um zu antworten. Auf so eine Zurechtweisung durch den schneidigen Kapitän der kaiserlichen Marine ist er nicht vorbereitet gewesen.
Kleinlaut fragt Heinrich Adler: „Wie kann ich dem Herrn Kapitän noch zu Diensten sein?“
„Erstens: Klappe halten! Zweitens: dem Neubrunner vorerst mitteilen, dass das Zielobjekt keinen Wert für die Marine hat“, fährt Kapitänleutnant Kurz ihn militärisch kurz an und schaut Adler dabei so ernst wie nur möglich an.
„Wie sieht es mit dem Vorvertrag aus? Haben Sie den im Namen Ihrer Firma vorbereitet?“
„Jawohl“, kommt es weiterhin kleinlaut aus Adlers Mund.
„Unsere Firma ist bereit, den Hafen von Langkawi als zukünftige Kohlenstation vom Sultan von Kedah gegen eine feste Summe und eine Beteiligung des Sultans von zehn Prozent des jährlichen Nettogewinns zu pachten. Alles vertraulich natürlich. Sobald Sie den Platz der möglichen Kohlenstation in Augenschein genommen und Ihre Zustimmung erteilt haben, Herr Kapitänleutnant, ist Behn, Meyer & Co. bereit, den Vertrag zu besiegeln.“
„Das will ich auch hoffen. Gut so. Dafür ist es notwendig, dass Sie sofort Kontakt zu dem Gewährsmann des Sultans auf Langkawi herstellen. Er soll mich morgen am Ufer des besagten Ankerplatzes treffen. Ich muss mir persönlich ein Bild von der Lage machen. Schließlich geht es besonders für Ihre Firma um viel Geld. Nur wenn die kaiserliche Marine bei Ihnen auf Langkawi dann auch kohlen lässt, können Sie Geld verdienen.“
Fast hätte er noch hinzugefügt: Da wird der Engländer aber gucken, wenn wir erst einmal auf Langkawi sitzen und ihm die Vorherrschaft in der Straße von Malakka mit unserem Stützpunkt streitig machen. Aber Wilhelm Kurz hält sich zurück. Das geht den Adler gar nichts an. Dafür führt er aus:
„Wenn ich den Platz auf Langkawi als Kohlenstation für geeignet halte, halten Sie sich bereit, auf meine Anweisung hin die erste Rate der Pachtsumme dem Sultan von Kedah zu übergeben und Berlin unverzüglich per Telegrafen das vereinbarte Codewort, das ich Ihnen zukommen lassen werde, zu übermitteln. Ist das klar? Und Adler“, dabei sieht Kurz ihn eindringlich an und formuliert militärisch scharf: „HALTEN Sie fortan Ihren Mund, verstanden?“
Zunächst ist Adler zu perplex, um zu antworten. Dann aber schallt Kapitänleutnant Kurz ein militärisch knappes „Jawohl, Herr Kapitän!“, entgegen. Schließlich hat Adler gedient, wie jeder gute Deutsche.
Außerdem will er es dem Kapitänleutnant recht machen. Heinrich Adlers vermeintliches Selbstvertrauen ist nur vorgeschützt. Ihm selber wird von der Firmenleitung in Singapur nur noch eine Art Gnadenfrist gewährt.
Die Niederlassung von Behn, Meyer & Co. in Penang ist besonders im Zinngeschäft sehr aktiv. Vor einiger Zeit stattete der Leiter der Firma aus Singapur, Direktor Karl Wittmann, Penang einen Besuch ab. Dabei stellte er fest, dass man in Penang ein unüblich großes Lager von Zinn unterhielt, das von der Firma bevorschusst werden musste. Dieses Zinn lagerte in engen, düsteren Godowns, wie man die Warenlager hier nennt, und war in Blöcken aufgestapelt. Wittmanns Ermahnung, festzustellen, ob tatsächlich alles Zinn noch vorhanden sei, stieß bei Heinrich Adler auf taube Ohren. Adler hatte volles Vertrauen in seinen chinesischen Vorarbeiter Low. Zudem ist Adler auch etwas träge und genießt lieber die Vorzüge eines weißen Kaufmanns in den Tropen.
Dann aber kam, was kommen musste. Die Nachricht von einem großen Manko in den Zinn-Godowns von Penang drang sogar bis zur Firmenzentrale in Hamburg. Direktor Wittmann erhielt den Auftrag, sofort wieder nach Penang zu reisen, um nach dem Rechten zu sehen. Nach der Überprüfung musste er feststellen, dass eine große Menge an Zinn im Wert von mehreren hunderttausend Dollar fehlte. Der angeblich vertrauenswürdige Vorarbeiter Low, der wie alle Chinesen zu einem weitverzweigten Familienclan gehört, entpuppte sich als regelrechter Gauner.
Low war es gelungen, von Adler die Ersatzschlüssel zu den Godowns zu erhalten, und gab dafür gefälschte Duplikate zurück. Der bequeme Adler ahnte davon nichts. Mit diesen Ersatzschlüsseln konnte Low in der Nacht zusammen mit seinen Kulis in die Godowns eindringen und das Zinn herausholen. Dabei ging er geschickt vor. Um seine Diebstähle zu verschleiern, ließ er die vorderste Reihe intakt und plünderte dafür die hinteren Reihen aus. Außerdem ersetzte er die gestohlenen wertvollen Zinnblöcke durch minderwertige. So hätte nur eine genaue Überprüfung den Betrug aufdecken können, die Adler aber nicht vorgenommen hatte.
