ans Licht.
Das Unbewusste ist das Unverstandene,
das Nicht-Zugelassene,
das Verdrängte,
das Vergessene,
das mir Unangenehme,
das Eigentliche, wo unzensiert und ungestört unsere wirklichen Lebensüberzeugungen ans Licht kommen.
Der Traum, der im Wesentlichen unbewusste Überzeugungen verdeutlicht, ist darum ein Schlüssel zum Zentrum unserer Persönlichkeit.
Alfred Adler hat den Begriff tendenziöse Apperzeption geprägt (subjektive Wahrnehmung). Er schreibt:
»Es ist für mich außer Zweifel, dass jeder sich im Leben so verhält, als ob er über seine Kraft und über seine Fähigkeiten eine ganz bestimmte Meinung hätte; ebenso als ob er über die Schwierigkeiten oder Leichtigkeit eines vorliegenden Falles schon bei Beginn seiner Handlung im Klaren wäre; kurz, dass sein Verhalten seiner Meinung entspricht.«1
Meine tendenziöse Apperzeption meint also meine subjektive Wahrnehmung, meine Wahrnehmungsverzerrung, meine Lebenserfahrung, die ich gewonnen und mir zugelegt habe. Die gemachten Lebenserfahrungen sind Bausteine meines Lebensstils. Der Lebensstil ist das Wahrnehmungsschema meiner Persönlichkeit. Lebenserfahrungen mit Eltern, Großeltern, Nachbarn und Geschwistern haben meine Lebensüberzeugungen (meinen Lebensstil) geprägt.
Eine Reihe dieser Überzeugungen können wir formulieren, andere liegen im Dunkeln, im Unbewussten, sie sind unverstanden. Diese Wahrnehmungen können richtig, halbrichtig, falsch oder verzerrt sein. Sie bestimmen unser Leben, und wir heben sie im Traum ins Licht.
Viele Träume verraten unsere religiöse Einstellung
Nicht alle Träume haben einen religiösen Kern. Aber viele offenbaren Zweifel oder Vertrauen, Geborgenheit oder Unfriede. Unsere religiösen Empfindungen setzen wir in den Vorstellungsmustern unseres Herzens ins Bild.
Wenn der Glaube an den lebendigen Gott und Christus unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmt, muss auch im Traum diese Beziehung zur Sprache kommen. C. G. Jung schilderte einen eigenen Traum, der überdeutlich seine religiöse Einstellung charakterisiert:
»Der Traum, das bin ich.«
»Auf einer kleinen Straße ging ich durch die hügelige Landschaft. Die Sonne schien, und ich hatte einen weiten Ausblick ringsum. Da kam ich an eine kleine Wegkapelle. Die Tür war angelehnt, und ich ging hinein. Zu meinem Erstaunen befand sich auf dem Altar kein Muttergottesbild und auch kein Kruzifix, sondern nur ein Arrangement aus herrlichen Blumen. Dann aber sah ich, dass vor dem Altar, auf dem Boden, mir zugewandt, ein Yogin saß im Lotussitz und in tiefer Versenkung. Als ich ihn näher anschaute, erkannte ich, dass er mein Gesicht hatte. Ich erschrak zutiefst und erwachte an dem Gedanken: Ach so, das ist der, der mich meditiert. Er hat einen Traum, und das bin ich. Ich wusste, dass, wenn er erwacht, ich nicht mehr sein werde.«2
Was bringt der Traum zur Sprache?
Jung schreibt ausdrücklich über diesen Traum: »Der Traum, das bin ich.« Alles, was er zur Sprache bringt, charakterisiert seine Lebens-Grundüberzeugung.
Jung hat einen »weiten Ausblick ringsum«. Er war in der Tat kein engstirniger Denker. Sein Weitblick hat die Psychologie bereichert. Ringsum hat er Dinge aus Ost und West in sein System integriert.
Auf seinem Lebensweg spielt die Kapelle, die von Christen erstellt ist, eine Rolle. Jung wird allgemein als der Religiöseste unter den drei Tiefenpsychologen (Freud, Adler und Jung) bezeichnet. Die Kapelle, das Gotteshaus, zieht ihn an. Er geht nicht daran vorbei, er geht hinein. Er setzt sich mit dem Christentum ernsthaft auseinander. Jung kann seine Herkunft nicht verleugnen. Sein Vater war Pfarrer.
Was zutiefst sein Glaubensleben kennzeichnet, kommt in den nächsten Sätzen zur Sprache. Der Altar, der Ort der Gegenwart Gottes, auf dem in einer Wegkapelle normalerweise ein Kruzifix oder ein Muttergottesbild stehen, wird von Jung mit einem »Arrangement aus herrlichen Blumen« geschmückt. Das Kreuz und der Gekreuzigte, Zentrum des christlichen Glaubens, sind verschwunden. Jung hat sie vom Altar entfernt. Heißt das nicht, dass er sie aus seinem Denken und Leben entfernt hat?
