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Warum wir das schaffen müssen


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       Die Autorinnen und Autoren

       Fußnoten

      Das Wort des Jahres 2014 war das Kunstwort „Lichtgrenze“. Die Gesellschaft für deutsche Sprache bezog sich mit diesem Wort des Jahres auf die Berliner Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls. Über 8000 weiße, leuchtende Ballons erinnerten damals auf einer Länge von 15 Kilometern an den Verlauf der Berliner Mauer und an die frühere Teilung der Stadt und unseres Landes. Was für ein entscheidender Tag nicht nur für unser Land, als diese Mauer 1989 fiel; und ein starkes Bild, als Tausende erleuchtete Ballons gen Himmel stiegen und die für wenige Tage noch einmal sichtbare Grenze ein letztes Mal verschwand. Nur zwei Jahre später, im Jahr 2016, wird in Deutschland und in Europa darüber diskutiert, ob offene Grenzen nicht wieder Zäunen und Schlagbäumen weichen sollen.

      Schaffen wir das – mit offenen Grenzen, offenen Herzen und begrenzten Möglichkeiten‘?

      Ich bin überzeugt, dass spätere Generationen Europa und Deutschland daran messen werden, ob wir die weltweite Jahrhundertherausforderung Migration und Flucht mit einem angemessenen Beitrag Europas und Deutschlands beantwortet und mitbewältigt haben.

      Dabei ist schon sehr viel geschafft. Das Leben von Hunderttausenden schutzbedürftigen Menschen konnte gerettet werden. Sie sind nicht im Mittelmeer ertrunken oder vor hohen Zäunen und geschlossenen Stacheldrahtverhauen abgewiesen worden. Die Hilfsbereitschaft von Hunderttausenden Freiwilligen in Europa ist nach wie vor sehr groß. In Deutschland engagieren sich aktuell mehr Menschen bei der Aufnahme und Integration der geflüchteten Menschen als im Sport. Das ist ein weltweit wahrnehmbares Zeichen dafür, dass die Idee der Menschenrechte als die große Erzählung Europas noch immer eine kraftvolle und überzeugende Orientierung entfaltet. Diese Menschenrechte, zu denen das Recht auf Schutz vor Gewalt und Verfolgung gehört, offensiv zu vertreten und zu verteidigen ist eine der großen historischen Aufgaben der Mitgliedsländer Europas.

      Das Jahr 2016 muss trotz aller Widerstände und unterschiedlichen Interessen zum Jahr der gemeinsamen Anstrengungen für eine gelingende Bemühung um Integration werden. Dabei müssen wir aus den Erfahrungen unserer Nachbarländer genauso lernen wie aus den nicht geglückten Erfahrungen, die wir in unserem Land gemacht haben.

      Bezahlbarer Wohnraum, Kitaplätze, schnelles Erlernen der deutschen Sprache und schnelle Integration in Arbeitsprozesse der Asylbewerberinnen und -bewerber sind die prioritären Herausforderungen neben einer gemeinsamen europäischen Antwort, die jetzt ebenfalls dringend erforderlich ist.

      An der Bewältigung dieser Herausforderung mitzuwirken ist nicht nur Aufgabe der Politiker, sondern aller Menschen, denen die Ideen der Menschenrechte und eines menschenwürdigen Zusammenlebens auf diesem unbegreiflich erwählten Planeten eben nicht egal sind.

      Dazu bedarf es der Zusammenarbeit und der aktiven Unterstützung aller Menschen, die für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben aller Menschen eintreten wollen. Nach einem Jahrhundert der Gewalt und der Diktaturen sollten wir verstanden haben, dass Nationalismus und Extremismus in der europäischen Geschichte zu oft und immer wieder in die Katastrophe geführt haben. Die vorliegenden Beiträge sind lesenswerte und fundierte Mosaiksteine zu einem hoffentlich menschenfreundlichen Gesicht Deutschlands und Europas angesichts der immensen Herausforderungen.

       Ulrich Lilie

       Präsident Diakonie Deutschland

       Rebekka Gohla

      Es ist Mitte des Jahres 2015, und in den Nachrichten verfolge ich die aktuelle Lage. Immer mehr Menschen fliehen aus Ländern wie Syrien oder dem Iran, um dem Krieg zu entkommen. Eine Welle von Videos taucht in den sozialen Netzwerken auf. Darunter immer wieder Bilder von verzweifelten Müttern und Vätern, die ihre Kinder an der Hand halten oder auf dem Arm tragen.

