Janko Ferk

Der Kaiser schickt Soldaten aus


Скачать книгу

den heiratsfähigen Prinzessinnen gibt; lauter Kinder, lauter siebzehn- oder achtzehnjährige Piperln, eine schiecher als die andere. Und erst die Erziehung meiner Frau zu besorgen, dazu bin ich zu alt, dazu habe ich weder Zeit noch Lust.“

      Dennoch wusste er, was er wollte. „Ich kann mir sehr gut das Ideal einer Frau vorstellen, wie ich sie gerne haben möchte und mit der ich glücklich werden könnte. Es müsste ein nicht zu junges Wesen sein, mit bereits vollkommen gefestigtem Charakter und Anschauungen. So eine Prinzessin gibt es nicht und da finde ich es besser, ledig zu bleiben, als sich zeitlebens unglücklich zu machen.“

      Bald schon machten sich zwei Mitglieder der kaiserlichen Familie größte Hoffnungen auf Franz Ferdinand als Schwiegersohn. Nach seiner Genesung wurde er für diensttauglich erklärt und besuchte in Pressburg des Öfteren seinen entfernten Cousin Erzherzog Friedrich, der dort ein Armeekorps befehligte. Friedrich und seine Ehefrau Isabella zogen daraus den für sie logischen Schluss, er mache ihrer achtzehnjährigen Tochter Maria Christina den Hof. Isabella sprach Freunden gegenüber schon die Hoffnung aus, der begehrenswerteste Vertreter des ledigen Mannsvolks der österreichisch-ungarischen Monarchie würde ihr Schwiegersohn werden.

      Als Erzherzogin Isabella erkennen musste, dass nicht ihre Tochter, sondern ihre Hofdame, die damals einunddreißigjährige Sophie Gräfin Chotek von Chotkowa und Wognin, gemeint war und den Thronfolger anzog, tobte sie vor Wut, entließ die Gräfin auf der Stelle und verlangte eine sofortige Audienz beim Kaiser.

      In ihrer Enttäuschung faselte sie etwas von Betrug, der zum Himmel schreit, sowie von schändlichem Missbrauch der Gastfreundschaft. Viel Fantasie ist bestimmt nicht notwendig, um sich weitere Äußerungen der ernüchterten und strebsamen Nundoch-nicht-Schwiegermutter vorzustellen.

      Nach ihrer unerwarteten und unedlen Entlassung zu Beginn des Sommers war Gräfin Sophie zunächst ratlos.

      Halt bot ihr freilich ihre in Dresden lebende Familie. Zuflucht fand sie zunächst bei ihrer Schwester. Für die erhabenen Habsburger waren die Choteks trotz ihrer langen Tradition nicht standesgemäß, eine Eheschließung mit ihnen war nach dem Familienstatut ausgeschlossen. Völlig undenkbar. Eine einzige Gotteslästerung.

      In der Audienz, die Erzherzogin Isabella tatsächlich erhalten hatte, obwohl der Kaiser die – zum Kreischen neigende – Frau nicht schätzte, sagte er ihr zu, und auf sein Wort war im Grund Verlass, er werde seinem Neffen befehlen, mit der Gräfin jede Beziehung abzubrechen und mit der ehemaligen Hofdame nicht mehr zusammenzukommen. Franz Joseph war überzeugt, dass diese Sache damit ein für allemal erledigt war und kein Mensch mehr darüber auch nur ein Wort verlieren werde.

      Der Kaiser dachte nicht im Entferntesten daran, dass dieses Gespräch schwierig werden könnte. Er machte seinen Neffen unmissverständlich darauf aufmerksam, dass sein Verhalten bedauerlich sei und er jede Beziehung zur Gräfin Chotek ohne Verzug abzubrechen habe. Daraufhin bedeutete der Kaiser dem Erzherzog, dass die Aussprache beendet sei und er den Raum zu verlassen habe.

      Franz Ferdinand, stur, wie er sein konnte, rührte sich nicht von der Stelle, sondern blickte den Kaiser an und erhob die Stimme. „Eure Majestät, ich darf förmlich um die Erlaubnis bitten, Gräfin Sophie ehelichen zu dürfen.“

      Franz Joseph erwiderte noch in der Sekunde ganz bestimmt und auf gut Deutsch. „Wir verbieten diese Eheschließung absolut. Der Thronfolger kann keine hochgekommene Hofdame ehelichen. Die Zukunft des Erzhauses wäre damit gefährdet. Und die Zukunft des Erzhauses ist unser aller Zukunft.“

      Franz Ferdinand wurde dann noch etwas trotziger, vor allem weniger förmlich. „Ich muss und werde Sophie heiraten.“ Er, der sonst zu Zorn neigte, unterband mit großer innerer Anstrengung das Aufstampfen mit dem rechten Fuß.

      Darauf gab der Kaiser dem Erzherzog eine Woche Bedenkzeit.

