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HUNDE JA-HR-BUCH VIER


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diese Weise. Jeder Anflug von Trauer wird durch Lucky sofort unterbrochen. Auf Schritt und Tritt begleitet er mich. Er fühlt sich offenbar ausgesprochen wohl bei uns und würde bestimmt bleiben, doch nach gut einer Stunde kommt der alte Landwirt, um Lucky zu holen. Als Paula noch lebte, hatte er des Öfteren mit seinem Trecker die kleine Straße abgesperrt, damit Ben und Paula ausgiebig und ungefährdet miteinander toben konnten, wenn sie sich trafen, denn Ben war immer bei der Feldarbeit dabei.

      Die Begrüßung zwischen Rex – so heißt Lucky, wie ich nun erfahre – und dem alten Herrn ist eher verhalten. „Er gehört ja zu meiner Tochter“, sagt er. „Die ist heute Morgen in die Stadt gefahren. Und als wir dann im Garten waren, muss Rex ausgebüchst sein. Ich habe es gar nicht bemerkt.“ Nur widerwillig steigt Rex ins Auto. „Alles Gute, Lucky!“ Wir winken ihm hinterher.

      Jedes Mal, wenn ich jetzt an dem Hof vorbei gehe, auf dem Lucky wohnt, und er wieder einmal alleine draußen ist, kommt er schon von Weitem auf mich zugestürmt. Nach herzlicher und ausgiebiger Begrüßung bringe ich ihn zum Haus zurück. Dabei habe ich die Stöcke in der einen Hand und die andere an seinem Halsband, an dem jetzt auch Name und Adresse vermerkt sind. Freiwillig ist er nicht zur Heimkehr zu bewegen. Dann klingele ich, übergebe Lucky und sage zu ihm, dass er ja schon so ein großer Hund sei, der nun immer seinen Hof bewachen müsse. Lucky schaut mich zum Abschied mit großen Augen an.

      Wenige Monate später treffe ich Rex mit seiner Besitzerin beim Spaziergang. Wieder begrüßt er mich stürmisch. Ich wechsele einige Worte mit der jungen Frau und erfahre, dass sie mit Rex nun auch ohne Leine spazieren gehen könne. Die Bindung zwischen beiden hat sich also gefestigt. Nachdem ich den Hund ausgiebig gekrault habe, trennen sich unsere Wege. Er läuft ein Stück voraus, dann dreht er sich zu mir um. Ich winke ihm zu. Er zögert einen Moment. „Rex, nun komm“, ruft die junge Frau. Noch ein Zögern – dann eine Drehung mit Hüpfer und er trollt sich. Wehmütig flüstere ich: „Adieu Lucky.“

Dogdancing

      Anke Höhl-Kayser

       Begrüßungs-Cha-Cha-Cha

      Stellen Sie sich vor: Sie gehen durch die Straßen einer Großstadt und sehen in einiger Entfernung eine Frau in mittleren Jahren, die einen weißschwarzen, langfelligen Hund an der Leine führt. Der Hund ist ein Landseer, nur unwesentlich kleiner als diese Frau, und mit Sicherheit etliche Kilogramm schwerer.

      Sie kommen näher. Der Hund guckt wie ein Kuschelbär, der dringend mal gedrückt werden muss, seine Augen sind konzentriert auf Sie gerichtet, er beginnt schon elegant die Rute hin- und herzuschwingen, als Sie noch fünfzig Meter entfernt sind. Die Frau verkrampft daraufhin, sie fasst dem Hund ins Geschirr und macht noch ein paar Stolperschritte. Ihre Augen sind auch auf Sie gerichtet, mit leicht panischem Ausdruck.

      Sie kommen noch näher. Der Hund macht einen eleganten Sprung, er steht nun vor seinem Frauchen. Die Leine ist straff gespannt. Die Frau steht auf den Hacken, leicht hintenüber gebeugt. Sie wirkt wild entschlossen. Der Hund auch.

      Sie sind bei beiden angekommen. Die Frau ruft: „Nein!“ und zerrt an der Leine. Der Hund tänzelt elegant auf Sie zu, als ob es ein anderes Ende dieser Leine gar nicht gäbe, streckt Ihnen die Schnauze entgegen, wedelt ekstatisch. Zum Glück sind Sie ein Hundefreund oder eine Hundefreundin! Die Frau versucht zu verhindern, dass er Sie ansabbert, aber er tanzt um Sie herum, ohne seine Besitzerin und die Leine weiter zu beachten. Die Hundehalterin folgt dabei jedem seiner Schritte, seitwärts, seitwärts, seitwärts: ein unfreiwilliger Cha-Cha-Cha. Dogdancing, schießt es Ihnen durch den Kopf. Das ist doch diese Hundesportart, bei der der Hund mit Herrchen oder Frauchen zu Musik eine Choreografie vorführt. Aber das hier sieht nicht sehr synchron aus. Wer tanzt wohl mit wem? Der große weißschwarze Hund freut sich wahnsinnig, dass Sie ihn streicheln, und wickelt Sie in die Leine. Sein Hecheln klingt eindeutig: Tanz mit, den Cha-Cha-Cha. Die Frau hat inzwischen einen hochroten Kopf und Schweißperlen auf der Stirn, während sie mit in den Boden gestemmten Schuhsohlen versucht, den Hund zurückzuziehen. „Aber das macht doch gar nichts“, sagen Sie und entlocken ihr damit ein Lächeln.

