Bhavya Heubisch

Das süße Gift des Geldes


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weiß denn ich? Und red nicht so laut.“

      Die Annamirl flüsterte: „Ich hab’s dir gleich gesagt, dass es nicht gut geht mit der ihren Geschäften bei uns.“

      „Reg dich nicht auf. Werd schon herausfinden, wer der ist.“

      Alois füllte das Glas mit dem teuren Frankenwein, stellte es dem Gast mit einem „Zum Wohl, der Herr“ auf den Tisch und ging zu Adele ins hintere Eck.

      Adele, die gerade ihr Geld zählte, blickte auf. „Was willst?“

      „Schau bloß nicht hin. Da drüben sitzt einer, der dich genau beobachtet.“

      Sofort musterte Adele den Gast. Der hob das Glas und nickte ihr zu. „Den kenn ich nicht. Meinst, der will was von mir?“

      Alois schnalzte mit der Zunge. „Vielleicht gefallst ihm.“

      „Davon kann ich auch nicht abbeißen.“ Zufrieden mit den Einnahmen schob sie dem Alois drei Gulden hin. „Die gibst der Annamirl. Damit sie nicht immer über mich schimpft.“

      Ihr Blick glitt nach unten. „Komm Basti, wir gehn.“ Sie deckte ein Tuch über den geldgefüllten Weidenkorb, nahm ihn beim Henkel und stand auf.

      Basti kroch unter der Bank hervor, schnuffelte herum, schnuffelte hin zu dem vornehmen Herrn. „Sofort kommst her.“ Adele zog den Basti zu sich und legte ihn an die Leine. „Entschuldigen Sie. Das macht er sonst nie.“

      „Lassen Sie ihn doch. Ist doch so ein schöner Hund. Darf ich Sie zu einem Wein einladen?“

      Adele zögerte, stellte den Korb auf den Boden. „Viel Zeit hab ich aber nicht.“

      Der Fremde erhob sich, verbeugte sich. „Gestatten: Vicenti. Notar.“

      Adele zuckte zusammen. Ein Notar. Das konnte nichts Gutes bedeuten. „Wie komm ich zu der Ehre?“

      „Ich beobachte Sie schon länger. Und wenn ich ehrlich sein darf: Sie gefallen mir. Und es imponiert mir, wie Sie in einer so einfachen Umgebung Ihre Geschäfte tätigen.“

      Erleichtert atmete sie auf. Hob das Weinglas, das Alois mit einem verschwörerischen Zwinkern auf den Tisch gestellt hatte. „Also dann, auf Ihr Wohl.“

      „Auf Ihr Wohl, schöne Frau.“

      Sie trank einen Schluck und verzog das Gesicht. „Ganz schön sauer. Ehrlich gesagt, ein Bier ist mir lieber. Alois! Bring mir eine Halbe. Und ein Gröstl. Wollens auch eins?“

      „Gut. Ihnen zuliebe esse ich auch eins.“

      „Sei so gut und bring uns zwei Gröstl“, rief Adele dem Alois zu und wandte sich wieder an den Vicenti: „Sind Sie aus München?“

      „Nein. Ich stamme aus Florenz. Seit fünf Jahren führe ich eine eigene Kanzlei in München.“

      „Und? Rentiert sich’s?“

      Vicenti nickte. „Wird ja überall gebaut. Und die Banken schießen nur so aus dem Boden. Da wird ein Notar immer gebraucht.“

      Während sie sich unterhielten, servierte Alois das Essen.

      Vicenti stocherte in den Bratkartoffeln herum, schob die Blutwurst angewidert an den Tellerrand.

      „Schmeckts Ihnen nicht?“

      „Das Münchner Essen vertrag ich nicht. Immer schwimmt alles im Fett.“

      Sie lachte und schaute verstohlen zur Küche. „Wenn das die Wirtin hört. Gebens die Wurst doch dem Hund. Aber unauffällig, damit sie’s nicht sieht.“

      Adele wischte ihren Teller mit einem Stück Brot aus. „Wie lang beobachten Sie mich denn schon?“

      „Ich habe Sie einige Male in der Stadt gesehen. Und dann, wie Sie ins ‚Goldene Licht‘ gegangen sind.“ Er schaute auf den Basti. „Sie mögen Tiere?“

      Adele streichelte den Basti, der im schönsten Sitz auf noch ein Bröckerl Blutwurst wartete. „Tiere sind mir das Höchste. Und grad die Hunde. Die sind einem immer treu.“

      Tief blickte Vicenti ihr in die Augen. „Es gibt auch Männer, die treu sind.“ Er ergriff ihre Hand, bemerkte die abgekauten Nägel. Ganz so souverän wie sie tat, war sie anscheinend doch nicht. „Dürfte ich Sie einmal zum Essen einladen? Meine Köchin kocht vorzüglich.“

      „Vielleicht. Aber jetzt muss ich gehn.“

      Zurück in ihrem Zimmer legte Adele den Mantel auf einen Stuhl und griff nach der Dose mit dem Zuckergebäck. So ein notariger Beschützer wär nicht schlecht. Aber wie der sie angeschaut hatte. In seine Wohnung gehen? Niemals. So was wie mit dem Kreitner brauchte sie nicht noch einmal.

      Sie zerkrümelte ein Kipferl und ging zu der Voliere, in der eine junge Amsel aufgeregt hin und her hüpfte. Laut tschilpend, einen Flügel abgeknickt, hatte sie den Vogel am Wegrand gefunden, ihn vorsichtig in ein Tuch gewickelt, nach Hause getragen und jeden Tag gefüttert. Mit eingeweichten Brotkrumen und klein geschnittenen Regenwürmern. Bis sein Flügel geheilt war.

      Sie stellte die Voliere ans geöffnete Fenster und löste den Haken an der Käfigtür. Lockte: „Komm. Jetzt darfst fliegen. Frei sollst sein.“

      Der Vogel hüpfte heraus, setzte sich aufs Fensterbrett, spreizte die Flügel und flog davon.

       Knöcherl

      Regen, nichts als Regen. In den Straßen stank die Kloake, Ratzenkadaver, die Bäuche aufgebläht, flackten in ausgespülten Rinnen. Wer bei dem Sauwetter nicht aus dem Haus musste, blieb daheim.

      Nur der Gerber Hannes huschte durch die Sendlinger Straße. Er schlug den Kragen seiner durchnässten Joppe hoch und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Grad froh war er, dass ihm niemand begegnete. Er war es leid, dass alle sich die Nase zuhielten, wenn er an ihnen vorüberging. Wusste selber, wie pestilenzisch er stank wegen der Arbeit in der Gerberei. Früher hatte er sich noch jeden Abend in den Zuber gehockt, die Haut mit der Wurzelbürste geschrubbt. Das machte er schon lange nicht mehr. Gegen den fauligen Geruch half alles nichts. Sogar aus dem Herbergshaus, wo er sich mit einem Fuhrkutscher ein Bett geteilt hatte, hatten sie ihn rausgeschmissen. Musste jetzt in einem Verschlag an der Kreppe hausen.

      Dabei konnte er von Glück sagen, dass er den Milzbrand überlebt hatte. Nur durch Gottes Gnade war das brennende Fieber zurückgegangen, waren die aufgeplatzten Geschwüre grindig abgeheilt. Der Lohmühlenbesitzer wusste genau, was er jetzt an ihm hatte. Denn die wenigen Gerber, die das teuflische Feuer überstanden, waren gegen den Milzbrand gefeit. Starben ihm nicht mehr weg wie die Fliegen. Sogar ein paar Kreuzer mehr zahlte er ihm seitdem. Aber was nützten ihm die paar Kreuzer? Eine Frau würde er nie kriegen. So ein stinkendes Mannsbild? Pfui Teufel!

      Hannes betrat die Asamkirche und bekreuzigte sich. Hinter dem Portal starrte ihn die Büste des Luziferischen aus hohlen Augen an. Verzog grinsend die fleischlosen Lippen. Schwang die Schere, bereit, den Lebensfaden verdammter Sünder zu durchtrennen.

      Hannes tauchte die Hand ins Weihwasserbecken, bekreuzigte sich noch einmal und ging nach vorn in die Kirchenbank. Sank auf die Knie. „Vater im Himmel, vergib uns unsere Schuld.“ Reuig betete er um die Vergebung seiner Sünden. Schwer glitten die Holzperlen des Rosenkranzes durch seine abgearbeiteten Hände. „Heilige Maria Muttergottes, bitt für uns.“

      Was war nur in ihn gefahren? Gestern Nacht, als er ausgerechnet in den Garten der Walburga geschlichen war, um ihrem Huhn den Garaus zu machen? Noch nie hatte ihn jemand erwischt, wenn er Hühner einfing, ihnen ruckzuck den Hals umdrehte, um sie unter den Finsteren Bögen zu verkaufen. Aber das Viech von der Walburga hatte geplärrt wie am Spieß. Wie eine Furie war die Alte aus dem Haus geschossen.

      „Elendiger Hühnerdieb, elendiger! Mein letztes Huhn! Verflucht sollst sein bis in alle Ewigkeit. Im Höllenfeuer sollst schmoren bis zum Jüngsten Tag!“

      Vor lauter Schreck hatte er das halbtote Huhn fallen lassen, war gerannt, so schnell er konnte. Ein