Lothar Mix

Ein Mix über die Liebe


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      Was mache ich mit Ruth, überlege ich.

      »Renate, leider kann ich morgen nicht kommen. Ich bin mit meiner Schwägerin Ruth im Museum verabredet. Tut mir leid.«

      »Schatz, bring sie doch einfach mit. Ich würde mich freuen, noch jemanden aus deiner Familie kennenzulernen. Außerdem habe ich genug zum Essen eingekauft.

      »Das ist eine gute Idee. Ich werde Ruth fragen.«

      »Es wäre schön, wenn ihr gegen sechzehn Uhr kämt. Wo ich wohne, weißt du. Komm Michael, wir müssen gehen.« Ich bringe die beiden zur Tür und gebe Renate nur einen flüchtigen Kuss auf die Wange, was sie mit einem erstaunten Gesichtsausdruck registriert. Michael gebe ich zum Abschied keine Hand. Erleichtert schließe ich hinter ihnen die Tür.

      Mit einem Glas Rotwein schleppe ich mich ins Wohnzimmer und öffne meinen Laptop. Ich sehe, dass ich immer noch online mit Ruth verbunden bin und lese auf meinen Bildschirm: »Spinnst du! Was soll das denn?! Wieso bist du plötzlich verheiratet?«

      Mit zittrigen Fingern bearbeite ich die Buchstabentasten und schicke ihr meine Botschaft.

      »Oh Gott! Heute hat mich mein Neffe Michael besucht und dir die schreckliche Botschaft geschickt. Er wünscht sich, dass seine Mutter Renate und ich ein Paar werden. Seine Mutter und ich hatten mal eine kurze Affäre. Ich glaube, er ist eifersüchtig und möchte, dass ich sein neuer Vater werde.«

      Ich bin in diesem Moment stolz auf meine Lüge. Hat der Wein mir geholfen? Denn kaum habe ich die Nachricht abgeschickt, überlege ich, ob er mich wirklich als Vater akzeptieren würde und ich ihn auch als Sohn haben möchte? Ich habe keine Zeit, über ein Ergebnis nachzudenken, denn Ruths Antwort erscheint auf dem Bildschirm:

      »Das Kind kann ich gut verstehen. Aber glaube mir, ich werde mich so verhalten, dass dich deine Renate und ihr Sohn in Zukunft in Ruhe lassen. Ich wünsche dir eine gute Nacht. Träume von mir. Ich freue mich auf Morgen.«

      »Dito«, ist meine Antwort und ich schließe meinen Laptop, trinke die Weinflaschen leer und torkle ins Bett in der Hoffnung auf einen schnellen, ruhigen Schlaf.

      Beim Zähneputzen schaut mich am nächsten Morgen jemand aus dem Spiegel an, mit dem ich sofort Mitleid empfinde. Das soll ich sein?

      Die Frage, was ich zum Geburtstag anziehe, lenkt mich ab. Nach einer längeren Überlegung entscheide ich mich für eine schwarze, frisch gebügelte Leinenhose, schwarze Strümpfe und schwarze Schuhe. Gut, dass ich noch ein neues weißes Hemd in Reserve habe.

      Angezogen sitze ich unruhig auf dem Küchenstuhl. Das Käsebrot, garniert mit Radieschen, hat noch die gleiche Größe, wie vor einer Stunde. Die Zeiger der Küchenuhr wollen sich nicht bewegen.

      Die zwei Frauen gehen mir nicht aus dem Kopf. In meiner Fantasie sehe ich auf einmal eine unfassbar große Waage mit zwei Waagschalen in gleicher Höhe. Aber was ist das? In der linken Schale befindet sich Renate und winkt mir zu. In der rechten Schale liegt Ruth auf einem Sofa und berührt ihre Lippen verführerisch mit der Zunge. Ich schaue mir Renate jetzt genauer an und sehe, dass sie mir ein Plakat zeigen will. Darauf lese ich: Haus, Garten, Familie, Ruhe, Frieden. Beim Lesen bemerke ich, wie die linke Schale steigt. Neugierig schaue ich auf die rechte Schale und konzentriere mich auf Ruth. Sie hat ebenfalls eine Botschaft für mich: Kunst, Bücher, Kultur, Musik, Abenteuer. »Hilfe!«, höre ich Ruth schreien, als sie merkt, dass ihre Schale sich senkt und sich im Gleichstand eingependelt hat.

      Verstört von meinen Gedanken schaue ich auf meine Armbanduhr. Registriere dreizehn Uhr und überlege: Warum habe ich nicht meine Beziehung per SMS beendet? Aber welche? Ich habe doch beide im Internet getroffen, dann kann ich auch die Beziehung im Internet beenden. Oder soll ich noch nach einer neuen Bekanntschaft suchen? Wäre ich doch 24 Stunden älter!

