kaum noch einen Schluck Flüssigkeit bei sich. Ihre wunderschöne, braune Haut nahm einen aschfahlen Ton an und unter den Augen bildeten sich tiefe, dunkle Schatten. Zum Schwimmen und Erholen blieb keine Zeit mehr. So konnte sie sich seit dieser einen letzten Nacht nicht mehr mit Gordon treffen.
Kurz vor der Morgenvisite schleppte sich Melissa in die Stationsküche. Dort stand der Oberarzt mit einer Tasse starken Kaffees in der Hand. Sonst befand sich niemand im Raum.
„Möchtest du auch eine Tasse?“, wandte er sich besorgt an sie. „Du siehst aus, als könntest du einen Muntermacher brauchen.“
Er goss ihr eine Tasse voll und reichte sie ihr. Sie nahm den heißen, dampfenden Kaffee mit zitternden Händen entgegen und sank auf einen Stuhl. Plötzlich meinte sie das Gefühl zu haben, als würde der Küchenschrank rundherum kreisen. Rasch schloss sie die Augen, um dieses unruhige Bild zu verscheuchen.
„Melissa, du siehst vollkommen erschöpft aus. Mach’ eine Pause, sonst rede ich selbst mit meiner Tante“, bot er ihr an.
Sie jedoch schüttelte nur den Kopf und antwortete leise: „Es geht schon gleich wieder.“
Heute war Mitte der Woche und an jedem Mittwoch begleitete die Mutter Oberin persönlich die Visite in der Kinderklinik. Gordon stellte seine leere Tasse in den Abwasch und verließ die Küche mit einem bedenklichen Blick auf die Ordensschwester. Melissa trank nichts von dem Kaffee. Allein schon der strenge Geruch widerte sie regelrecht an und da ging es auch schon wieder los. Ihr Magen drehte sich um und sie flüchtete nur noch auf die nächste Toilette. Vollkommen fertig, mit wackeligen Beinen sah sie auf die Uhr. Die Visite hatte bereits begonnen. Sie kam zu spät. Das auch noch, gerade heute, dachte sie.
Die Oberin sah auf ihre Uhr. „Nanu, wo bleibt denn Schwester Melissa?“, erkundigte sie sich.
Doch da ging die Türe auf und die Schwester kam völlig aufgelöst herein. Ihr Schleier saß schief und einige ihrer krausen Haare lugten hervor.
„Können wir dann beginnen?“, drängte die Mutter sichtlich ungeduldig und warf der Stationsschwester einen tadelnden Blick zu.
Melissa stand neben Gordon mit Block und Stift, um die neuen Anordnungen zu notieren.
Doch sie schrieb nichts auf. Die Worte des Oberarztes hallten im Krankenzimmer von einer Wand zur anderen. Sie behielt nichts von dem, was er sagte. Die Kinderbetten begannen zu kreisen, immer schneller und schneller. Der Schreibblock glitt ihr aus der Hand und ihre Beine versagten den Dienst. Aus dem Augenwinkel sah Gordon sie fallen. Er warf die Kinderkurve, die er in der Hand hielt, seiner Tante zu. Diese hatte Mühe das Dokument aufzufangen. Gerade noch rechtzeitig fing er die Schwester in seinen Armen auf, bevor sie auf den Boden sank.
In diesem Moment vergaß er alles. Nur die Angst beherrschte ihn.
„Melissa!“, rief er zutiefst erschrocken. Schnell trug er sie in den angrenzenden Untersuchungsraum und legte sie auf eine Liege. Dort schlug sie die Augen wieder auf.
„Melissa, was ist los mit dir? Du gefällst mir gar nicht“, stellte Gordon besorgt fest.
„Mir ist so furchtbar schwindlig und übel“, antwortete sie leise.
Der Arzt schloss die Türe zum Untersuchungsraum, um alle Neugierigen auszusperren. Er zog das Ultraschallgerät zu sich heran.
„Machst du mal bitte deinen Bauch frei?“, forderte er sie auf.
Sie blickte ihn etwas irritiert an. „Nein, nein“, wehrte sie ab. „Ich glaube, ich habe mich bei den Kindern infiziert“, redete die Schwester weiter.
„Das werden wir gleich sehen“, erwiderte er.
Gordon setzte den Ultraschallkopf auf ihren Bauch. Er brauchte auch gar nicht lange zu suchen, als ein Grinsen über sein Gesicht zog.
„Na, da haben wir es ja. Du hast einen Untermieter bei dir einquartiert“, lachte er erleichtert.
„Was habe ich?“ Melissa hob den Kopf und starrte auf den Monitor.
