Stuart Hall

Ideologie, Kultur, Rassismus


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was allerdings nur eine zusammenfassende Formulierung ist. Mit diesen scheinbar simplen Bestimmungen werden verschiedene Gruppen von Verhältnissen erfasst: Verhältnisse sowohl zwischen den Agenten der Produktion und ihren Werkzeugen als auch unter den Produktionsagenten selbst: die technische und gesellschaftliche Arbeitsteilung unter den sich entwickelnden kapitalistischen Bedingungen, wobei Marx dem »Gesellschaftlichen« gegenüber dem »Technischen« den Vorrang gibt. Aber die »gesellschaftlichen« Verhältnisse sind nicht einfach: Sie verweisen sowohl auf das Eigentum an den Produktionsmitteln, die Organisation des tatsächlichen Arbeitsprozesses und auf die Macht, Menschen und Produktionsmittel auf bestimmte Weise miteinander zu kombinieren.

      Unsere Zusammenfassung des 13. Kapitels des Kapital über »Maschinerie und große Industrie« sollte ausreichend gezeigt haben, auf welche verschiedenen Gruppen von Verhältnissen, in verschiedener Kombination, die griffige Formel »Kräfte und Verhältnisse« hinweist. Hinzuzufügen wäre noch das »korrespondierende Verhältnis« zwischen Zirkulation und Austausch, das den Kreislauf zur Realisierung des Kapitals vervollständigt. Wenn wir sagen, der Begriff »Produktionsweise« sei zunächst eine analytische Matrix, dann meinen wir damit nur, dass Bedingungen und Verhältnisse, Orte und Umstände näher bestimmt sein müssen, wenn wir einen Vorgang als »Produktion unter kapitalistischen Verhältnissen« erkennen wollen. Er bezeichnet die zentralen Orte und Räume, auf die die Produktionsagenten und -mittel verteilt werden und wo sie miteinander kombiniert werden müssen, damit die kapitalistische Produktion voranschreiten kann. Er bezeichnet die ökonomische Struktur des Kapitalismus, als den zentralen Ort des Klassenverhältnisses, weil hier jede Position antagonistische Beziehungen beinhaltet. Antagonismen, für die Marx in der Analyse im Kapital die »Personifikationen« von Kapitalist und Lohnarbeiter anfuhrt. Die Klassenpositionen beinhalten keine Bestimmung »ganzer« Klassen als empirisch einheitlicher Gruppen von Männern und Frauen; sie verweisen vielmehr auf eine Funktion. Wie jede durchdachte Theorie über die Anatomie von Klassen in verschiedenen Phasen der kapitalistischen Entwicklung eindeutig zeigt, können Klassen in Bezug auf ihre Funktion zumindest einige ihrer Positionen verschieben, oder, anders ausgedrückt, sie können sozusagen »Funktionen« auf beiden Seiten des Klassenantagonismus ausüben.

      Dieser Punkt spielt zum Beispiel bei der Bestimmung der neuen Mittelklassen eine große Rolle, die nicht alle, aber einige Funktionen sowohl des »weltweiten Kapitals« als auch »des Gesamtarbeiters« (um Carchedis Begriffe einmal zur Illustration zu benutzen, Carchedi 1975) ausüben. In der tatsächlichen, konkreten Funktionsweise einer spezifischen Produktionsweise in einer historisch konkreten Gesellschaft oder Gesellschaftsformation und in jeder spezifischen Phase ihrer Entwicklung ist also die Konstituierung von Klassen bereits auf dieser »ökonomischen« Ebene ein komplexer und in einigen, zum Teil entscheidenden Aspekten widersprüchlicher Vorgang. Die Vorstellung, wir könnten irgendwie durch die Verwendung des Begriffes der »Produktionsweise« empirisch konstituierte, »einheitliche Klassen« auf der Ebene des Ökonomischen zu Tage fördern, ist unhaltbar.

      Es gibt noch zwei weitere Gründe, warum das so sein muss. Erstens erscheinen in realen, konkret-historischen Gesellschaftsformationen die Produktionsweisen nicht selbständig und in »reiner Form«. Sie sind stets mit vorangegangenen und untergeordneten Produktionsweisen – und deren korrespondierenden politischen und ideologischen Verhältnissen – auf komplexe Weise verknüpft, womit jede Tendenz einer »reinen« Produktionsweise, eine Reihe von »reinen« Klassen zu produzieren, durchkreuzt und überdeterminiert wird.