Östliche Weisheit und östliches Gedankengut haben im Leben des Psychiaters und Psychologen Jung eine große Rolle gespielt. Im Traum kommt das zur Sprache; die christliche Symbolik ist nur noch in der Hülle der Kapelle vorhanden. Gefüllt wird das Gotteshaus mit dem Yogin, der mit dem Rücken zum Altar auf dem Boden sitzt.
Jung erkennt sich im Yogin (Yogi) wieder. Er trägt sein Gesicht. Er meditiert nicht das Kreuz und biblische Wahrheit. Das gebrochene Verhältnis zum Christentum kommt bei Jung zum Ausdruck. In der Tat: Der Traum, das bin ich.
Der Traum – die Vorbereitung auf das Morgen
Im Traum spielen Affekte und Gefühle eine große Rolle. Sie haben ein stärkeres Gewicht als die Intellektualität. Ungehemmt von Rücksichten auf Sachlichkeit und Logik nimmt der Träumer zu aktuellen Fragen seines Lebens Stellung.
Viele Träume bestätigen, dass es um entscheidende Ereignisse geht, die in naher Zukunft anstehen. Es geht um Prüfungen, die bestanden, um Entschlüsse, die gefasst, um Aufgaben, die gelöst und bewältigt werden wollen. Der Traum spiegelt von daher unser »Bewegungsgesetz« wider, wie Alfred Adler die Grundmuster nennt, die wir in der Kindheit entwickelt und trainiert haben. Das »Bewegungsgesetz« (vgl. S. 54 – 57) enthält unsere grundsätzlichen Zielvorstellungen, unsere Ansichten, wie wir Aufgaben anpacken, wie wir Verantwortung wahrnehmen, also die Art, wie wir das Leben meistern. Adler sieht im Traum eine Bewegung vom Heute zum Morgen.
Eine depressive Patientin, die eine lange seelsorgerlich-therapeutische Begleitung erfahren hat, träumt gegen Ende der Beratung:
»Ich sitze im Garten allein auf der Bank. Mir ist unwohl. Plötzlich kommt ein Gewitter, verbunden mit einem Sturm. Ich renne ins Haus, wo ich mich sicher weiß, wo mein Mann im Arbeitszimmer eine Predigt vorbereitet. Offensichtlich freut er sich, dass ich komme. Er schaut mich eine Weile an, dann reicht er mir einige dicke Bücher. Offensichtlich soll ich etwas nachschlagen. Ich gehe mit einem guten Gefühl an die Arbeit.«
Die Träumerin wollte sich in der Depression von ihrem Mann trennen, von dem sie sich im Stich gelassen fühlte. Schon vor Monaten war sie ausgezogen und wohnte bei ihrer Schwester. Im Traum trifft sie eine neue Entscheidung. Sie sieht sich selbst auf die Bank im Garten abgeschoben und allein gelassen. Die Träumerin erkennt, dass sie selbst aus eigenen Stücken die Bank im Garten ausgesucht hat. Sie selbst hat Haus und Ehe verlassen.
Der Traum beschert ihr ein Gewitter, sie deutet es als die Bedrohung von draußen, als Widrigkeit des Lebens. Im Gewitter sind bildlich alle Stürme des Lebens gedeutet, die ihr auf der Bank schutzlos und allein widerfahren. Sie rennt ins Haus, in die Geborgenheit, die sie vor Monaten verzweifelt hinter sich gelassen hat. Die Trennung und die seelsorgerlichen Gespräche haben sie reifer gemacht. Die Ehe kann sie weniger erregt aus der Distanz beleuchten. Sie kann ihre Vorurteile als solche akzeptieren.
Der Traum signalisiert ihr, dass sie ihrem Mann eine »Gehilfin« sein will, eine Mitstreiterin. Der Mann zeigt ihr nicht die kalte Schulter, sondern freut sich. So empfindet sie es in ihrem Traum, in ihrem Herzen. Die Arbeit des Mannes, die ihr in der Depression zum Horror wurde, wertet sie im Traum mit anderen Augen. Sie hat in der Tat eine tief greifende Veränderung erfahren.
Die junge Frau, die in der Depression glaubensmäßig stark angefochten war, erkennt im Traum Gottes Weisung. Der Traum vermittelt ihr mit unwiderlegbarer Gewissheit, dass sie die Ehe wieder aufnehmen soll.
Für den Beratungsprozess hat dieser Traum noch eine weitere Bedeutung. Er zeigt, dass die Ratsuchende sich geändert hat. Ihr Lebensstil ist korrigiert worden. Diese Frau hat Einsichten in die Tat umgesetzt. Der Traum, der einen Einblick in