Wanderwege durch eine ebensolche Landschaft und lassen staunen. Auf der weiteren Fahrt begleiten uns weitere „Westernortschaften“ wie Mount Vernon, John Day, dessen benachbartes Canyon City während des Goldrausches 1862 die größte Stadt Oregons war, der kurze Picture Gorge, wo gewaltige Berge näher zusammenrücken, ehe ein breites Tal Rinderfarmern wieder mehr Platz bietet. Hinter Prairie City hält der kurze, steile Dixie Pass (1.609m), über den die „7“ als „Through Time Scenic Byway“ führt, nicht nur einen schönen Rundblick bereit, sondern dort erinnert auch ein überdimensionaler Planwagen daran, dass man sich unweigerlich dem Oregon Trail nähert. Aber Baker City und der berühmte Trail stehen für uns erst morgen an, weil in diesem „Karl May und Winnetou-Land“ ein Campground im hohen Ponderosa Kiefernwald am Phillips Lake lockt und wir vorher noch einen kurzen Umweg Richtung Sumpter auf der geteerten Granite Hill Road unternehmen möchten. Zu Sumpter wurde 1890 Oregons einzige Dampfeisenbahn etabliert, die, weil Holz und Goldminen in jenen Tagen ein erhebliches Potential besaßen, als „Sumpter Valley Railway“ florierte und von 1910 bis 1947 auch Prairie City mit Baker City verband. Der Pfiff der renovierten Dampflock ist zwischen Mai und September auch in unserer Zeit wieder zu hören, wenn sie an Wochenenden und Feiertagen für 15 $ ihre Runde zwischen Sumpter und McEven zieht. Und in der Nähe erinnert auch noch ein überholter und unter Schutz gestellter Goldbagger, der Sumpter Dredge, an Pioniertage, der seine letzte Schaufel goldhaltiges Gestein 1954 hob. Als er damals in Rente ging stand seine Gesamtausbeute bei mehr als vier Millionen US-Dollar. Aus jener „Mining-Zeit“ blieben hier auch einige Geisterstädte, oder deren Reste, übrig, die mit Namen wie Whitney, Bourne, Granite, Bonanza, Greenhorn, Sparta, Auburn, Clarksville, Sumpter oder McEven über die „7“ und „86“ zu finden sind. Nicht alle verdankten ihre Entstehung dem Gold, doch als Henry Griffin am 23.Oktober 1861 südwestlich des heutigen Baker Ville in einem Bach das erste Gold fand, war der Boom ausgelöst, und im Frühjahr des folgenden Jahres Auburn die erste „Stadt“, die in der Wildnis entstand. Für andere waren die Eisenbahn oder das Holz die Grundlage, und wieder andere erreichten nur Zeltstatus, weil das Gold schnell zu Ende war.
Vom Union Creek Camping am Nordufer des Phillip-Sees (60 Plätze; 18 Dollar mit Strom pro Wohnmobil; Wasserski, schwimmen, wandern, fischen) sind die 15 Meilen bis Baker City bei blauem Himmel und Sonnenschein schnell erledigt. Die Stadt, die langsam wuchs, 1866 ein Post Office erhielt und in ihrem Tal von den Wallowa Mountains im Osten und, gegenüber, durch die „Elkhorns“ geschützt wird, liegt am berühmten Oregon Trail. Durch ihre Downtown zieht der Powder River dem „Snake“ entgegen, und auf beiden Seiten greifen große Forstbereiche nach ihr. Dennoch bleibt für die weniger als zehntausend Einwohner genügend Platz, wie auch für die im Schachbrettmuster großzügig angelegten Straßen, in deren Mittelpunkt die First Street steht. Kirche, Kathedrale und der historische Teil, in dem die City Hall zu den schönsten Gebäuden zählt, finden sich damit automatisch. Sieben Jahre vor der letzten Jahrhundertwende sorgte hier ein Achtzehn-Millionen-Dollar-Renovierungsprogramm dafür, dass der heutige Besucher wieder vom gleichen Design empfangen wird wie diejenigen, die hundert Jahre früher durch diese Straßen gingen. Lange sah es jedoch nicht danach aus, denn als man 1977 feststellte, dass die Goldrauschzeit noch 110 Gebäude überlebt hatten, war bei vielen die schöne Fassade in den 1950er Jahren längst unter grauem Einheitsputz verschwunden, dem man anschließend wieder zu Leibe rückte.
Auf unserem Stadtbummel, den wir kurz vor Acht Uhr starten, werden wir davon überrascht, dass um diese Zeit maximal der Bäcker oder ein „Coffeehouse“ die Türen schon geöffnet haben, und bei den Passanten ist es ähnlich. Man könnte sie auch per Handschlag begrüßen und würde dennoch kaum Zeit verlieren. Aber die, die wir treffen, sind unwahrscheinlich freundlich, und einer von ihnen klärt uns auch auf: „Vor 9 Uhr 30 geht nichts“. Also marschieren wir weiter, gehen frühstücken, stocken danach im „Saveaway“ für 75 Dollar unsere Vorräte auf und schauen anschließend hier und dort noch rein. Danach geht die Reise auf der „86 Ost“, dem „Hells Canyon National Scenic Byway“ weiter, dessen erste Meilen uns hinauf zum „National Historic Oregon Trail Interpretive Center“ bringen, das mit großartigen Darstellungen aufwartet; innen auch mit lebensgroßen Gespannen, außen mit mehreren Planwagen und einem sich heraufschlängelndem schmalen Asphaltstreifen. Mit diesem sollte das Stück des Oregon-Trails sichtbar gemacht werden, das hier über diesen Berg zog. Und „hier“ heißt: Wo der historische Weg auf das herrliche Baker Valley traf, und die frühen Emigranten über die Südseite des Flagstaff Hills nach oben zogen und die Blue Mountains im Westen sahen. Und das war dort, wo ein einzelner, großer und starker Nadelbaum stand. Mächtig und majestätisch behauptete er über der Talsenke seinen Platz und diente, wie ein einsamer Wächter, Indianern, Trappern, Missionaren und Oregon-Emigranten über Jahrzehnte als Wegweiser. Und dieser Ort, der hier in der Powder River-Region als „Lone Tree“ bekannt war, wurde von vielen der frühen Travellers auf ihrer langen Reise auch für eine kurze Erholung genutzt. Als sich Amerika in den 1800er Jahren von der östlichen Hälfte Richtung Westküste ausbreitete, war der Oregon Trail für etwa acht Jahrzehnte der natürliche Korridor, der über rund 3.500 Kilometer vom Missourie River Richtung Rocky Mountains westwärts zum Willamette Flusstal führte, das sich bei Oregon City, am Rande Portlands im Bundesstaat Oregon nach Süden ausbreitet und über den fast 400.000 Menschen zogen. Im südlichen Idaho bog ein Pfad nach Kalifornien ab, und der Mormon Trail verband von Counvils Bluff nach Salt Lake City. Entstanden ist der heute historische Weg aus zahlreichen, nicht mit einander verbundenen Indianerpfaden, die der Pelzhandel ausdehnte. In den 1830er Jahren folgten Missionare der schwachen Spur entlang des Platte- und Snake Rivers, und ein Jahrzehnt später, als westlich des Mississippis nur drei amerikanische Staaten existierten, sorgten politische Ereignisse, der Zusammenbruch des internationalen Pelzhandels und die Wirtschaftskrise für die große Wanderung nach Westen. Und der gleichen Route, die als „Oregon Road“ in die Geschichte einging, folgten bald auch die Priester, um die Indianer zu christianisieren, und diese Migration veränderte alles. Zunächst verwischte sie die Grenze zur Wildnis, und innerhalb weniger Jahrzehnte veränderte sie auch das Leben der Indianer. Auch die Grenze der Nation wurde von der Kontinentalen Wasserscheide bis an den Pazifik verschoben und das Leben von Millionen von Büffeln ausgelöscht. Schließlich einigten sich die USA und England, die das „Oregon Country“ bisher gemeinsam genutzt hatten, auf eine Grenze entlang des 49. Breitengrades. Danach bewältigte die Transkontinentale Eisenbahn die riesigen Distanzen und setzte neue Maßstäbe.
Der Weg bis dahin, und an den Willamette Fluss, der seinen südlichen Weg etwa einhundert Kilometer parallel zum Pazifik sucht, war jedoch weit, schwierig, kaum vorhanden und führte durch Gelände, bei dem jeder einzelne Abschnitt seine eigenen Probleme in den Weg legte. Am Anfang waren die „High Plains“ zu bewältigen, wo es galt, sich der Routine anzupassen, ihre Wagen in Ordnung zu halten, auf Wasser und Gras für das Vieh zu achten und miteinander auszukommen, das Camp täglich auf- und abzubauen und fairen Regeln zu folgen, die jeder einzuhalten hatte. Und als „tägliche Routine“ wurde folgendes überliefert: Der Weckruf der Nachtwache ertönte Vier Uhr morgens; eine Stunde später wurden die nachts weidenden Rinder zusammengetrieben, und ab 5 Uhr 30 stand das Frühstück bereit. Nach dem Sieben Uhr-Trompetensignal machten sich dreißig Minuten später mit Schaufeln und Hacken ausgestattete Reiter auf den Weg, um Fahrbahnprobleme zu beheben, während die Frauen das Nachtlager abbauten und die restlichen Männer die Wagen beluden und ihre Teams für den umgehenden Start fertigmachten. Nach einer kurzen Mittagspause für Mensch und Tier waren die Pioniere zwischen 13 und 17 Uhr wieder unterwegs, um täglichen 25 bis 30 Kilometer zu schaffen. War abends ein Übernachtungsplatz mit Gras und Wasser gefunden, wurde ausgespannt, die Wagen in Halbkreisen aufgestellt und um 18 Uhr ausgeladen, was gebraucht wurde. Danach wurden die Wachen für vor und nach Mitternacht eingeteilt, zu Abend gegessen und ab 20 Uhr geschlafen. Sechs Reisetagen folgte ein Ruhetag, denn die Siedler wussten von erfahrenen Stimmen, dass einige der schwierigsten Wegstrecken erst gegen Ende der langen Reise anstehen, wenn die Berge noch vor dem Winter überquert werden müssen. Der Start, der auch im Platte River-Tal (Nebraska) noch durch einfaches Gelände führte, musste unbedingt im Frühjahr erfolgen, um unterwegs auf genügend Gras und sauberes Wasser zu treffen, denn bei späterem Aufbruch war das nicht immer der Fall und der Auslöser dafür, dass unterwegs mehr Menschen an Cholera starben – ihre Ursache war damals noch unbekannt – als aus jedem anderen Grund.