ist eine Schuld, die viele Christen unwissend praktizieren. Sie glauben daran, tugendhaft, wahrhaftig und perfekt in der Nachfolge zu stehen. Aber sie spüren nicht, wie nörglerisch, kritisch und unzufrieden sie sind.
Friedrich Hebbel hat es einmal so formuliert: »Es gibt Leute, die nur aus dem Grunde in jeder Suppe ein Haar finden, weil sie, wenn sie davorsitzen, so lange den Kopf schütteln, bis eins hineinfällt.«
Perfektionisten, Pessimisten und Unzufriedene schütteln in der Tat den Kopf so lange, bis sie Fehler und Mängel entdecken. Perfektionisten sind fehlerorientiert. Sie glauben an Fehler und Irrtümer.
Eine Jurastudentin zählt sechs Nachteile ihres Perfektionismus auf:
▪ »Erstens macht er mich angespannt und nervös, dass ich manchmal nicht ausreichend Leistungen zustande bringe.
▪ Zweitens fehlt mir oft die für kreative Arbeit nötige Bereitschaft, auch Fehler in Kauf zu nehmen.
▪ Drittens hält er mich davon ab, Neues auszuprobieren.
▪ Viertens macht er mich zu selbstkritisch und verdirbt mir alle Freude am Leben.
▪ Fünftens kann ich nie entspannen, weil ich immer wieder etwas finde, was nicht perfekt ist.
▪ Sechstens macht er mich intolerant gegenüber anderen und man hält mich für eine Nörglerin.«
Der Perfektionist straft sich selbst und ist gnadenlos. Er lebt nicht von der Gnade Gottes. Er durchforscht sich und macht sich verrückt. Alle Freude am Leben ist verdorben. Und was hilft alle Perfektion? Es hilft nur eins, dass wir uns klarmachen: Gott ist für Sünder gestorben, das heißt für Unvollkommene, für Menschen mit Fehlern und Schwächen. Der Perfektionist braucht strenggenommen Jesus nicht.
– Er will selbst makellos und vollkommen dastehen.
– Er rackert sich ab und überfordert sich.
– Er strebt die Reinheit an und nennt es Heiligung.
Perfektionismus und Kontrollzwang
Unsere Welt ist nicht völlig sicher und vollkommen. Und kein Mensch ist frei von Fehlern und Kritik. Doch von Zeit zu Zeit erleben wir alle Tage, in denen wir übertrieben Furcht davor haben, zu versagen, geliebte Dinge oder Menschen zu verlieren, dem Druck der Verantwortung nicht gewachsen zu sein. Und wir begreifen, dass wir nicht perfekt sind.
Viele Menschen fühlen sich tief im Innern bedroht, weil sie unfähig sind, Ungewissheit und Unvollkommenheit zu tolerieren. Ist es nicht auffällig, dass etwa 5 Millionen Amerikaner darunter leiden, dass sie Sicherheit, Vollkommenheit und Vorhersehbarkeit nicht beherrschen und krank werden? Was tun solche Menschen? Sie wollen ihre Befürchtungen und Ängste in den Griff bekommen. Sie wollen ihre Sorgen und unangenehmen Gedanken beherrschen. Eine Möglichkeit: Sie reagieren mit Kontrollzwang.
Kontrollzwänge haben den Sinn, mögliche »Katastrophen« abzuwenden. Sie wollen den Menschen vergewissern,
– dass der Gasherd abgeschaltet ist,
– dass Fenster und Türen verriegelt sind,
– dass ein Schriftstück fehlerfrei erstellt wurde,
– dass Fehler und Versäumnisse vermieden werden,
– dass andere Menschen nicht durch uns zu Schaden kommen.
Der Kontrollzwang kann auch ein bestimmtes Ordnungsverhalten widerspiegeln. Diese Menschen brauchen eine gewisse Symmetrie. Pedantisch genau wird das Bett gemacht. Kein einziges Fältchen darf zu sehen sein. Die Vitamine, die tagsüber eingenommen werden sollen, werden in einem speziellen Muster auf dem Küchentisch platziert. Menschen mit diesem Zwang zur Ordnung verbringen viel Zeit damit, alle Dinge an den richtigen Platz zu stellen. Hat jemand ihre Ordnung zerstört, werden sie wütend und unleidlich.
