lächelnd hinein.
Klara blieb verwundert stehen und versuchte, die Worte der alten Frau zu verstehen. Nach einem Moment des Überlegens gab sie es auf und folgte Agnes in die Hütte.
Peter drehte sich um. Er wollte sicher sein, dass Klara ihn nicht mehr beobachtete. Warum musste die alte Kräuterhexe ihn immer wieder vor Klara bloßstellen? Anna Bernheimer war ein hartnäckiger Fall. Sie hatte bisher alle seine Annäherungsversuche zurückgewiesen. Erst hatte er es mit Schmeicheleien und Liebesschwüren versucht. Oft genügte das, um das Herz einer Frau weich werden zu lassen. Dann hatte er Blumen gepflückt und ihr eine Kette gekauft. Die Blumen hatte er am nächsten Morgen auf dem Misthaufen gefunden. Wo die Kette abgeblieben war, wollte er sich nicht ausmalen.
Im Dorf sagte man sich, dass die alte Kräuterfrau über besondere, beinahe magische Fertigkeiten verfügte. Ihre Tränke konnten Schmerz lindern, Wunden verheilen lassen und Fieber senken. Was war also schon groß dabei, wenn er einen Trank wollte, der das harte Herz von Anna Bernheimer erweichen würde?
Verdrossen trat Peter einen Stein von dem festgetretenen Weg hinunter, als er lautes Pferdegetrappel vernahm. Gewandt sprang er von der Straße, nahm seinen Hut ab und verbarg sich unter einem kleinen Gebüsch. Diese Gewohnheit hatte er schon von Kindesbeinen an. Oft hatten ihn seine schnellen Reaktionen und ein gutes Versteck vor dem Zorn eines wütenden Vaters oder einer enttäuschten Magd geschützt. Außerdem bereitete es ihm Vergnügen, die Leute heimlich zu belauschen.
Die Geräusche wurden lauter, und Peter entdeckte einen Trupp von acht Soldaten, die den Weg zum Dorf entlanggaloppierten. Sie eskortierten eine Kutsche, die ein schwarzweiß geständertes Lilienkreuz auf einem ebenso geständerten Schild an der Seite trug.
Peter begann zu zittern. Er versuchte, sich zur Ruhe zu zwingen, doch die Gedanken in seinem Kopf rasten.
Die Kutsche barg einen Inquisitor. Er hatte schon Schreckensgeschichten von diesen Geistlichen gehört, doch diese waren ihm stets weit entfernt und unwirklich vorgekommen. Tagelange Folter, demütigende Prozesse und ganze Familien, die auf dem Scheiterhaufen den Tod fanden, davon sprach man hinter vorgehaltener Hand. Jetzt war der Schrecken aus den Geschichten zu ihnen gekommen. Peters Zittern verstärkte sich. Das Gebüsch raschelte leise. Er schloss die Augen und krümmte sich zusammen, in der Hoffnung, dass der Reitertross an ihm vorbeiziehen würde. Die Augenblicke schienen sich zu Stunden zu dehnen, bis die Geräusche endlich verstummt waren. Peter öffnete die Augen. Die Reiter waren fort. Die Kutsche hatte eine tiefe Furche im Boden hinterlassen.
Die Starre fiel von ihm ab, und er begann zu laufen. Er kannte eine Abkürzung nach Reheim und hoffte, dass er noch vor den Männern das Dorf erreichen würde. Er musste die Bürger warnen, dass die Inquisitoren auf dem Weg waren. Der Pfad war steil, aber Peter rannte, als hinge sein Leben davon ab. Schon bald kam sein Atem keuchend, und Schweiß bildete sich auf seiner Stirn.
Bestimmt wollten die Männer nur Rast in Reheim machen, versuchte er sich einzureden. Sie waren auf der Durchreise und suchten in einem anderen Dorf nach Ketzern.
Peter war auf der Hügelkuppe angekommen, aber er gönnte sich keinen Moment des Verschnaufens. Der Weg nach unten war steil und führte ihn durch dichtes Unterholz. Dornen rissen an seinen Hosen, und Wurzeln ließen ihn stolpern, doch die Angst trieb ihn weiter.
Mit einem Satz über einen kleinen Bach erreichte er die Dorfstraße und rannte zum Marktplatz. Er hörte kein Hufgetrappel, und für einen Augenblick glaubte er, dass er die Männer überholt hatte. Doch als er den Platz betrat, erblickte er die dunkle Kutsche, die dort wie ein Vorbote des Schreckens stand.
Mit einer vorsichtigen Kreisbewegung fuhr Agnes der kleinen Ziege über den Bauch.
»Es ist wichtig, dass du die entsprechende Stelle sanft reibst«, sagte Agnes und schmierte sich etwas von der gelblichen Paste auf die Finger. »Die Salbe entfaltet ihre Wirkung, wenn sie warm ist. Achte darauf, dass die Masse nicht zu dünn wird. Sie sollte zäh und fest sein.«
Klara beobachtete jede Bewegung von Agnes. Die Ziege stand ruhig in der Hütte und ließ die Behandlung ohne Angst über sich ergehen. In den letzten Tagen hatte das Tier kaum noch etwas gefressen, daher vermutete Agnes, dass die Ziege Probleme mit ihrer Verdauung haben musste. Die Kamille würde die Schmerzen lindern.