      Als Franz Ferdinand wieder vor dem Kaiser stand, hatte er seine Ansichten und Wünsche um keinen Deut geändert. „Ich bin zutiefst entschlossen, mich mit Gräfin Chotek zu vermählen.“

      Der Kaiser drückte sich dezidiert aus. „In diesem Falle muss auf das Thronfolgerecht verzichtet werden.“

      Franz Ferdinand entgegnete fast juristisch-spitzfindig. „Eure Majestät. Das Thronfolgerecht ist mir von Gott gegeben. Ich beanspruche den Thron und werde Sophie ehelichen.“

      Der Kaiser klärte ihn ziemlich missmutig auf, dass beides nicht möglich sei und er sich für eines entscheiden müsse.

      Schließlich gab der Kaiser dem Erzherzog ein Jahr Bedenkzeit. Und entließ ihn.

      Als Franz Ferdinand – nach militärischer Ehrbezeugung, beide Habsburger trugen Uniform – gegangen war, neigte der Kaiser seinen Kopf, trat an seinen Schreibtisch, an dem er den Großteil seines Lebens verbracht hatte, stützte sich mit der rechten Hand leicht ab und überließ sich seinen Gedanken. „Diesem verliebten Heißsporn fehlt jedes Verantwortungsgefühl. Das Erzhaus bedeutet ihm wohl nichts. Eine Ausnahme vom Familienstatut kommt nicht in Frage. Wäre Rudolf noch am Leben … Diese katastrophale Heirat muss abgewendet werden.“ Dabei stellte er sich „dieses Weib“ vor und klopfte mit den Knöcheln seiner rechten Hand so stark auf die Schreibtischplatte, dass sein Kammerdiener fragend den Raum betrat. „Majestät?“ Franz Josephs Handbewegung in Richtung des Dieners war wegwischend.

      Sophie Maria Josephine Albina Gräfin Chotek von Chotkowa und Wognin, die Diplomatentochter aus böhmischem Uradel – ein Adel, der nicht viel jünger war als jener der ursprünglich gräflichen Habsburger – war hochgewachsen und beileibe nicht das, was man in Wien, insbesondere am klatschenden und tratschenden Hof, gewöhnlich eine Schönheit nannte. Wie man weiß, wurde in Wien nicht nur an der Bassena über andere genussvoll hergezogen.

      Franz Ferdinand haben wahrscheinlich ihre Augen betört, die groß, dunkel und klug waren. Sie hatte ein freundliches und heiteres Wesen und strahlte unzweifelhaft Charme aus. Nicht unerwähnt sei, dass er sich von Sophie geschlechtlich stark angezogen fühlte und keine Komplexe empfand.

      Ein Bischof und zwei Minister wurden entsandt, um den entflammten und heiratswilligen Erzherzog umzustimmen. Erregen konnten sie lediglich Franz Ferdinands Empörung.

      Besonders verärgerte ihn der Auftritt des Bischofs Godfried Marschall, der sogar sein ehemaliger Religionslehrer war. Der Geistliche wusste, dass Franz Ferdinand und Sophie nicht nur gläubige, sondern fromme Katholiken waren. Marschall hatte mit Franz Ferdinand drei und mit Sophie, die er aufforderte, sich „zu opfern“ und in ein Kloster zu gehen, eine Unterredung.

      Nach den bischöflichen Versuchen, das Paar auseinanderzubringen, war der Erzherzog derartig beleidigt, empört und verärgert, dass er schwor, dafür zu sorgen, dass der geistliche Würdenträger in der Kirche keine Stufe höher steigen werde. Der Erzherzog hat sich an seinen Schwur gehalten.

      Der Höhepunkt dieser dreisten und ungenierten Einmischung war wohl, dass der religionsoberlehrerhafte Bischof mit seinen erfolglosen Überredungskünsten gleichsam bei zwei Kaisern in Ungnade fiel, beim regierenden und beim zukünftigen. Ein Kunststück, das nicht jedem Prälaten gelingt, auch wenn er sich noch so redlich anstrengt.

      Am Neujahrstag neunzehnhundert wurde ein Familiendiner gegeben, bei dem fühlbar wurde, wie tief das Zerwürfnis zwischen dem regierenden und künftigen Kaiser war.

      Franz Joseph ließ, wie es dem damaligen Formenzwang erheblich entsprechender gewesen wäre, nicht seinen Nachfolger hochleben, als er sein Glas erhob, sondern trank wortlos dem zwölfjährigen Erzherzog Karl zu. Die anwesenden Habsburger hatten das Gefühl, der Kaiser wolle etwas andeuten. „Die Zukunft gehört Dir.“

      An eine nüchterne Aussprache zwischen den höchsten Habsburgern war nicht mehr zu denken, weshalb sich Franz Ferdinand entschloss, seinem Onkel und Familienoberhaupt einen Brief zu schreiben. Die Nachricht, die an der Ergebenheit des Neffen nicht den geringsten Zweifel ließ, war in einem aufrichtigen Ton gehalten, der in keiner Weise verletzend war und der bewies, wie sehr Franz Ferdinand um sein Glück mit Sophie zu kämpfen