      Der zweite Grund wurde bereits angesprochen. Gesellschaftsformationen bestehen nicht ausschließlich aus miteinander verknüpften Produktionsweisen, sie enthalten immer auch Überbauverhältnisse – das Politische, das Juristische, das Ideologische. Und da diese nicht bloße Blüten der »Basis« sind, haben sie auch eigene Auswirkungen – sie komplizieren die Konstituierung der Klassen zusätzlich. Sie haben in zweierlei Hinsicht einen überdeterminierenden Effekt: Zum einen haben das Politische, das Juristische und das Ideologische Auswirkungen innerhalb dessen, was wir grob »das Ökonomische« nennen. In bestimmten Phasen der kapitalistischen Entwicklung fallen das reale und das rechtliche Eigentum an den Produktionsmitteln zusammen. Aber im Monopolkapitalismus fallen die beiden Funktionen zum Beispiel nicht zusammen. Das Körperschaftseigentum kann juristisch gesehen gesellschaftlichen Gruppen »gehören«, die aber nicht die »reale« Macht besitzen, die Instrumente dieses Eigentums in der Produktion einzusetzen. Zum anderen aber haben das Politische, Juristische und Ideologische auch ihre eigenen Auswirkungen, wie sie auch ihre eigenen bestimmten Existenzbedingungen haben, die nicht auf »das Ökonomische« reduzierbar sind. Wie wir zu zeigen versucht haben, sind sie zwar aufeinander bezogene, aber »relativ autonome« Praxen, und damit die Orte bestimmter Formen des Klassenkampfes mit ihren eigenen Kampfzielen, die selbst wiederum relativ unabhängig auf die »Basis« zurückwirken. Deshalb haben die Formen, in denen Klasse, Klasseninteresse und Klassenkräfte auf jeder dieser Ebene auftreten, keineswegs notwendig ein und dieselbe Bedeutung oder entsprechen einander. Das Beispiel der Bauernschaft, Napoleons, der Pattsituation zwischen den Hauptklassen, der Expansion von Staat und Kapital im Achtzehnten Brumaire sollte uns genügend von der Nicht-Unmittelbarkeit, der Nicht-Transferierbarkeit zwischen beiden Ebenen überzeugt haben. Die Verallgemeinerbarkeit der Theorie über Klassen und Klassenkampf in ihren verschiedenen Aspekten wird von unserer Fähigkeit abhängen, die globale Auswirkung dieser komplexen, widersprüchlichen Auswirkungen zu erfassen. Das impliziert die These von der Nicht-Homogenität der Klassen, einschließlich etwa der Nicht-Homogenität des Kapitals, einem Kürzel für die verschiedenen Kapitalformen. Seine innere Zusammensetzung und jeweils unterschiedliche Stellung im Kreislauf führt dazu, dass es selbst auf der ökonomischen Ebene kein einheitliches, eindeutiges »Interesse« verfolgt. Von daher ist es höchst unwahrscheinlich, dass es auf der politischen Bühne als einheitliche Kraft auftritt, ganz zu schweigen davon, dass es auf der ideologischen Ebene erscheinen könnte, wenn es sich sozusagen »selbst dazu entschlossen hat«.

      In den vorangegangenen Kapiteln habe ich versucht nachzuzeichnen, wie Marx bei den Bestimmungen dieser »Nicht-Homogenität« anlangte und dann, wie er sie begrifflich ausfüllte. Um die praktische Relevanz dessen zu sehen, brauchen wir nur an die Zeiten in der jüngeren europäischen Geschichte zu denken, in denen »das Kapital« auftrat und seine unwiderstehliche ideologische Gewalt ausübte, indem es (um zwei Bilder aus dem Achtzehnten Brumaire zu benutzen) sich die Maske des Kleinbürgertums aufsetzte bzw. sich in das Gewand des Kleinbürgertums kleidete (der Klasse, die, frei nach Marx, nichts zu verlieren hatte als ihre moralische Rechtschaffenheit).

      Diese ideologischen Verschiebungen und Maskierungen sind keineswegs auf die Vergangenheit beschränkt. Man könnte die ökonomische und politische Situation in Großbritannien seit den frühen 60er Jahren als eine sich vertiefende Krise der ökonomischen Strukturen begreifen, die auf der politischen Ebene ihren »natürlichsten« Ausdruck in der Form einer Labour-Regierung annimmt – eine paradoxe Situation, in der die in Krisenzeiten vom Kapital am meisten favorisierte Partei die »Partei der Arbeiterklasse« ist. Das mag aber auch mit dem zu tun haben, was diese Partei tut, wenn sie an der Macht ist: Sie hält sich fast wörtlich an die Beschreibung, die Marx im Achtzehnten Brumaire von der historischen Rolle der Sozialdemokratie gegeben hat: Sie verlangt »demokratisch-republikanische Institutionen als Mittel (…), nicht um zwei Extreme, Kapital und Lohnarbeit, aufzuheben, sondern um ihren Gegensatz abzuschwächen und in Harmonie zu verwandeln« (MEW 8, 141). Wenn die Sozialdemokratie versucht, sowohl dem Kapital zu dienen als auch die Arbeiterklasse zu vertreten, dann geschieht das oft dadurch, dass sie das »Allgemeininteresse« zum Prinzip ihrer Macht erhebt: In der Rhetorik der Sozialdemokratie erscheint dieses Interesse dann in der ideologischen Personifikation »des Konsumenten«. Auf der anderen Seite der parlamentarischen Szene sehen wir die Thatcher-Führung, wie sie sich auf die Macht vorbereitet und einen autoritativen Massenkonsens konstituiert, indem sie versucht, das Kapital in der »ehrwürdigen Verkleidung und mit der erborgten Sprache«, mit den »Namen, Parolen und Kostümen« einer verschwindenden Klassenfraktion zu »vertreten« – denen der kleinen »Ladenbesitzer«. Das mag zwar anachronistisch anmuten, ist aber nichtsdestoweniger effektiv. Für jeden, der versucht, den roten Faden zu finden, der diese widerstreitenden Erscheinungen im Klassenkampf verbindet, kann es wohl kein zwingenderes Argument für die Entwicklung einer Theorie des Klassenkampfes geben. Und zwar einer Theorie, der »Einheit« dieser widersprüchlichen und verschobenen Repräsentationen