Leistungsvermögens dieser Einheit agiert, indem er sich durch Anpassung an die ihm vorliegende Materie an funktionale Aktivität anpasst. Der Geist ist Eines. Ein geistiger Akt ist ein psychophysischer bzw. physiologischer Prozess. Es gibt keine getrennten und verschiedenartigen Fähigkeiten mehr, denn der Geist ist ungeteilt und unteilbar. Im Zusammenhang mit seiner Anpassung an die wechselnden Bedingungen, unter denen er arbeitet, hat der einzelne Geist jedoch verschiedene Funktionen. Außerdem hat er sich in zweierlei Hinsicht zu seinem jetzigen Zustand entwickelt: individuell gesehen von der Kindheit zur Reife und zivilisationsgeschichtlich gesehen vom Niedrigeren zum Höheren. Um mentale Gegebenheiten zu verstehen, müssen stets beide Aspekte im Auge behalten werden. Dieser Standpunkt der Psychologie geht auf Lotze zurück, denn er war es, der zuerst von »den neuronalen Gegebenheiten der mentalen Prozesse« sprach. Fechner setzte diesen Gedanken um, indem er die funktionale Idee psychologisch und physiologisch angewandt in Übereinstimmung brachte. Wundt arbeitete diese Ideen durch Anwendung auf die mentalen Phänomene weiter aus und gründete 1879 in Leipzig ein psychologisches Labor, um solche Phänomene experimentell besser erforschen zu können.
In Amerika wurde die Evolutionsphilosophie hauptsächlich durch die Arbeiten von Spencer eingeführt. Einer der ersten und fähigsten Interpreten der Evolutionstheorie war Fiske. Er vertrat die Anschauung, der kosmische Prozess bilde die Grundlage des intellektuellen, sittlichen und religiösen Seins des Menschen, wobei er jedoch Weismanns Idee der Selektion und der Präformation für die Umwelt sowie die u. a. von Spencer vertretene Epigenese bevorzugte. Die amerikanische Schule der Biologie unterstützte dies unter Führung von Edward Cope, demzufolge alle modifizierten Formen des animalischen Lebens durch das Wachstumsprinzip und die ererbten Auswirkungen von Gewohnheit und Anstrengung zu erklären sind. Seiner Ansicht nach gibt es eine Entwicklungskraft, die die Entwicklungslinie bestimmt. Dadurch erhält das Psychische, das sich im dem universalen animalischen Begehren und Bemühen zu leben zeigt, Vorrang vor dem rein Physischen. Zu den Vorreitern und originellsten amerikanischen Denkern gehört George T. Ladd. Er war in Amerika der Erste, der auf dem Gebiet der experimentellen und physiologischen Psychologie forschte und lehrte. Ihm zufolge bildet die Wissenschaft vom mentalen Leben die einzige mögliche Erklärung für alle Probleme des Lebens. Mit dieser neuen Psychologie sind auch Cattel, Baldwin und Sanford verbunden, deren Laborarbeit der Psychologie eine ganz neue Form gegeben hat, die wir in den folgenden Vorlesungen erörtern werden.
Die Trennlinie in der modernen Psychologie entsteht im Zusammenhang mit der Bedeutung der mentalen Funktion – wobei eine Seite behauptet, sie sei schlicht eine Form des kosmischen Prozesses, während die andere meint, sie entspräche dem Spiel der Kräfte in der physischen Welt. Bei der Lösung dieses Problems und anderer Fragen der Psychologie hat der Physiologe ebenso viel beizutragen wie der Psychologe. Zu den herausragenden Ideen gehört das Anwenden von Messungen auf den Geist, soweit es um das Bestimmen von Zeit und Quantität geht. Dies impliziert selbstverständlich Experimente am Nervensystem und an den Veränderungen, die das Bewusstsein betreffen. Descartes unternahm schon vor Langem Experimente in Bezug auf die Emotionen, um zu beweisen, dass man sich dem Geist durch den Körper nähern kann. Doch dies erwies sich so lange als unmöglich, bis die Physiologie das Nervensystem und dessen über das Gehirn laufende Verbindungen zum Geist erschlossen hatte. Im Zuge dieses Fortschritts in der Physiologie des Nervensystems nahm die Psychologie an, dass die mentalen Phänomene stets von Nervenveränderungen begleitet sind. Die Beziehung zwischen Geist und Körper hängt von dieser Annahme ab. Die physischen und mentalen Veränderungen, die stets Hand in Hand gehen, werden mit Hilfe von Messwerten interpretiert. Man geht davon aus, dass diese zwischen Geist und Körper unzweifelhaft bestehende Verbindung einheitlich ist, womit man eine Grundlage hat, um Experimente in Bezug auf das mentale Leben durchzuführen.
