Wasserlauf. Auf der Halbinsel bauten wir den Hafen, der uns die Versorgungsgüter brachte. Ich hielt Gerichte ab wie im Jahr zuvor, schlichtete stammesinterne Streitigkeiten und solche zwischen den Völkern, die hier wilder waren, aber doch neugierig, was wir ihnen brachten. Das Land lag ruhig.
Dann kamen die Nachrichten. Zuerst die von Tiberius’ Sieg in Pannonien, die mich jubeln ließ. Danach erhielt ich einen Brief von Naso, den er schon im vergangenen Jahr aufgegeben hatte, ein aufwühlendes Dokument. Todunglücklich klang er, mein Freund, dort in Tomi, keine Kultur, nur Wilde, kalt und nass und einsam. Handele jetzt, sonst sterbe ich hier im Exil, klang zwischen den Zeilen durch. Ja, die Zeit war reif.
Ich schickte Asprenas mit zwei Legionen voraus in das Winterlager. Ich selbst würde mich kurz danach auf den Weg machen, sagte ich. Arminius beobachtete mich. Auch er hatte einen Brief erhalten, von Augustus, soviel wusste ich, doch nicht, was darin stand.
Beim Mahl am Abend riet er mir, bis zum großen Fest der Barbaren zu warten, bei dem die Männer zusammenkamen, um den Göttern zu huldigen. Man könne gemeinsam feiern, auf diese Weise würde ich den Respekt Roms vor ihren Riten signalisieren. Der Rat erschien mir gut. So setzte ich unseren Abmarsch für den Tag nach dem Ritual fest. Damit mir die Männer auch wirklich überallhin folgten, ließ ich Münzen aus der Legionskasse mit meinem Kürzel gegenstempeln und schenkte sie den Legionären. Sie jubelten mir zu, sie schwenkten ihre Pilen, trommelten auf die Schilde, brüllten meinen Namen. Sie standen hinter mir. Mit der XVIII, XVIIII und XX Legion, den besten des Reiches, musste es gelingen.
So feierte ich meinen Abschied. Die Barbaren, deren heiliger Hain nicht weit von hier lag, hatten sich dort versammelt und würden am Abend ihre Opfer bringen. Ich wollte ihnen ein großzügiges Geschenk schicken, eine Herde bester Rinder. Doch zuvor musste ich ein letztes Mal Gericht halten, die Fürsten hatten mich darum gebeten. Während ich auf meinem Stuhl saß und den Klageführungen zuhörte, packten meine Männer ihre Sachen. In der Ferne ertönten Hörner. Die Barbaren ziehen zu ihrem Opferplatz, dachte ich. Ich Tor! Die Barbaren vor meinem Richterstuhl wurden unruhig, blickten sich um, griffen an ihre Gürtel. Dann tönten die Hörner näher. Ich sprang auf. »Schließt die Tore!«, brüllte ich. Zu spät. Die Germanen zogen Äxte unter den Kitteln hervor, erschlugen die umstehenden Legionäre. Ihre Stammesgenossen strömten in das Lager, immer mehr wurden es, schwangen Schwerter, Messer, Speere. Meine Männer wurden völlig überrumpelt. Keiner war zum Kampf gerüstet, alle rannten durcheinander, die Centurionen brüllten Befehle, die Tribunen andere, die Verletzten schrien vor Schmerz und Wut. Die Sterbenden stöhnten. Ich versuchte, Ordnung in das Chaos zu bringen, umsonst, nach meinen Offizieren brüllend, rettete ich mich in die Principia, mein Hauptquartier. Privatus rannte herbei, brachte meine Rüstung, mein Schwert und die Nachricht, dass die Männer, die in den anderen Lagern, den wachsenden Städten, den Kastellen lagen, auch angegriffen würden. Es war eine groß angelegte Aktion, eine Revolte, in der Tat. Ich Tor, zu sehr war ich mit meinen eigenen Plänen beschäftigt gewesen, um die Gefahr zu erkennen! Ich rief nach Numonius Vala, dem Reiterkommandant, er kam, Panik in den Augen. »Nimm ein paar Männer, reite um dein Leben, um unseres, und hole Asprenas zurück. Er ist unsere letzte Hoffnung.