»Heute Morgen habe ich ihr noch etwas gelben Enzian in das Wasser gemischt. Das müsste ihren Appetit anregen. Wenn die Schmerzen weg sind, wird sie bald wieder ganz die Alte sein.«
Agnes lächelte bei ihren Worten und strich der Ziege sanft über den Kopf.
Klara beobachtete die Alte gebannt. Zwischen Agnes und den Tieren schien ein unsichtbares Band zu bestehen. Es dauerte nie lange, bis sie wusste, warum eine Kuh keine Milch mehr gab, die Hühner keine Eier mehr legten oder die Schweine nicht mehr fressen wollten. Ähnlich leicht fiel es ihr, die Krankheiten von Menschen zu erkennen, doch diese Arbeit verrichtete sie weniger gern. Wurde sie zu einem Dorfbewohner gerufen, verschaffte sie sich meist nur einen kurzen Eindruck von dem Kranken. Oft händigte sie ihm ein paar ihrer Kräuter aus und verließ die Behausung wieder, so schnell sie konnte. In den meisten Fällen wirkten ihre Tinkturen und Salben, doch manchmal konnte auch sie nicht mehr helfen. Dann ging sie mit den Angehörigen des Kranken hinaus und sagte: »Holt Vater Liborius.«
Klara hatte Agnes einmal darauf angesprochen, warum sie allein lebte, abseits des Dorfes, nie verheiratet gewesen war und jedem Dorffest fernblieb. Die alte Frau hatte mürrisch auf diese Frage reagiert. Für einen winzigen Moment war in ihren Augen Bedauern aufgeblitzt, und ihr Gesicht hatte großen Schmerz gezeigt. Agnes schien in ihrem langen Leben schon harte Zeiten überstanden zu haben.
»Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte die Alte nun und riss Klara damit aus ihren Gedanken.
»Entschuldigung«, murmelte sie und richtete sich auf ihrem Stuhl auf.
»Reibe die Paste weiter ein, bis sie ganz eingezogen ist«, fuhr Agnes fort. »Ich füttere solange meine Hühner und versuche, die schadhafte Stelle im Zaun auszubessern, die mir der Besuch eines Keilers eingebracht hat.«
Klara stand auf und nahm die Schüssel mit der gekochten Kamille entgegen. Sie lächelte, als sie das aufgeregte Gackern der Hühner aus dem Stall hörte.
Friedrich Birsch war auf dem Weg zum Rathaus, als die Kutsche der Inquisitoren in die Straße zum Marktplatz einbog. Das Klappern der Räder hallte laut durch die Gassen und ließ jeden Bürger in seiner Arbeit innehalten. Für einen Augenblick sah er dem großen Tross fasziniert nach. Dann riss er sich von dem Anblick los und lief der Kutsche, so schnell es sich gerade noch geziemte, hinterher. Am Marktplatz angekommen, hielt das große Gefährt an.
Ein Soldat saß von seinem Pferd ab und öffnete die Tür. Ein junger Mann stieg aus. Sein Gesicht war rosig und sein braunes Haar kurz geschoren. Er trug ein helles Habit, das mit einer dunklen Kordel geschnürt war. Der Priester wandte sich der offenen Tür zu und half einem älteren Mann hinaus, dessen Gesicht von einem langen Leben gezeichnet war. Sein Körper war hager, und nur noch wenige graue Haare zierten seinen Hinterkopf. Über seine helle Tunika hatte er einen schwarzen Überwurf gelegt, der ihm fast bis zu den Füßen reichte. Er streckte seine Hände nach vorne und ließ sich von dem Soldaten und dem jungen Priester aus der Kutsche helfen. Dann blieb der Alte stehen und hob seinen Kopf, fast als wollte er die Witterung des Dorfes aufnehmen.
Friedrich drängte sich durch die Zuschauer, die unsicher in der Nähe standen. Er stellte sich vor den älteren Geistlichen und verneigte sich, während er mit nervösen Fingern die Strähnen seines grauweißen Haares über die hohe Stirn kämmte.
»Willkommen in Reheim, Eminenz. Mein Name ist Friedrich Birsch, und ich gehöre zum Stadtrat. Wie kann ich Euch helfen?«
»Gottes Segen, Herr Birsch«, grüßte ihn der jüngere Inquisitor. »Mein Name ist Pater Thomas. Ich bin der Gehilfe von Prior Baselius vom Kloster St. Bonifaz. Wir haben eine lange Reise hinter uns und benötigen ein Mahl ebenso wie eine Unterkunft.«
»Sehr wohl«, entgegnete Friedrich und wandte sich dem jungen Priester zu. »Bitte geht in unser Wirtshaus auf der anderen Seite des Marktplatzes. Dort werden wir uns um alles kümmern.«