Heinz-Dietmar Lütje

Der Club der scharfen Tanten


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bist, fast genauso“, antwortete Chantal, immer noch mit schelmischem Grinsen im Gesicht.

      „Ja, also, wenn du mal wieder in Verlegenheit bist, Henni“, Helga entschied sich, ihre Stammtischschwester doch lieber mit ihrem richtigen Namen anzureden, „dann gerne!“

      „Ich denk an dich, Schätzchen. Gibt zwar nicht immer ganz soviel Kohle, aber es läppert sich. Aber dann und wann wirst du auch mal ein paar alte Flossen an deinen wirklich gut erhaltenen Luxuskörper lassen müssen. Ich hab da ohnehin so ’ne Idee.“

      Auch Helgas Mann Hanno hatte eine Idee. Nämlich die, seine Helga nochmals so richtig unter Druck zu setzen, damit sie sich dafür einsetzte, dass Aufnahmeersuchen der Damen Bollmann, Degen und dergleichen positiv entschieden wurden. Nachdem seine Frau nochmals darauf hinwies, dass sie allein da gar nichts tun könne, wandte er sich ab. „Na, dann wirst du eben künftig mit wesentlich weniger Kohle auskommen müssen!“, lautete sein Kommentar.

      Auch Annemarie Felten hatte Eheprobleme, die sie sich nie hätte träumen lassen. Am Abend kam ihr Mann Olaf zum ersten Mal in ihrer elfjährigen Ehe total betrunken nach Hause. Auf ihre Nachfrage grummelte er nur: „Alles deine Schuld. Die von dir und deinen Stammtischweibern!“ Mit diesen Worten schubste ihr großer, früher schlanker, jetzt mehr massig gewordener Mann sie beiseite und verschwand in seinem Arbeitszimmer.

      Am nächsten Tag, dem Donnerstag, an dem sich für Erika Boll Wichtiges für ihren weiteren Lebensweg entscheiden sollte, trafen gegen dreizehn Uhr dreißig fast gleichzeitig Etta v. Tarla-Hippenstedt und Edelgarde v. Toppendorf im Redaktionshaus der „Hamburger Allgemeinen“ ein, wo eine sichtlich nervöse Erika Boll bereits auf sie wartete.

      Der kleine, umtriebige Chefredakteur erwartete sie bereits und stimmte sie auf das Procedere ein.

      Während er sprach, blieb sein Blick immer wieder an Edelgarde Freifrau v. Toppendorf haften, die in ihrem jagdgrünen Kostüm mit kurzem Rock und figurbetonter Jacke, schwarzen Wildlederstiefeln zu ihren langen, blonden Haaren und hellblau strahlenden Augen einen atemberaubenden Anblick bot. Die intelligente und lebenserfahrene Frau wusste genau, wie sie auf Männer wirkte, tat aber so, als merke sie nichts.

      Dann endlich trafen, kurz nach vierzehn Uhr, die Vertreter der Gläubiger ein. In ihren grauen Anzügen, die zwar teuer waren, aber irgendwie uniform wirkten, erkannte der Eingeweihte sofort den Banker. Nachdem die Herren sich etwas geziert hatten, stimmten sie dann doch dem Vergleich zu, den der Redakteur gleich protokollieren ließ und dann gegen Quittung das gesammelte Geld als Vergleichssumme aushändigte. Zwei, drei Fotos, die eine glücklich strahlende, jetzt schuldenfreie, Erika Boll und die Edelmut ausstrahlenden Banker, umrahmt von Edelgarde, Etta und dem Chefredakteur, zeigten; und schon war die Sache ausgestanden. Die Banken bekamen seit längerer Zeit auch einmal wieder eine positive Presse, was den Verlust mehr als wett machte und die Zeitung bewies einmal mehr, wie sie sich für die kleinen Leute und unschuldig in Not geratenen Menschen selbstlos einsetzte. Also waren eigentlich alle zufrieden.

      Das waren sie auch noch am nächsten Tag, bis auf Etta, die mit doch kräftigem Zähneknirschen zur Kenntnis nehmen musste, dass das große Foto eigentlich nur Edelgarde huldigte, und sie und auch die Anderen nur Randfiguren waren. Als sie dann noch lesen musste, dass wohl die bekannte Sportreiterin und Großgrundbesitzerin Edelgarde v. Toppendorf den weit überwiegenden Betrag zum Abschluss des Vergleichs beigesteuert hatte, war ihr der Tag endgültig verdorben.

      Aber das war nichts gegen das, was für die Damen des Stammtisches „Ladies Power“ folgen sollte.

      Nachdem die Members, wie sie sich jetzt generell selbst bezeichneten, bei ihrer ablehnenden Haltung für die um Aufnahme ersuchenden Damen blieben, kriselte es in vielen Ehen.

      Am härtesten traf es Annemarie Felten, deren Mann Olaf nach Vorlage der ersten Ergebnisse der Steuerprüfung beurlaubt wurde und seiner Frau die Hauptschuld anlastete sowie zu trinken begann.

      Kurz darauf folgte der Scheidungsantrag. Ebenso erging es auch Helga Altmann. Da beide laut Ehevertrag keine Unterhaltsansprüche geltend machen konnten, waren sie diejenigen, die am meisten verloren.

      Der Herbst kam und Weihnachten stand vor der Tür. Nur wenige Wochen waren vergangen – und doch hatte sich soviel geändert. Auch und gerade für die Damen des Stammtisches. Einige Ehen waren gescheitert. Annemarie Felten wohnte zwar noch in dem großen Haus mit ihren Kindern Frank und Ellen, aber wohl nicht mehr lange, da ihr ausgezogener Olaf, der noch immer beurlaubt war und wohl auch kaum wieder seinen Vorstandsposten zurückerhalten würde, wieder ins Haus drängte. Helga Altmann hingegen hatte ihre Koffer und die ihrer Tochter gepackt und war zu ihrer neuen besten Freundin, Henriette Hähnlein, auch Madam Chantal genannt, gezogen. Dort in der Villa in der Sierichstraße bewohnte sie jetzt mit Töchterchen Doreen eine der drei separaten, kuscheligen Dachgeschosswohnungen. Für Doreen bezog Helga den entsprechenden Unterhalt und für die fehlenden Scheinchen arbeitete sie jetzt für Madam Chantal unter dem Künstlernamen „Circe“.

      Am 10. Dezember feierte der Stammtisch „Ladies Power“ dann seinen „Nikolaus-Stammtisch“.

      Aber alles, wirklich alles, war anders als noch im letzten Jahr.

      Annemarie Felten, die Frau des noch immer beurlaubten Vorstands der „Hanseatischen Bürger und Geschäftsbank“, wie auch Helga Altmann lebten in Scheidung. Beide ließen sich von ihrer Stammtischschwester Nadine Göricke vertreten, die ihre Interessen bestens vertrat, aber einräumen musste, dass sich die finanzielle Lage der Damen nicht zu ihrem Besseren wenden ließ.

      Das große Wort führte, wie sollte es auch anders sein, Etta v. Tarla-Hippenstedt. Diese hatte sich, wie üblich, bereits in Form gebracht, also reichlich vorgeglüht.

      „Aber, Ladies, trotz aller Probleme, die einigen von euch von ihren Kerlen und auch anderer Seite bereitet worden sind, so sind wir uns doch treu geblieben und haben uns weder kaufen, noch erpressen lassen. Darauf sollten wir unser Glas erheben!“ Mit diesen Worten sorgte Etta dafür, dass alle dreizehn anwesenden Ladies ihr gefülltes Glas mit der edlen Flüssigkeit aus der französischen Champagne erhoben und ihr zuprosteten. Das nicht alle der Anderen ihre Fröhlichkeit wirklich teilten, fiel der in Feierlaune befindlichen Etta nicht weiter auf. Vielleicht schaute sie auch mehr auf Erika Boll, die in der Tat ausgesprochen zufrieden und glücklich wirkte. Sie hatte ja auch allen Grund dazu, war sie doch jetzt schuldenfrei und mit ihrem Salon in der Gewinnzone angelangt. Auch Henriette Hähnlein alias „Madam Chantal“, die mit ihrer neuen, in vielen Rollenspielen absolut souverän agierenden, Gehilfin mehr als zufrieden war, hatte wenig Grund zu klagen. Ganz anders Nadine Göricke, die sehr gern klagte, waren doch in Familienangelegenheiten stets lukrative Streitwerte gegeben. Auch wenn sie aufgrund der rechtswirksamen Eheverträge von Helga und Annemarie für diese selbst nur wenig erwarten durfte, so hatte sie doch sofort die Chancen genutzt, auf Festsetzung höherer Unterhaltsbeträge für deren Kinder das Gericht zu bemühen.

      Aber auch Edelgarde v. Toppendorf, die sonst immer die strahlende Schönheit, der das Alter nichts anhaben konnte, zu verkörpern schien, obwohl sie selbst es überhaupt nicht darauf anlegte, schien in Gedanken versunken. Das passte nun so gar nicht zu der attraktiven Dame von Welt, der, außer ihren unübersehbaren körperlichen Vorzügen, auch ein beträchtliches Vermögen bereits in die Wiege gelegt worden war. Obwohl selbst gerade eine Krise durchlebend, war dieses Annemarie Felten gleich bei der Ankunft aufgefallen. Jetzt, wo die Ladies sich in einzelne Gespräche vertieften, sprach sie die sowohl als Sportreiterin, wie auch sonst wohl bekannteste der Stammtischschwestern an. „Du siehst so abwesend aus, Gardi, was bedrückt dich? Kann ich irgendwas für dich tun?“

      Fast erschrocken wandte die Angesprochene sich ihr zu. „Na, Anne, du hast wohl mehr zu leiden als ich. Aber nett von dir, dass du fragst.“

      „Entschuldige, ich wollte nicht neugierig sein“, leitete Annemarie den Rückzug ein, „aber ich wollte wirklich nur helfen, wenn ich es denn kann.“

      Die ebenso attraktive, wie auch intelligente Baronin überlegte kurz und antwortete dann: „Ich glaube eigentlich nicht, aber vielleicht ja doch. Kennst du einen guten, aber wirklich ehrlichen Privatdetektiv? Keinen solch Schlüssellochschnüffler ohne viel Ahnung, der nachher noch seine Auftraggeber