Da sich ansonsten das Geschäft von Behn, Meyer & Co. glänzend entwickelte, wollte die Firma Negativschlagzeilen vermeiden, sodass von den Betrügereien nichts an die Öffentlichkeit drang. Davon profitierte auch Heinrich Adler, der in seinem Amt blieb, nicht zuletzt auch wegen seiner exzellenten Kontakte zu allen möglichen Leuten in der Gegend. Fortan stand Adler jedoch unter strengster Beobachtung.
Doch von all dem weiß Wilhelm Kurz nichts. Nachdem dieser das Hotel verlassen hat und in die Rikscha steigt, die ihm zu seinem Schiff bringt, muss er tief durchatmen und kann über den Landsmann Adler nur den Kopf schütteln.
Am nächsten Morgen stehen die Kessel des Kanonenboots Iltis unter vollem Dampf. Es kann losgehen. Kapitän Wilhelm Kurz brennt förmlich darauf, endlich mit seinem Schiff wieder in See stechen zu können. Für einen eingefleischten Seewolf gibt es nichts Schöneres, als wenn sich das Schiff in den Wellen des unendlichen Meeres wiegt. Das Ziel, das er ausgegeben hat, sind Schießübungen, die man nordöstlich von Penang abhalten will, um den Alltag der Bewohner nicht zu stören. Genauso hat er das dem Hafenkommandanten Jenkins versprochen. Und genauso wird er es auch machen. Ein zufriedenes Lächeln zeichnet sich in Kurz Gesicht ab.
Mit seinem Schiff, dem Kanonenboot Iltis, ist er auch zufrieden. Erst im August 1898 lief das Schiff in Danzig vom Stapel. Endlich, so jedenfalls empfindet es Kurz, hat man in Berlin auf die neue deutsche Stellung in der Welt reagiert und schließlich die Gelder für die langersehnten Kanonenboote, die extra für den Dienst in den deutschen Kolonien vorgesehen sind, bewilligt.
Noch im ersten Monat des neuen Jahres verließ Kurz mit seinem Schiff die Förde in Kiel mit dem Ziel Tsingtau, die deutsche Kolonie in Nordchina. Die Fahrt auf dem zweiundsechzig Meter langen und neunhundert Tonnen verdrängenden Schiff verlief bisher reibungslos. Auf seine acht Offiziere und einhunderteinundzwanzig Mann Besatzung ist Kapitänleutnant Kurz stolz. Tadelloses Schiff, tadellose Besatzung. Nur die vier 8,8 Zentimeter Schnellfeuerkanonen und die sechs 3,7 Zentimeter Revolverkanonen warten noch darauf, getestet zu werden.
Mit seinen zwei qualmenden Schornsteinen schiebt sich das Kanonenboot Iltis durch das ruhige tiefblaue Meer. Obwohl die Tropensonne von einem ebenso blauen Himmel erbarmungslos scheint, bringt der Fahrtwind eine leichte Abkühlung. Nur die Heizer tief unten im Rumpf des Schiffs unter der Wasseroberfläche bekommen davon nichts mit. Ihnen rinnt der Schweiß nur so vom Körper. Eine regelmäßige Ablösung und Wasseraufnahme ist im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig.
Langsam nimmt Iltis Fahrt auf. Die Hafeneinfahrt von Georgetown erstreckt sich zwischen der Nordküste Penangs und dem malaiischen Festland über eine Entfernung von fünfzehn Seemeilen. Mit einer Fahrgeschwindigkeit von mittlerweile zehn Knoten benötigt es dafür ungefähr eineinhalb Stunden. Als Iltis den äußeren Hafen verlässt, muss das Schiff zu beiden Seiten seichte Gewässer passieren. Äußerste Konzentration auf der Brücke wird beim Durchfahren der knapp drei Kilometer breiten Fahrrinne zwischen Georgetown und Butterworth verlangt. Man muss höllisch aufpassen, nicht in die flachen Gewässer zu geraten.
Ganz allmählich verschwinden die hohen Hügelrücken, die die Insel Penang in ihrer ganzen Länge durchziehen, am Horizont. Für kurze Zeit ist noch der Tanjong Puchat Muka Leuchtturm im Norden der Insel zu sehen. Dann verschwindet auch er. Von dem vor über fünfzehn Jahren fertiggestellten Leuchtturm, der aus Granit ist und sechsundzwanzig Meter über dem Meeresspiegel ragt, hat man einen fantastischen Blick. Sein Licht kann aus dreißig Seemeilen Entfernung noch gesehen werden. Aber dafür hat jetzt weder Kapitän Kurz noch einer seiner Leute ein Auge. Mit voller Konzentration wird Iltis auf Kurs gebracht.
3. KAPITEL
INSEL LANGKAWI. DIE SCHIEßÜBUNGEN
Nun