      Die Bilder sind zum aktuellen Zeitpunkt für niemanden mehr neu. Und ich könnte auch gar nicht sagen, wann die erste Flüchtlingswelle kam. Es kommt mir so vor, als sei es nie anders gewesen. Ich erinnere mich schon gar nicht mehr an die Zeit ohne die Massenquartiere in den Städten. Kein Wunder, immerhin sind Medien wie Fernsehen, Zeitungen und Radio vom Flüchtlingsdrama überflutet.

      Ich fühle Mitleid mit den Menschen, die ihre Heimat verlassen haben. Wie muss das sein? Wie fühlt es sich an, seine Freunde, die eigene Familie und das geliebte Zuhause zu verlassen, ohne zu wissen, wann und wo man landen wird? Was wird den Neuankömmlingen durch den Kopf gehen? Vielleicht Fragen wie diese: Wie werden die Menschen in dem neuen Land sein? Wie kommuniziere ich mit ihnen, wenn wir doch nicht dieselbe Sprache sprechen? Wovon werden wir Lebensmittel und einen Schlafplatz bezahlen?

      Im Fernsehen sehe ich Berichte über Schleuser, die Flüchtlinge in ihren Lastwagen mitnehmen. Diese Menschen ersticken mitten in Europa auf dem vermeintlichen Weg in die Freiheit. Ich sehe Polizisten, die an der Grenze ein Interview geben und erzählen, wie sie die Lastwagen vorfinden. Einer dieser LKWs hat in der Verkleidung lauter kleine Beulen, die nach außen hin ausgebuchtet sind.

      „Hier müssen Menschen verzweifelt versucht haben, aus dem Wagen zu gelangen“, sagt der Sprecher.

      Furchtbare Bilder. Oder das Bild von dem kleinen Jungen in seinem roten Shirt, der am Strand angespült wurde – ertrunken, liegen gelassen. Das Bild geht um die Welt. Empörungsschreie. Betroffenheit. Aber es ist weit weg, trotz allem. Ein anderes Video verbreitet sich so schnell und vehement über die sozialen Medien, dass ich es mir eines Tages auch anschaue. Das Hilfswerk „Samaritan‘s Purse“ hat dieses Video veröffentlicht. Es zeigt, wie Helfer dieser Organisation am Strand nach Flüchtlingsbooten Ausschau halten. Befindet sich ein Boot in der Nähe der Küste, helfen sie den Menschen sicher an den Strand zu gelangen. Sie tragen Kinder aus dem Wasser und stützen Menschen, die sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten können. Sie versorgen die Ankommenden medizinisch und geben ihnen Essen und Trinken. Sie kümmern sich um diese Menschen, die nicht nur äußere Verletzungen davongetragen haben, sondern auch innerlich schwer verwundet worden sind.

      Ich sehe das Video an und muss weinen, weil ich mich frage, wie Gott sich wohlfühlt, wenn er die Not dieser Menschen sieht. Könnte ich dort helfen? Würde ich es schaffen, an der Küste auf Menschen zu warten, lebendige und tote, um sie in Empfang zu nehmen? Sicher bin ich mir nicht. Aber es passiert nicht in meinem Land, es passiert Hunderte oder sogar Tausende Kilometer weit weg. Betrifft es mich da? Kann ich überhaupt helfen?

       Flüchtlinge in meiner Stadt

      In einem Stadtteil in Mülheim an der Ruhr befindet sich das Lagerhaus von „Willkommen in Mülheim“. Diese Initiative erzählt eine echte Erfolgsgeschichte. Schon länger engagieren sich hier Privatmenschen, nehmen Kleiderspenden und Haushaltsartikel entgegen, sortieren sie und teilen sie dann an Flüchtlinge aus. Zu den Öffnungszeiten bilden sich stets Schlangen bis vor die Tür. Die Initiative spricht sich schnell herum, und so bringen immer mehr Menschen Spenden hierher. Eine weitere Besonderheit von „Willkommen in Mülheim“ ist sicherlich, dass hier Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen arbeiten. Vor allem die Flüchtlinge, die schon länger da sind und ein wenig Deutsch sprechen, sind eine große Hilfe. Sie können übersetzen, Fragen beantworten und vermitteln.

      „Willkommen in Mülheim“ entstand bereits vor einigen Jahren. Der Gründer und Leiter des Vereins suchte damals via Facebook Spenden für eine Familie. Was sich daraus entwickelte, konnte zu dem Zeitpunkt noch keiner ahnen. Selbst von weit her bringen mittlerweile Menschen volle Autoladungen mit Kleidung, Hygieneartikeln, Spielsachen und Möbeln. Längst haben sogar einige Zeitungen und Fernsehsender bundesweit über die Initiative berichtet. Eine beeindruckende Arbeit, gestemmt von Ehrenamtlichen, denen die fremden Menschen am Herzen liegen. Wer hierherkommt, lernt schnell neue