      Ich fahre mit meinem Auto zu einer Konditorei und kaufe die größte und teuerste Pralinenpackung. Was für ein einfallsloses Geschenk! Ich habe keine Zeit darüber nachzudenken und schaue auf die Uhr. Herrgott, der kleine Zeiger hat bald die drei erreicht. Kann jemand die Zeit für mich anhalten? Ich habe doch noch keine Blumen gekauft. Endlich stehe ich in einem Blumengeschäft und sehe rote Rosen, bunte Orchideen, Strelitzien. Renate würde sich riesig über diese Blumen freuen. Aber was wird Ruth dann von mir denken? Ich entscheide mich für einen einfachen, preiswerten, bunten Blumenstrauß.

      Geschafft! Ruth steht noch nicht an der Bushaltestelle, wo wir uns treffen wollten. Doch jetzt erkenne ich sie, wie sie mit energischen Schritten auf mich zukommt. Für mich sieht sie mit ihren schwarzen, spitzen Schuhen, ihrem schwarzen Rock und der cremefarbenen Rüschenbluse sehr konservativ aus. Ich winke ihr zu und denke: Kommt dort mein Glück oder Unglück?

      »Tag Swen«, und ich bekomme einen Begrüßungskuss auf den Mund. Meine Zunge berührt vorsichtig meine Lippen und ich schmecke den feuchten Lippenstift. Ruth errät meine Gedanken und sagt lachend: »Swen, soll ich dir einen dicken Schmatzer auf die Wange drücken, dann weiß Renate über uns Bescheid. Wir sind doch ein Paar, oder?«

      Mir wird schlecht und ich sage: »Komm, wir wollen doch pünktlich sein.« Nach einer schweigsamen Fahrt erreichen wir das Ziel.

      Renate öffnet uns die Tür in einem bunt karierten Kleid und weißen Sandalen. »Schön, dass ihr da seid. Wir können in den Garten gehen. Ich habe wieder den Streuselkuchen gebacken, den du so liebst.« Mit einem beklemmenden Gefühl überreiche ich ihr das Geburtstagsgeschenk. Als Renate die Blumen auspackt, bemerke ich ihre Enttäuschung. Ich bin mir sicher, dass sie auf rote Rosen gehofft hatte. Den traurigen Blick von Renate halte ich nicht aus und gehe in den Garten, wo bereits Ruth gemütlich auf einem Gartenstuhl, vor einer Tasse Kaffee und Kuchen, Platz genommen hat. Was für ein Glück für mich, dass Michael nicht anwesend ist. Kurz darauf erscheint Renate mit einer Schale frisch geschlagener Sahne. Ich bin froh, dass wir nur über belanglose Themen wie Wetter, Urlaub und Beruf reden. Allmählich fange ich an, die friedliche Situation zu genießen und beobachte, wie die Bienen im Staudenbeet den Rittersporn und Fingerhut besuchen. Während die beiden Frauen sich über Stricken und Nähen unterhalten, kommt mir die Idee, zweigleisig zu fahren. Meine Träume stoppen, als ich im Hintergrund Ruths Frage höre: »Wo ist denn dein Sohn Michael?«

      Alarm, Alarm!, höre ich in meinem Gehirn und meine Ohren erkennen Renates Stimme.

      »Michael spielt mit seinen Freunden Fußball.«

      Gott sei Dank hat Ruth nicht Swens Neffe gesagt. Ich muss jetzt schnell handeln.

      »Wann will er wiederkommen?«, frage ich neugierig. »Er wird gleich kommen. Er hat ja gesehen, wie ich den Kuchen gebacken habe und er hat bestimmt Hunger.«

      Bitte nicht!, sind meine Gedanken. Ich muss mit Ruth hier schnell verschwinden, ohne dass es wie eine Flucht ausschaut und stehe vom Stuhl auf: »Bitte Ruth, wir haben Renates Zeit genug in Anspruch genommen, wir müssen gehen.« Renates Antwort stürzt mich in den Abgrund.

      »Setz dich bitte, wir wollen auf Michael warten. Er hat auch mir gesagt, dass er Ruth sehen und mit ihr reden möchte.«

      Herrgott, wie kann ich meine Probleme schnell lösen? Think quick! Meine Gedanken werden durch ein heftiges, kurzes Türklingeln unterbrochen.

      »Das ist bestimmt Michael. Ich mache die Tür auf.«

      » Hi Mami, sind die Gäste schon da?« Während sich die Mutter mit ihrem Sohn im Flur unterhält, sagt Ruth zu mir: »Wenn man vom Teufel spricht …« Ich ergänze: »… dann kommt er persönlich«, sage ihr aber nicht, wie sehr recht sie hat.

      Renate packt Michaels Hand und sie kommen in den Garten.

      »Michael, darf ich dir Swens Schwägerin Ruth vorstellen? Mein Blick zu Michael ist flehender, als der von Marie Antoinette kurz vor ihrer Hinrichtung.

      Michael geht zu Ruth, gibt ihr brav die Hand und sagt: »Nein, ich weiß, dass Sie nicht seine Schwägerin sind. Swen hat zu mir gesagt, dass er keine Geschwister hat. Er ist ein Einzelkind, wie ich.«

      Mauseloch zu mir!

      Sofort keift Ruth Renate an: »Welche Rolle spielst du hier im Affentheater?«

      »Ich