schließlich mit Ölfarben. Vielleicht hatte ihn sein Bedürfnis, diese Landschaft zu besitzen und zu preisen, zum Maler gemacht.
Er hatte schießen gelernt, und obwohl es für ihn immer schwierig geblieben war, Vögel und andere Tiere zu töten, tat er es, weil es erwartet wurde und weil die Ablehnung durch seine Freunde den Ausschluss aus seinem selbsterkorenen Abenteuer zum Preis gehabt hätte. Rotwild mochte er nicht jagen, aber er ging mit seinen Freunden auf Enten- und Gänsejagd und schoss Kaninchen und Eichhörnchen. Er zog das Tontaubenschießen vor, mit dem er im College anfing. Zach war ein recht guter Schütze, aber Jeff war besser. Da er sich über die Jahre so viele Gewehre und Schrotflinten von anderen geliehen hatte, erfasste er rasch die Eigenarten einer jeden Waffe und stellte sich darauf ein. Als er auf der Ferienranch arbeitete, ließ Quinlan ihn mit einem 44er Colt zum Ergötzen der Gäste ein Schauschießen veranstalten und hin und wieder Unterricht im Scheibenschießen geben.
Es blieb der Armee vorbehalten, seinen langen Flirt mit Feuerwaffen zu bestrafen, denn er saß in Alabama fest, gelangweilt bis hinunter zum intellektuellen Niveau der Schimmelpilze, die ihm zwischen den Zehen und hinter den Ohren wuchsen, er trank viel zu viel und fieberte etwas von einer leichten Infektion, einem Rückfallfieber, das ihn schwächte, aber nie fest aufs Krankenbett warf. Er war Ausbilder am M-1-Gewehr. Seine Klassen kamen und gingen, aber ihm wuchs Moos auf dem Rücken.
Das Einzige, was ihn damit aussöhnte, war gerade nach Übersee verschifft worden, seine Krankenschwester Betty Jo, die einen vollen Dienstgrad höher stand als er. Sie war ein Rotschopf aus Tennessee und konnte ihn unter den Tisch trinken, die derbmäulige, braunäugige Tochter eines Bergmanns. Aus zusammengekniffenen Augen und mit aufeinandergepressten Lippen starrte Betty Jo auf die Welt, bis sie die Schuhe auszog, dann kam eine deftig liebevolle Person zum Vorschein, ebenso überraschend wie ihr weicher Körper unter der Uniform. Er hatte Betty Jo kennengelernt, als einer seiner Schüler ihm in den Arm schoss. Der Soldat konnte nicht verstehen, warum Jeff ihn nach dem Unfall nicht schurigelte.
Sie war auch einsam. Jeff kam dahinter, warum die Armee alle Krankenschwestern zu Offizieren ernannte. Sie konnte mit keinem der Mannschaftsränge ausgehen, denn die Dienstvorschriften verboten solche Mischung. Und so war die Verleihung des Offiziersranges ein Weg, die Krankenschwestern für alle außer männlichen Offizieren sexuell zu verbotenem Terrain zu erklären. Manchmal waren die Wege der Armee unergründlich, dann wieder waren ihre Absichten erbarmungslos deutlich.
Nun war sie fort und ließ Jeff deprimiert zurück. Sein Leben glich einer Reihe von stehenden Lagunen, die durch kaum fließende Stichkanäle verbunden waren. Als er sich zum Militär gemeldet hatte, dachte er anfangs oft an einen gewaltsamen Tod, aber jetzt dachte er, dass er an Langeweile und Trägheit zugrunde gehen würde, durchfaulen wie ein im Moorwasser versunkener Baumstumpf. Der Sommer war nie seine Lieblingsjahreszeit gewesen, und der Sommer kam hier im April. Schwüle war Dauerzustand.
Er musste säuerlich lächeln bei dem Gedanken, dass er Brachvogel erzählt hatte, es ziehe ihn in eine grünendere, südlichere Landschaft. Anfangs hatte er hier zu malen versucht, aber Papier wie Leinwand verwelkten und vermoderten. Sein Kommandeur machte ihm das Leben schwer und rief ihn immer mit ›Hey, Rembrandt‹. Schließlich übermannte ihn die Trägheit, und er dachte nicht mehr an Licht und Farbe. Morgens erwachte er nicht mehr mit jenem Gefühl des Besessenseins, von Formen, die in seinem Kopf Gestalt annahmen, von Farben, die immer lebendiger wurden. Er sah keine Bilder mehr, und er malte nicht mehr. Er war ein Tier, nicht mal ein Hund oder ein Waschbär, sondern etwas Niederes und Schläfriges wie ein Salamander in verrottendem Laub.
Er ersuchte um Versetzung, aber nichts geschah. Die Armee sprang mit kleinen Leutnants so um, wie er mit benutzten Rasierklingen verfuhr. So war er erstaunt, als ihn ein Brief von einem unbekannten Hauptmann Cunningham erreichte, der anfragte, ob er zum Amt für Strategische Dienste, dem Office of Strategic Services, wechseln wollte, und die übliche Menge an Armeebewerbungsformularen beifügte. Er füllte sie aus und schickte sie ab und fragte sich, worum es sich drehen mochte. Im Armeechinesisch konnten strategische Dienste auch das Ausliefern der Post oder das Organisieren von Freizeitvergnügungen für die höheren Chargen sein. Nichts würde herauskommen bei seinem neuerlichen Versuch, dieser Wasserschlangenfalle zu entrinnen.
Zehn Tage später zitierte ihn sein Kommandeur zu sich. »Sie haben sich rausgewieselt, Rembrandt. Ich weiß nicht, wen Sie da kennen, aber es klingt nach einem gemütlichen Schreibtischpöstchen in Washington.«
Sein Befehl lautete schlicht, sich am kommenden Montag beim OSS in Washington einzufinden. In der verbleibenden Zeit übertrug ihm der Alte die schmutzigsten Sonderkommandos, die er sich ausdenken konnte, und er musste mit den Männern in die Sümpfe marschieren und einen Tag lang Dschungelkrieg üben und eine Nacht lang im Freien kampieren, worin Jeff lediglich eine Methode sah, die Moskitos zu füttern. Sein Fieber stieg, bis ihm in der Hitze, die so greifbar war wie eine erstickende, nasse Wolldecke, die Zähne klapperten.
Am Montag erfuhr er in Washington wenig mehr, als dass OSS genauso viel Papierkram produzierte wie andere Armeeabteilungen und von den Mitarbeitern nur OSS genannt wurde, niemals der, die oder das OSS. Er gab auf fünf verschiedenen Formularen seinen Bildungsweg an und seine nächsten Verwandten auf sechs. Ein Major Cod hielt ihm eine strenge Begrüßungsansprache und betonte, die ihm bevorstehenden Aufgaben schlössen das Sammeln von nachrichtendienstlichen Informationen hinter den feindlichen Linien ein und seien vertraulicher und höchst gefährlicher Natur, und die OSSAusbildung sei sowohl anstrengend als auch riskant und erfordere geistige Widerstandskraft und körperliches Durchhaltevermögen. Der Major sprach gerne in Bandwurmsätzen. Jeff schloss aus dem Vortrag, dass OSS eine Art Kommandoeinheit war, und fragte sich, wie man auf ihn gekommen war.
Er wurde auf ein Gelände gefahren, das aussah wie ein ehemaliger Country Club. Auf immer noch deutlich erkennbaren Tennisplätzen waren Zelte errichtet. Der Hauptausbilder, ein Hauptmann Spinnaker mit vorzeitiger Glatze, obwohl kaum dreißig, sagte ihm, er würde den Sonderoperationen zugeteilt und habe bis dahin seine Fähigkeiten im Guerillakrieg und im Sammeln geheimdienstlicher Meldungen zu schulen.
Dann übergab ihm Hauptmann Spinnaker einen versiegelten Umschlag. In diesem steckte ein weiterer, ebenfalls versiegelter Umschlag. Jeff rechnete schon damit, dass darin wieder ein versiegelter Umschlag steckte und dann noch einer und noch einer, bis schließlich im Innersten eine kleine Pille mit der Anweisung ISS MICH zum Vorschein kam und ihn in einen Schmetterling verwandelte.
Doch in dem zweiten Umschlag steckte ein kurzer Brief, hastig in einer sehr vertrauten Handschrift hingeworfen.
Alter Jeff,
höre, du hattest was mit einem Alligator zu laufen, den du bei einem Ringkampf kennengelernt hast. Tut mir leid, dass ich mich einmische, aber Mutter braucht dich, und Alligatoren sind berüchtigt für ihre Wankelmütigkeit.
Dieser Verein müsste dir geistig und gesellschaftlich ein bisschen mehr liegen. Bring die Ausbildung hinter dich. Traue niemandem und halte deinen Mund fest geschlossen, außer um Getränke zu dir zu nehmen. Geh davon aus, dass du nicht die Freiheit hast, Blödsinn anzustellen, bis du mit der Ausbildung fertig bist, ab welchem Zeitpunkt du es wie wir Übrigen ungestraft und unablässig tun kannst.
Z
Das große Z stand nicht für Zorro. Also Zach steckte hinter der plötzlichen Anfrage von Hauptmann Cunningham und seiner Versetzung. Jeff fragte sich, in was Zach ihn diesmal hineingezogen hatte; aber aus was Zach ihn herausgezogen hatte, stand ihm deutlich vor Augen, und er segnete seinen Freund, wo immer er gerade sein mochte.
Dieser neue Einsatz, auch wenn er mindestens so geheimnisumwittert war wie frühere Jungensspiele, schien die erste vernünftige Entscheidung, die die Armee über ihn gefällt hatte. Jeder in seiner Gruppe beherrschte zumindest eine europäische Sprache. Er sprach ausgezeichnet Französisch und konnte sich auf Spanisch, Italienisch, Deutsch und Griechisch verständigen. Seine OSS-Ausbilder waren sich offenbar im Unklaren, ob sie ihn zum Spion schulten oder zum Guerillakämpfer, doch beide Tätigkeiten schienen ihm angetan, sein Gehirn in Gang und seinen Körper wach zu halten. In Alabama hatte er im Sterben gelegen.
Das Rückfallfieber verschwand in der gesünderen Luft von Washington. Sie hatten tagsüber Unterricht und nachts Übungen,