahren das alljährliche Nationen-Feuerwerk erlebten, bei dem Deutschland auf Platz drei kam, denn hier laden Strand, Liegewiesen und unzählige kleine, nette Restaurants zum Verweilen ein. Heute, in den späten Stunden des Nachmittags, scheint hier „ganz Vancouver“ auf den Beinen zu sein, zu Fuß, mit Rennrad, Mountainbike oder per Skater, und mitten drinnen auch Touristen aus vielen Nationen. Für die meisten von ihnen ist Vancouver Start- oder Endstation, denn mit Auto, Wohnmobil, Bus oder Schiff, organisiert oder auf eigene Faust, ist man in diesem Land hervorragend mobil. Und selbst die Eisenbahn hat sich darauf eingerichtet, mit luxuriösen Panoramazügen wie dem Rocky Moutaineer, Northwind, Cariboo Prospector oder der Pacific Starlight Dinner Train, ein oder mehrtägig, mit oder ohne Hotelaufenthalt. Die regionale Küche mit Weinen aus dem heißen Okanagan Valley, Pacific Lachs oder Albertas Beef ist in ihnen ebenso präsent, wie auf der „Golden Circle Tour“, auf deren Panoramafahrt die Passagiere auch Jasper, Lake Louise und Banff erleben.

      Wir bleiben allerdings beim Wohnmobil, und deswegen sind wir am nächsten Morgen mit dem Vermieter CANDAN zum Vorort Langley unterwegs um unseren Camper zu übernehmen. Er ist perfekt aufgeteilt und eingerichtet, knappe sieben Meter lang, reichlich zwei breit und die Stehhöhe vertritt ein ähnliches Maß. Von der Komplettausstattung ist nur der eingebaute Fernseher überflüssig, alles andere dient einer angenehmen Reise. Links neben dem rechtsseitigem Einstieg auf der rechten Seite Spülbecken, Heißwasserspeicher, Gasherd, Mikrowelle, Kaffeeautomat, Kühlschrank mit Gefrierfach; hinter der Spiegeltür an der Rückseite der Waschraum, rechts daneben WC und Dusche, und vor dem sich auf der linken Fahrzeugseite anschließendem großen Seitenfenster die Sitzecke, der sich nach vorn Fahrer- und Beifahrersitz anschließen. Über beiden hat das auf die Hälfte zusammengeschobene und unter die Decke hochgezogene Alkovenbett seinen Platz, das nach zwei Handgriffen in seinen Nachtzustand nach unten hinten einklickt und zwei Personen reichlich Platz bietet. Wandschränke und Schubkästen schließen fest und sicher, und ein von außen zugänglicher großer Stauraum, in dem auch die Axt fürs Feuerholz als auch die Rad-Hölzer zum Bodenausgleich auf den Stellplätzen zu finden sind, sorgt im hinteren Fahrzeug für zusätzliche Transportkapazität. Tanks und Versorgungsanschlüsse sind leicht zu erreichen und einfach zu bedienen, und die sich an der rechten Außenwand verbergenden Jalousie und Außendusche sind so willkommen wie der starke Zehn-Zylinder Motor und die Wendigkeit des fast neuen Weggefährten. Nach der Übergabekontrolle der angegebenen Stände für Frisch- und Abwasser (grey und black), Flüssiggas, Versorgungsbatterien, Benzin, Kilometer und Öl werden noch die entdeckten kleinen Kratzer im Vertrag notiert, und dann geht’s ab zum Supermarkt der Kette „SAVEAWAY“, denn dafür haben wir vom Wohnmobilvermieter eine kostenlose 10-Prozent-Diskontkarte, die auch auf der ganzen Reise gute Dienste leistet. Und dieser Großeinkauf am Beginn einer Reise gehört auch stets zu den besonderen Highlights, denn in nordamerikanischen Supermärkten nach Herzenslust zwei Einkaufswagen so richtig voll zu packen, macht riesigen Spaß, der auch heute an der immensen Fleischtheke durch die Tagesattraktion noch eine Aufwertung erfährt. Die Botschaft „nimm vier, zahl zwei“ wandeln wir sofort ab, denn unser Tiefkühlfach ist groß genug, um die Version „wir nehmen zwölf Steaks, und zahlen sechs“ auf den Prüfstand zu stellen.

      Nach knapp drei Stunden ist alles beisammen, gut verstaut und wir, gemeinsam mit den zwölf Steaks für den Preis von sechs, auf der 1A West unterwegs, die wir nördlich von Vancouver bei Horseshoe Bay wieder verlassen und auf den ruhigen Highway 99 abbiegen. Dieser folgt dem Howe Sound, erlaubt herrliche Blicke auf den tief unten liegenden Fjord und klettert als „Sea-to-the-Sky Hwy.“ hinauf in die waldreichen Coast Mountains. Von ihm zweigen zwar auch mehrere Seitenstraßen in den knapp 2.000 Quadratkilometer großen „Garibaldi Provinz Park“ ab, doch unser Ziel an dieser Straße heißt Whistler. Der gemütliche und beliebte Luftkurort ist, trotz Gondelbahn und vieler Wanderwege, in erster Linie jedoch ein Eldorado der Mountainbiker und Skifahrer. Dass Letztere mehr als dreißig