„Du bist schwanger, meine Liebe. Sieh mal, wie munter das kleine Kerlchen ist. Es schlägt laufend Purzelbäume“, amüsierte er sich.
„Um Himmel willen, Gordon“, rief sie aus. Fassungslos fiel ihr Kopf zurück auf die Liege. „Ich bekomme ein Baby? Und es schlägt Purzelbäume? Kein Wunder, dass mir so schlecht ist.“
Doch dann sah sie ihn entsetzt an. „Was jetzt? Ich kann der Mutter Oberin schlecht sagen, dass ich es vom heiligen Geist empfangen hätte“, gab sie zu bedenken.
„Das stimmt, weil es ganz eindeutig mein Kind ist. Das ist doch sonnenklar. Aber du brauchst dir keine Sorgen machen. Ich liebe dich. Ich lasse dich nicht im Stich, wenn es das ist, was du befürchtest.“ Damit küsste er sie auf ihre blassen Lippen.
„Doch jetzt müssen wir dringend etwas für dich tun, sonst verlierst du unser Kind“, ordnete er an. Er legte ihr sofort eine Infusion und ließ ein Bett für sie bringen.
„Auf die Entbindungsstation“, sagte er zu der verdutzt dreinschauenden Schwester.
„Haben Sie sich da nicht vertan?“, wunderte sich diese.
„Nein, absolut nicht“, bestätigte der Arzt schmunzelnd. „Und Sie halten den Mund!“, gab er der Schwester mit auf den Weg. Seine Stimme klang streng und sein Gesicht wirkte ernst.
Melissa bekam ein schönes, helles Einzelzimmer, damit nicht alle gleich mitbekamen, dass die Stationsschwester von der Kinderklinik ein Baby bekam. Dieser Umstand würde noch schnell genug die Runde im gesamten Kloster machen.
„Absolute Ruhe, viel Flüssigkeit und wenn sie wieder Appetit bekommt, leichte Kost“, ordnete der Oberarzt der Entbindungsstation an. Er lachte Melissa schelmisch an. „Aber Schwester, haben Sie etwa von den verbotenen Früchten genascht?“
„Es ist zwar selten, aber es kommt eben doch mal vor, Herr Oberarzt. Adam und Eva konnten sich auch nicht zurückhalten“, antwortete sie.
Gordon kam gerade die Treppe herunter, als ihm die Tante in den Weg lief.
Diese fiel aus allen Wolken, als sie vor wenigen Minuten von der Schwangerschaft ihrer Stationsschwester erfuhr. Da Melissa jetzt die ganze Zeit über brav ihren Dienst wie immer verrichtete, meinte sie die Phase der Schwärmerei für den Kinderarzt sei vorbei. Doch dass es solche Ausmaße annahm, ahnte sie nicht im Mindesten.
„Gordon, mit dir muss ich sofort ein ernstes Wort reden!“, befahl sie in strengem Ton.
Grinsend folgte er ihr in das Büro.
„Was ist los? Warum liegt Schwester Melissa auf der Entbindungsstation?“, bombardierte sie ihren Neffen erbarmungslos mit Fragen.
„Nun, warum wohl? Weil sie ein Baby bekommt“, antwortete er rundheraus.
„Und das sagst du mir einfach so ins Gesicht? Melissa, ein Baby? Von wem? Wer ist der Vater?“, überfiel sie ihn höchst nervös mit weiteren Fragen, obwohl sie es bereits ahnte.
„Ich“, gab er schlicht mit einem charmanten Lächeln zu.
„Da gibt es gar nichts zu lachen! Du bist dir absolut sicher?“, wollte sie eine Bestätigung und durchbohrte ihn dabei mit ihren Augen.
„Ja, ich bin mir vollkommen sicher, weil ich der erste Mann in ihrem Leben war“, bestätigte er wahrheitsgemäß. „Und danach kam keiner mehr, denn in der Kinderklinik war der Teufel los“, fügte er noch hinzu.
„Gordon, wie kannst du es wagen, dich an meinen Nonnen zu vergreifen!“ Die Oberin wurde immer lauter.
„Verzeihung, liebe Tante, ich habe mich nur an einer einzigen Nonne vergriffen. Bitte nicht die Mehrzahl verwenden. Und diese Ordensschwester liebe ich von ganzem Herzen, genauso wie sie mich liebt“, bekannte er. „Ich habe mich sofort in sie verliebt. Schon bei der ersten Begegnung, als sie mir die Kinderklinik zeigte.“
„Das habe ich befürchtet“, stöhnte die Oberin. „Euch Männern