Wie entwickelt sich so ein Kontrollzwang? – Die Regel lautet: Je verbissener Sie den Gedanken, alles kontrollieren zu müssen, bekämpfen, desto mehr halten Sie ihn aufrecht. Der Kontrollzwang wird also durch einen Widerspruch verstärkt. Je mehr Sie einen solchen Gedanken abwehren wollen, desto stärker werden Sie von ihm verfolgt. Den Menschen, die unter Schlaflosigkeit leiden, ergeht es ähnlich. Was geschieht?
Wenn Sie einem Gedanken Widerstand entgegensetzen, beschäftigen Sie sich mit diesem Gedanken. Sie sind an ihn gebunden. Sie haben eine Beziehung zu ihm aufgenommen. Sie werden ihn nicht mehr los.
Und die Fachärzte beschreiben ein zweites Phänomen. Wenn Sie befürchten, dass ein bestimmter Gedanke wiederkehrt, begibt sich Ihr Körper in Abwehr und schüttet eine biochemische Substanz aus, das sogenannte Epinephrin. Diese Substanz bereitet Ihren Körper auf Kampf vor:
– Ihre Muskeln verspannen sich.
– Ihr Herzschlag und Ihre Atmung werden beschleunigt.
– Ihre Gedanken beginnen zu rasen.
– Sie sind an den Gedanken, den sie loswerden wollen, gefesselt.
Immer, wenn Sie gegen Kontrollzwänge Sturm laufen, wenn Sie gedanklich dagegen ankämpfen und sich Sorgen machen, die Kontrollgedanken könnten Sie wieder einholen, sind sie schon da.
Perfektionismus und Unordnung
Sie denken sicher auch: »Das ist ein Widerspruch. Der Perfektionist ist niemals unordentlich.« Viele Beispiele aus Seelsorge und Beratung lassen sich anführen, um zu beweisen, dass Perfektionisten schluderig sein können.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel erzählen. – Herr Wegmann ist ein Perfektionist. Pünktlich um 15 Uhr kommt er zur Beratung. Keine Minute zu früh, keine Minute zu spät. Ordnung ist das halbe Leben. Er hat ein »großes Problem«, sagt er. Ich bitte ihn, sein Problem ausführlich darzustellen.
»Sehen Sie, das ist so. Ich habe ein Auto, einen Audi A 4. Farbe Stratosilber, damit Sie einen Eindruck haben. Im Prinzip bin ich sehr eitel und gewissenhaft. Aber eins verstehe ich nicht. Das Auto ist in der Regel schmutzig und im Kofferraum sieht es aus wie Sodom und Gomorra. Meine Frau versteht mich auch nicht. Denn sie hält mich für einen Perfektionisten, der alles – im Prinzip auch das Auto – tadellos sauber hält. Im Grunde verstehe ich mich auch nicht.«
Ich: »Was verstehen Sie im Grunde nicht?«
Er: »Dass ich das Auto nicht pingelig sauber halte, wie ich es sonst bei allen Dingen, die ich besitze, tue.«
Ich: »Sie halten sich also schon für einen pingeligen Menschen, wie Sie es sagen?«
Er: »Ja, das stimmt, ich bin ein Pedant. Nur das Ordentliche, das Saubere und das Vollkommene zählen.«
Ich: »Was, glauben Sie, hält Sie ab, Ihr Auto auch so pedantisch sauber zu pflegen?«
Er (überlegt sehr lange und sucht eine Antwort): »Vorgenommen habe ich es mir immer schon oft, aber wenn ich an die Stunden denke … «
Ich: »An die Stunden der Arbeit, meinen Sie das?«
Er: »Genau!«
Ich: »Aber wieso muss die Säuberung Ihres Wagens Stunden in Anspruch nehmen? Sie können doch für eine leidliche Ordnung sorgen!«
Er: »Leidliche Ordnung – das gibt es nicht für mich!«
Ich: »Ich verstehe Sie so, dass die Ordnung hundertprozentig sein muss!«
Er (lächelt): »Im Grunde hätte ich es nicht treffender ausdrücken können!«
Ich: »Mit anderen Worten: Sie fangen eine Arbeit nicht an, wenn Sie sie nicht hundertprozentig pingelig erledigen können?«
Er (legt seine Stirn in Falten): »Das ist es. Ja, das ist es. Wenn ich etwas nicht vollkommen erledigen kann, fange ich erst gar nicht an!«
Ich: