Sabina Naber

Tatort Heuriger


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      Wo war ich?

      Was bin ich?

      Tot.

      Und der Tod ist eine Strafe.

      Nein, nicht der Tod ist die Strafe, das Salz, das mich Dings, wie heißt das? Frisch hält.

      Und dass Heinrich mich angespuckt hat, das auch. Aber mehr innen drin. Seelisch.

       Da hast du deinen traditionellen Heurigen.

      Ich bin sehr müde.

      Und der Streit war ja auch ein harmloser.

      Wir haben gestritten, weil …

      Weil Heinrich gemeint hat, dass das nicht so ist, wie ich sage. Und ich habe gesagt, dass …

      Ja, dass ich auf keinen Fall zu einem Heurigen will, in dem sich die Wiener aufführen wie notgeile Nutten. Und er: … Das weiß ich nicht mehr. Und ich: Aber im Achtzehnten, da gibt es einen netten, zu dem will ich. Und er: Dann müssen wir in die Stadt und rüber und wieder rauf. Und ich: Aber das lohnt sich. Und er: Warst du schon mal da? Und ich: Ich hab davon gelesen. Und er: Ich setz mich jetzt an den nächsten Tisch, der mir über den Weg läuft. Und ich: Aber da sitzen schon die Touristen. Und er: Ich scheiß dir was auf die Touristen. Und ich: Die machen alles kaputt. Und er: Aber die bringen Geld. Und ich: Das brauch ich nicht. Und er: Bist ja selber kein Wiener. Und ich: Bist ja auch selber kein Wiener. Und er: …

      Und er hat dann gesagt …

      Er hat mir gesagt, dass …

      Ich habe mich dann umgedreht und wollte weg, und dann …

      Dann gab es einen Rumms und ich lag mit der Nase im kalkigen Boden und konnte mich nicht mehr bewegen.

      Nur noch schauen.

      Da lag ein kleiner Käfer, der war tot, den hab ich mit meiner Nase beim Hinfallen plattgemacht.

      Das ist sehr … traurig.

      Es ist enttäuschend, das ist es, enttäuschend, ich wär gern anders gestorben.

      Ich hätte ihm ja die Frau wegnehmen können.

      Zum Beispiel.

      Oder ich hätte was anderes tun können.

      Etwas Schlimmes.

      Mir fällt jetzt nichts ein.

      Und das habe ich ja auch nicht getan.

      Das macht mich müde.

      Sehr müde.

      Dass der so jähzornig ist.

      Und so nachtragend.

      Mich einlegen in Salz und deponieren beim Heurigen.

      Das ist nicht schön von ihm.

      Mich juckt’s schon wieder am Kopf.

      Wo ist nur meine Hand?

      Das Leben ist kein Zuckerschlecken.

      Wär ich ein Ägypter, wär ich ein reicher Mann.

      »Ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit …«

      Ruhe.

      »Ein Prosit, ein Prohosit …«

      Ruuhee.

      »… der Gemütlichkeit.«

      Klappe halten, still sein, Ruhe bitte jetzt, es reicht.

      »Schenkt ein, trinkt aus …«

      Oh nein, nicht das auch noch.

      »… schenkt ein, trinkt aus.«

      Die kennen auch noch die Strophe. Niemand kennt die Strophe. Die kennen sie. Und nach der Strophe kommt was?

      »Ein Prosit, ein Prosit …«

      Der Refrain.

      »… der Gemütlichkeit.«

      Und das Problem bei dem Lied ist ja, dass es kein Ende hat. Es geht weiter und weiter und weiter, bis alle unter dem Tisch liegen vor lauter Zuprosten und Einschenken und Austrinken.

      »Ein Prosit, ein Prohosit …«

      RUUUUUUHEEEEEE.

      »… der Gemütlichkeit.«

      Sie hören mich nicht.

      Natürlich hören sie mich nicht.

      Nie hört mich wer.

      Nie werde ich gehört.

      HEURIGER PÖTZLEINSDORF 1180 Wien, Pötzleinsdorfer Straße 97, www.kulinariumkolar.at

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