Da wir diese Beziehung also festgestellt haben und von ihrer Einheitlichkeit ausgehen, können wir die Gegebenheiten des Bewusstseins analysieren, die Gegebenheiten bei neuronalen Veränderungen messen und die Modifikationen wahrnehmen, die sich in den Gegebenheiten des Bewusstseins korrelativ zu den Veränderungen in der Nervenstimulation vollziehen. Mit Hilfe des Experiments können wir den Unterschied zwischen natürlichen und willkürlichen Zuständen ebenso entdecken, wie wir herausfinden, dass die Modifikation der Nervenzellen äußerlicher Stimulation des Nervensystems oder anormalen Zuständen im Organismus zuzuschreiben ist. So stoßen wir auf jene Krankheitszustände des Nervensystems, die charakteristisch sind für bestimmte zerebrale Zustände und mentale Veränderungen, die mit organischen Veränderungen der Nervenzellen einhergehen. Und genau hier kommen mentale Krankheiten in Betracht. Das ist physiologische Psychologie und Pathologie. Die experimentelle Psychologie zeigt die Ergebnisse von Experimenten im Zusammenhang mit der Stimulation jener Organe, die das Nervensystem als das Medium mentaler Aktivität beeinflussen, [und bestimmt,] ob sie sich auf die normalen oder anormalen Zustände von Geist und Nervensystem beziehen. In diesem Semester werden wir die Psychophysiologie erörtern und im nächsten die Psychopathologie und die Psychiatrie.7
Um Psychologie zu verstehen, müssen wir tief in die Biologie graben, und um das Fachgebiet zu umfassen, müssen wir Physiologie, Neurologie, Physik und Chemie erforschen. Die Methode, die wir dabei verwenden, ist Beobachtung, unterstützt durch Experimente. Auf diese Weise hoffen wir, eine Wissenschaft zu entdecken und aufzubauen, die aus bestimmten Prinzipien besteht und bestimmte Probleme betrachtet. Sie findet ihre Grundlage oder ihr Wirkungsfeld im menschlichen Körper, insbesondere im Nervensystem. Eine Aktivität erzeugt über die Sinnesorgane einen Eindruck im Gehirn. Die Impulse werden durch den motorischen Apparat in Verbindung mit den Muskeln und Knochen ausgeführt. Die Psychologie legt zwei Axiome fest:
– Jedes mentale Phänomen beruht auf einer Aktivität des Gehirns.
– Der Geist besitzt von Natur aus keinerlei Begriff von Zahl, Qualität oder Raum.
Es ist also nicht so, dass mit der mentalen Existenz zugleich auch eine Vorstellung von diesen Phänomenen existiert. Doch markieren alle Vorstellungen, Einschätzungen und Unterscheidungen das mentale Wachstum. Das Gehirn entwickelt sich und ebenso der Geist und beide Entwicklungen sind untrennbar miteinander verbunden. Um den gegenwärtigen mentalen Status zu verstehen, müssen wir seinen Entstehungsprozess von der einfachsten Form an nachverfolgen. Wir müssen das Wachstum studieren, um an die Ordnung der mentalen Entwicklung heranzukommen, an diese Gesetze, die den mentalen Fortschritt darstellen, der sich im Einklang mit der gesamten natürlichen Evolution befindet. Vom Tier an aufwärts finden wir diese fortschreitende Entwicklung. Der Instinkt des Kükens zeigt sich am dritten Lebenstag, sodass das Küken instinktiv jedem sich bewegenden Objekt folgt und danach an seinem Führer festhält, wer oder was immer das auch sein mag, während jedes andere sich bewegende Objekt Beunruhigung hervorruft und Furcht erzeugt. Wird diese Phase instinktiver Entwicklung unterdrückt oder versäumt, kann sie sich später nie mehr entfalten. Dass es für die angemessene Entwicklung des psychischen Wesens eine Reihenfolge und einen bestimmten Zeitraum gibt, ist ein wichtiges psychisches Prinzip. Beim Menschen finden wir mehr Instinkte als bei jedem anderen Tier und sie entwickeln sich alle in richtiger Reihenfolge. Diese Instinkte und die mit ihnen verbundenen Emotionen stellen die mächtigsten Einflüsse der Natur dar.
Es gibt verschiedene Typen menschlichen Denkens und Assoziierens. Die Menschen denken und bilden auf unterschiedliche Arten mentale Erinnerungsbilder. Dabei sind die Typen individuell, die Fähigkeit aber ist allgemein. Veranschaulicht wird dies durch die Art und Weise des visuellen Beobachtens, der stimmlichen Äußerung und des inneren Sprechens. Manche Menschen visualisieren, andere drücken sich verbal aus, während wieder andere all ihren Gedanken mittels innerer Äußerungen Ausdruck verleihen. Das sind die drei Typen mentaler Verkörperung in der Geistestätigkeit. Offenbar basiert dies auf Nachahmung, die beim Menschen ebenso instinktiv ist wie bei den niederen Tieren. Um nachzuahmen, muss im Geist ein bestimmtes Konzept gebildet werden und es muss eine Antriebskraft geben, um das Konzept auszuführen. Auf diese Weise entwirft der Geist seine Pläne und mit Hilfe des Gehirns, des Nervensystems und des Körpers bringt er sie zur Ausführung.
Dieselbe Idee von der Verbindung zwischen Gehirn und Geist finden wir auch in einer anderen Richtung, nämlich im Sprechen. Im Gehirn gibt es zwei Lappen, wovon jeder die jeweils entgegengesetzte Hälfte des Körpers reguliert. Die rechte Hand wird vom linken Bereich des Gehirns gesteuert und dort finden wir nahe an dem für die Hand zuständigen Bereich das Sprechzentrum.