« Er nickte, sammelte seine Leute, preschte aus dem Lager. Er kam nicht weit. Ich hörte, wie die Barbaren vor Freude aufbrüllten, als sie die Botschaft erhielten, dass Numonius mit seinen Männern aufgerieben worden war. Immer mehr Feinde strömten in das Lager, dessen Palisaden inzwischen teilweise niedergerissen waren, und obwohl sich unsere Männer inzwischen einigermaßen formiert hatten, der Primus Pilus der XVIIII, meiner XVIIII, einen Ausfall befahl, liefen noch immer zu viele in den engen Lagergassen durcheinander. Ach, hier, im Lager, war die große Zahl meiner Männer, sonst ein Garant für den Sieg, das entscheidende Hindernis. Tausende, gegen die der Feind in der offenen Feldschlacht keine Chance gehabt hätte. So machten grinsende Germanen sie nieder, hieben ihnen die Köpfe ab, schwenkten sie in der Luft. Rauch stieg aus dem Hospital auf, Flammen leckten an den Unterkünften, Pferde wieherten und preschten davon. Ich stieg auf einen der Wachtürme, um uns herum nichts als halbnackte Wilde, die unsere Männer töteten, die Offiziere niederschlugen und mit sich schleiften, in Richtung ihres heiligen Haines. Und dort, dort war der Blonde! Arminius, der Verräter! Hoch auf seinem Pferd, schwenkte er sein Schwert, gab Befehle, lachte. Dann sah er mich. Er ritt herüber, als befänden wir uns im Frieden. In seinen blauen Augen funkelte Triumph. »Dies, Quinctilius Varus, ist der Befehl des Princeps Augustus, vernichte den Statthalter, so schrieb er mir, denn er gehört zu den Verschwörern! Nun denn, ich gehorche eurem Diktator. Und mehr als das, er wird keine Freude haben an deinem Tod, denn er mag zwar seine Herrschaft retten, doch nicht diese Provinz. Sie ist mein! Mein Land, meine Leute. Ich will keine Stammesgenossen, die auf Fußbodenheizungen hocken und süßen Wein saufen.«
»Er hat dich aufgenommen, dir alles geboten, was man einem Menschen bieten kann, dir, dem Feind. Das ist dein Dank?«
»Ja, er hat mir viel geboten, seinen Mund, seine Hände, seinen Schwanz. Und seine Peitsche. Das, Quinctilius Varus, macht man mit einem schwachen Weib, nicht mit einem Fürsten der Cherusker. Ich habe lange überlegt, ob ich dich ziehen lassen soll, um ihn zu stürzen. Doch ich glaube nicht, dass es dir geglückt wäre, er wusste von deinen Plänen. So verliert er zumindest eine Provinz, in die er viel investiert hat, das wird ihn treffen, ich kenne ihn. Es ist der Verlust der Macht über mich und mein Volk. Ich hoffe, der Ärger wirft ihn in sein Grab. Und dir, Varus, werde ich als Zeichen meines Sieges seinen Ring nehmen, wenn wir dich auf dem Hain den Göttern opfern.« Er lachte, wendete sein Pferd.
»Warte, Arminius«, brüllte ich. »Wer hat mich verraten?«
Der Blonde hielt inne. »Wer? Nun, er vermutete es schon lange, schon, als Marcella starb, die ihn über alles auf dem Laufenden hielt und vor ihrem Tod einen Brief sandte. Verraten hat dich letztlich dein Freund Ovidius Naso, der mit der Preisgabe von Namen sein Leben erkaufte, das er jetzt in Tomi fristen kann.« Damit ritt er davon, vorbei an seinen mordenden Männern und meinen sterbenden Legionären.
Das Lager brannte. Mein Finger brannte. Der Ring. »Anulus«, hatte Phyllis damals gerufen, jetzt wusste ich, was sie gemeint hatte. Anulus, der Ring, den Augustus mir schenkte, wohl wissend, was er mir bringen würde. Nun denn, so würde ich Phyllis folgen, leiste du mir den letzten Dienst, mein Schwert …
Seltsam, lange dauert es, bis das Leben aus einem herausgeflossen ist. Schneidet den Lebensfaden endlich durch, Ihr Parzen! Und du, Privatus, erfülle mir den letzten Wunsch, nimm den Unglücksring, wirf ihn in den Fluss oder vergrabe ihn auf der Insel der Fährmänner.
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