Mario Monteiro

Echnaton im Feuersturm


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Kaffee mehr trinken«, sagte der Kommissar leise und entschied, ihr es jetzt zu sagen. Elfriede sank auf dem Küchenhocker zusammen und weinte wieder. Nun wird man sie wohl auch nicht mehr brauchen. Hellwig wartete, bis sie sich beruhigt hatte.

      »Ich muss die Kanne spülen«, sagte sie mit leerem Blick. Hellwig konnte das Schlimmste nur im letzten Moment verhindern. Doch dann entdeckten sie zusammen, dass die Kanne schon gespült wurde. Hellwig sah die Kanne sehr genau an und blickte dann Elfriede in die Augen.

      Hier passt verschiedenes überhaupt nicht zusammen, reimte er sich.

      »Aber niemand hat heute morgen schon gespült.«

      »Warum denn nicht?«, fragte Hellwig schnell.

      »Das haben die Herren doch nie gemacht.«

      Hellwig überlegte und setzte dann von Neuem an. »Noch etwas, Frau Elfriede. Wer außer Ihnen hat auch noch Schlüssel zu diesem Haus?«

      Elfriede spreizte die Finger und begann langsam abzuzählen. »Also, natürlich Herr Birnbaum, dann Herr Backhaus und ich selber.« Jetzt schien sie nachzudenken. »Ja, ja und Frau Suzanne. Die muss auch Schlüssel haben.«

      »Und wer ist Frau Suzanne?«

      »Ach das Flittchen, das die Briefe schreibt«, sagte die Frau ziemlich bissig. »Aber heute ist ja Freitag. Freitags kommt sie nicht. Von Freitag bis Montag Früh hat sie frei. Da tut sie nicht die Bohne!«

      *

      Herbert Hellwig warf schon frühmorgens einen Stapel Prozessakten auf den Tisch seines Assistenten. »Hier. Lesen Sie mal! Hab ich für Sie besorgt. Das ist die Geschichte mit dem Goldenen Adler.«

      »Ein Weinlokal?«, traute sich Besserer zu fragen.

      »Würde Ihnen so passen! Mir auch. Leider geht es dabei um den Raub eines fast dreitausend Jahre alten Kunstwerks aus Alt-Ägypten, in das Heinz Birnbaum und auch Bernhard Polle verwickelt waren. Schön und gut. Das ist nun auch schon wieder zwanzig Jahre her. Dieser Polle hatte damals den Eigentümer der Figur erwürgt und dieser Birnbaum verschwand mit dem Adler, was weiß ich wohin. Genaues konnte man damals nicht erfahren.«

      »Und dieser Adler?«, wollte Besserer wissen. »Wo ist der denn hingekommen?«

      Hellwig zuckte mit den Schultern. »Abgeflogen ist er. Bis er eines Tages in Birnbaums Antiquitätensammlung landete. Birnbaum muss in dieser Geschichte irgend etwas gedreht haben. Genaueres hat man jedoch nie erfahren. Jedenfalls hat Polle einen Mord auf dem Gewissen und verschwand für zwanzig Jahre hinter Schloss und Riegel.«

      »Wenn ich Polle wäre …!« Besserer bewegte seine Hände krallenartig.

      Hellwig drohte mit dem Zeigefinger.

      »Aber Birnbaums Vetter Backhaus? Was hatte er damit zu tun? Und vor allem. Wie kam er denn um?«

      »Das bringen wir noch raus.«

      »Selbstmord vielleicht?«

      Hellwig hielt es für ausgeschlossen. »Welcher Selbstmörder beseitigt denn die Spuren des eigenen Giftes. Okay. Sie finden nachher den Knaller, mit dem er sich erschossen hat oder einen Strick, vielleicht einen Dolch. Mit einer Giftampulle oder einer Tablettenpackung ist es nicht ganz so klar. Nein, Besserer, die Frage ist doch, wer reinigte die Thermoskanne? Und dann dieses Ölgemälde. Wer hat denn dieses Bild fabriziert? Einen Verstärker an einen Recorder angeschlossen, Kaffeepulver … Mann Gottes! Ein ganzes Fundbüro«, mokierte sich der Kommissar.