      Konnten Sie sich in diese Szene hineinversetzen? Schön! Dann kennen Sie jetzt Moritz, den Landseer. Er ist ein im wahrsten Sinne des Wortes hundsmiserabler Tänzer und trifft bei jedem Schritt die Zehen. Übrigens: Die Frau am Ende der Leine, die so aussieht, als hätte sie ihre Tanzstundenzeit lange hinter sich – die bin ich.

       Tango Katastrophale

      Moritz ist eine Naturgewalt. Oder eine Naturkatastrophe. Ein Jahr alt, 72 Kilogramm schwer, ein Meter Stockmaß. Weiß mit vielen schwarzen Flecken. Stellen Sie sich einfach eine Friesenkuh vor. Das kommt in etwa von der Größe her hin, und tanzen können Kühe auch nicht. Er hat eine charmante Art mit Menschen. Oder das, was er persönlich dafür hält. Und er ist ein uneingeschränkter Bewunderer weiblicher Schönheit.

      Leider schätzen nicht alle Menschen seinen Tangotänzercharme. Die Joggerin zum Beispiel, der er im Vorbeigehen mit der langen rosa Zunge einmal zärtlich über die rechte Pobacke gefahren ist, schätzte ihn definitiv nicht.

       Polonaise

      Auch das Menuett ist ein Gruppentanz, aber es wird viel zu organisiert und ordentlich getanzt. Nein, Moritz mag lieber das, was nach allgemeinem Chaos aussieht: die Polonaise. Bei ihm sind das Tänzchen mit anderen Hundebesitzern und ihren Vierbeinern.

      „Das ist ein aggressives Verhalten“, belehrte mich die Frau mit dem Jack-Russel-Terrier, als Moritz sich beim Anblick des Hundekumpels platt auf den Bauch legte, um danach schlagartig wie ein Harlekin aus der Box hochzuspringen. Ich weiß nicht genau, wer nun wirklich aggressiv war, denn der auf diese Weise erschreckte Jack-Russel-Terrier hing Sekunden später knurrend in Moritz’ rechtem Ohr. Moritz schaute etwas verwundert. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. An dem Harlekin-aus-der-Box-Verhalten arbeite ich noch. Ich möchte ja nicht, dass irgendwann mal ein Chihuahua mit Herzversagen am Wegesrand liegen bleibt.

      Andere Besitzer kleiner Hunde gehen die Sache offensiv an: „Meine mag keine großen Hunde, sie schnappt“, rief mir der nette Herr schon von Weitem zu. Er blieb mit seiner Rehpinscherhündin mittig auf dem Weg stehen. „Gehen Sie doch bitte einfach an uns vorbei.“ Aha, einfach dran vorbei. Versuchen Sie mal, einen Landseer zur Seite zu schieben. Sie können alternativ auch versuchen, Berge zu versetzen. Auf meine Frage, warum ich denn mit meinem Schwertransport an seinem Kleinwagen (um ein Beispiel aus der Automobilwelt zu bemühen) vorbeimanövrieren müsse, antwortete er mir: „Wenn sie nicht will, geht sie halt nicht weiter.“

       Treppen-Zitter-Jitterbug

      Wie spielt ein Landseer? Indem er Hindernisse aus dem Weg räumt. Nicht Rudolf Nurejews Schweben, nein, Panzerkreuzer Potemkin, unterwegs im heimischen Wohnzimmer. Das bedeutet: Stühle fallen um, wenn sie im Weg stehen, ebenso wie Menschen. Und weil Menschen beim Umfallen viel lustigere Geräusche als Stühle machen, hat Moritz einen Lieblingstanz entwickelt: den Treppen-Zitter-Jitterbug. Der Tanz hat zwei Varianten. Die erste ist die harmlose Leinenvariante: Anlauf nehmen, Leine straff spannen, die letzten sechs Treppenstufen springen und das Wunder der Schwerkraft bestaunen. Die zweite Tanzvariante hat es in sich, sie ist die mit dem lateinamerikanischen Körperkontakt. Dazu umfasst Moritz mit der linken Pfote das Bein des auf der Treppe stehenden Opfers (im Notfall darf es auch die Oma sein) und zieht, während er mit dem Kopf in die Kniekehle drückt. Im Paartanz gäbe die Eleganz dieser Figur mit Sicherheit eine Zehn. Wenn der Partner es denn schaffen sollte, dabei stehen zu bleiben.

       Sabber-Charleston

      Einer der schnellsten Gesellschaftstänze ist der Charleston. Und Moritz hat ihn perfektioniert: immer dann, sobald Süßigkeiten ins Spiel kommen. Salami lässt ihn kalt. Aber wenn