      »Wo ist übrigens die Ampulle, die Sie im Müllkübel gefunden haben?«

      »Noch auf dem Labor zur Untersuchung.«

      Kommissar Hellwig hing mit seinen Gedanken noch immer an dem CD-Player. »Was sollte das Ding eigentlich?«

      »Weiß auch nichts Gescheites«, gab Besserer zu. »Stand oben im Zimmer von diesem Backhaus. Seltsam ist nur, dass der Apparat mit der Sprechanlage unten in der Diele gekoppelt war. Außerdem war noch dieser Miniwecker zwischengeschaltet.«

      »Versteh ich nicht ganz«, gab Hellwig zu. »Was sollte das denn?«

      »Der Tonträger muss nur einmal abgelaufen sein. Das hatte wohl mit dem Miniwecker zu tun. Und zwar morgens um halb fünf!«

      »Also an diesem Morgen, an dem die beiden starben«, folgerte Hellwig, »Aber Besserer, was gab’s denn da Besonderes zu hören?«

      »Nicht viel. Eigentlich gar nichts. Knarrende Geräusche eben. So wie wenn jemand die Treppe runter kommt.«

      Das soll einer verstehen. Hellwig kratzte sich am Kinn. Dann schnappte er sich sein Telefon und sprach mit Professor Burgstedt von der Kunstakademie.

      »Drei Maler kämen hauptsächlich in Frage«, meinte Burgstedt. »Hellwig schickte seinen Assistenten mit den Adressen los, Sehen Sie mal zu, was Sie rauskriegen!«

      Erich Zupping war der zweite Maler, den Besserer im Atelier erwischte.

      »Ja«, bestätigte Zupping sofort. »Ich habe das gemalt. Nach einem Foto, das man mir brachte. Ich will da in nichts hineinkommen«, verteidigte sich der Künstler. »Ich musste das malen.«

      »Warum mussten Sie?«, wollte Besserer hören.

      Zupping sah den Polizisten nicht an. Er reinigte an einem Ausguss ein Paar Pinsel und blickte über die Schulter nach hinten. »Ist das ein Verhör?«

      »Nein, nicht gerade. Aber warum mussten Sie es malen?«

      »Mein Gott!« Der Maler sah Besserer seltsam an. »Ich bin nun mal Künstler und schließlich müssen wir auch von etwas leben. Und Backhaus hat sehr gut bezahlt.«

      *

      Herbert Hellwig schien aus allen Wolken zu fallen, nachdem ihm der Bezirksnotar das von Birnbaum gemachte Testament erklärte.

      »Heinz Birnbaum hat also sein Testament geändert?«, erkundigte sich der Kommissar.

      »Sagen wir einmal so. Er hat Bestimmungen für seinen vermutlichen Erben getroffen. Und dieser Erbe… ein Alleinerbe, um ganz korrekt zu sein -, wäre Friedrich Backhaus geworden. Backhaus starb jedoch noch am gleichen Tag. Und für diesen Fall gibt es laut Testament nur einen Ersatzerben und das ist eben Frau Suzanne Breitenbach. Wenn ich richtig orientiert bin, die Privatsekretärin von Heinz Birnbaum.«

      Hellwig nickte. Dann schüttelte er den Kopf. »Wer soll den nun Erbe des Riesenvermögens werden? Doch nicht etwa die Sekretärin?«

      »Genau Frau Breitenbach wird Erbin sein«, erklärte der Notar.

      Hellwig hatte schon vieles erlebt. Doch das war doch etwas zu viel. Auch Assistent Besserer brachte den Mund nicht mehr richtig zu.

      »Die Geschichte ist nur folgende:«, dozierte Hellwig, »Birnbaum hatte nämlich in seinem Büro eine Kopie des Testaments verwahrt.«

      »… und seine Sekretärin hatte Zugang zu allen Dokumenten, also auch …«

      »Genau so ist es. Wenn Suzanne Breitenbach Birnbaums Vertraute war, dann hatte sie sicher die Möglichkeit, das Testament zu lesen.«

      »Ein einwandfreies Tatmotiv«, unterbrach ihn sein Assistent und Hellwig gab ihm recht.

      »Genau so ist es und ich habe diese Dame auf 15 Uhr bestellt.«

      Sie sei an die See gefahren, behauptete Suzanne als erstes, als sie dem Kommissar gegenüber saß.

      »Ach ja, das ist ja so schrecklich, das mit Herrn Birnbaum.«

      Seltsam, dachte Hellwig. Über den Vetter Backhaus verlor sie kein Wort.

      »Wann fuhren Sie denn zur See?«

      »Am Freitag in aller Frühe«, sagte sie. »Gegen sechs, viertel nach sechs höchstens.«

      Aha, prompte Erinnerung, fiel Hellwig auf. Die muss nicht lange überlegen.

      »So früh schon unterwegs?« Es klang sanft. »Das war ja fast zur gleichen Zeit, als Herr Birnbaum sterben musste.